Ein Feld am Stadtrand von Leipzig steht stellenweise unter Wasser. Nach dem regenreichen Februar ist der Boden auf vielen landwirtschaftlichen Flächen durchgeweicht und lässt eine Bearbeitung kaum zu. Foto: dpa/Jan Woitas

Das nasse Winterhalbjahr hat die Dürre in Deutschland beendet. Einerseits ist Aufatmen angesagt. Andererseits sind die langfristigen Vorhersagen der Klimaforscher alles andere als günstig. Wer sind die Gewinner und Verlierer des nassen Winters 2023/2024?

Der vergangene Winter ist nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach einer der nassesten seit dem Jahr 1881 gewesen. Für die Böden, die nach mehreren Dürrejahren in Teilen des Deutschlands bis in tiefe Schichten ausgedörrt waren, bedeutet das eine Erholung. Ist damit Trockenheit für dieses Jahr kein Thema mehr? Welche Auswirkungen haben die nassen Böden? Und was ist künftig in Deutschland zu erwarten? Ei Überblick:

Dürre ist vorerst vorbei

Auf einem Acker in Vienenburg am Vorharz in Niedersachsen, grubbert ein Traktor Ackerland. Foto: Imago/Martin Wagner

Seit 2018 hatte die Natur in Deutschland mit Dürre zu kämpfen, vor allem im Norden und Osten des Landes. Diese Extremsituation ist durch den nassen Herbst und Winter 2023/2024 weitgehend beendet worden. Ausnahmen sind einige Regionen im äußersten Osten der Republik.

Der Leiter des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, Andreas Marx, erwartet für die Wald-, Forst und Wasserwirtschaft ein eher entspanntes Jahr 2024. Es sei so viel Wasser im Boden, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass sich dieses Jahr eine kritische Situation entwickeln werde.

Etwas zurückhaltender äußert sich dagegen der Agrarmeteorologe Falk Böttcher vom Deutschen Wetterdienst. Er verweist darauf, dass es auch im April 2022 eine recht günstige Ausgangssituation gegeben habe. Dann blieb der Niederschlag aus, und nach sechs Wochen sei die Trockenheit wieder Thema gewesen. „Es ist immer noch ein Tanz auf der Klinge“, meint Böttcher.

Landwirte kämpfen mit nassen Böden

Überflutete Rinderweiden mit Rundballen im Wasser in der Nähe des Dümmers bei Lembruch in Niedersachsen. Im Herbst und Winter 2023/2024 kam es in Deutschland zu besonders intensiven Niederschlägen.  Foto: Imago/Countrypixel

Der viele Regen im Winter ist für die Bauern zu einem echten Problem geworden. „Bis auf den Süden haben die Landwirte in allen Bundesländern große Herausforderungen mit zu nassen Böden“, erklärt der Pflanzenbau-Experte des Deutschen Bauernverbandes, Johann Meierhöfer.

Die Böden seien „wassergesättigt“ aus dem Winter gekommen, könnten also neue Regenfälle kaum aufnehmen. „In vielen Regionen Deutschlands sind die Feldarbeiten bislang nur schleppend in Gang gekommen.“

Schon im vorigen Herbst habe es regional Probleme gegeben, das Wintergetreide auszusäen, so Meierhöfer. Schon Ende September und Anfang Oktober seien die Felder örtlich so nass gewesen, dass sie kaum befahrbar gewesen seien. Dann kam in einigen Regionen das Hochwasser dazu.

Ab Anfang März sei Zeit, das Sommergetreide aufs Feld zu bringen. Dass es zuletzt deutlich weniger geregnet hat, habe die Bedingungen für die Feldarbeit wieder verbessert.

„Die deutschen Landwirte nehmen bei ihrer Arbeit eine deutliche Klimaveränderung wahr und versuchen sich natürlich darauf einzustellen“, erläutert der Pflanzenbau-Fachmann. Nicht alle Probleme könnten jedoch in den Betrieben gelöst werden. Es müssten resilientere Pflanzensorten gezüchtet werden und die Bauern bräuchten eine breite Palette an Wirkstoffen für den Pflanzenschutz. Außerdem müssten Bewässerungsanlagen gefördert werden, so Meierhöfer.

Prognosen zur Waldbrandsaison sind kaum möglich

Warnschild vor Waldbrandgefahr im brandenburgischen Sacrow. Foto: Imago/Schöning

Für die Entwicklung der Waldbrandgefahr in den nächsten Monaten lässt sich aus dem nassen Winterhalbjahr nichts ableiten. Zwar sind die Bodenwasserspeicher gut gefüllt, aber entscheidend für die Brandgefahr sind nach Angaben des Agrarmeteorologen Böttcher die oberflächennahen Schichten und die darauf liegende sogenannte Streuschicht.

Verdorren dort in Trockenphasen Laub, Zweige und abgestorbenes Material, steige die Brandgefahr schnell wieder an. Daher sei Anfang März in einigen Regionen Deutschlands schon wieder eine mittlere Waldbrandgefahr erreicht worden, erläutert Böttcher.

Die Daten des DWD werden bundesweit für die Gefahrenvorhersagen genutzt. Als „Waldbrandsaison“ gelten die Monate von März bis Oktober. „In der Welt der Feuerwehr gibt es die Faustzahl 30/30“30“, sagt Böttcher. „30 Grad, 30 Prozent Luftfeuchte und 30 km/h Wind: Wenn das kommt, wissen die Feuerwehrleute, dass sie wahrscheinlich zu Waldbrand-Einsätzen ausrücken müssen.“

Feucht-milde Winter sind für viele Insekten ungünstig

Mückenplage am Bodensee (Archivbild) Foto: Imago/Arnulf Hettrich

Droht nach dem nassen Winter jetzt eine Mückenplage? Das lässt sich laut Professor Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts, so nicht vorhersagen.“ Generell ist es für Stechmücken förderlich, wenn im Winter ihre Entwicklungsgebiete feucht oder sogar überflutet werden. Das ist in diesem Jahr gegeben, erläutert der Insektenforscher.

„Ob es aber wirklich viele von ihnen geben wird, hängt sehr am weiteren Verlauf des Jahres.“ Trocknen die Gebiete aus, ist das schlecht für die Stechmücken. Bleiben viele Tümpel stehen, die sich auch noch schnell erwärmen, dann ist das günstig für die kleinen Plagegeister.

Für zahlreiche andere Insekten sind feucht-warme Winter wie der vergangene eher ungünstig. Es bestehe unter anderem die Gefahr des Verschimmelns oder dass die Tiere ihren Stoffwechsel nicht optimal herunterregeln können. „Am günstigsten für Insekten in unseren Breiten ist früh im Winter eine dauerhafte, wärmende Schneedecke, die bis ins Frühjahr hält. Dann ein warmes sonniges Frühjahr“, sagt Schmitt.

Kalte Winter seien nicht per se schädigend für Insektenpopulationen. Liege Schnee, sei die Temperatur darüber sogar weitgehend egal. Ohne Schnee sehe das anders aus - dann kommen Insekten mit Frost gar nicht gut zurecht.

Klimaexperten erwarten mehr Wetterextreme

Luftbild vom Hochwasser der Weser im Landkreis Holzminden (Nordrhein-Westfalen, Februar 2024). Foto: Imago/Future Image

Klimaforscher gehen davon aus, dass es in Zukunft mehr extreme Wetterlagen geben wird. „Da die globale Temperatur weiter ansteigen wird, und in Deutschland ist es im Durchschnitt schon zwei Grad wärmer, erwarten wir auch einen weiteren Anstieg der Anzahl und der Intensität von Klimaextremen“, betont Fred Hattermann vom Potsdam Institut für Klimaforschung (PIK). „Für Deutschland bedeutet dies, dass das Risiko für stärkere Hochwasser, aber auch für Dürren noch wächst.“

Durch den Temperaturanstieg erhöhe sich die Verdunstung und damit der „Durst“ der Natur, berichtet der Klimaforscher. Durch die größere Wassermenge in der Atmosphäre könnten Niederschläge dann stärker ausfallen. Zudem gebe es mittlerweile länger andauernde Wetterlagen über Nord- und Zentraleuropa.

„Ein länger anhaltendes Hoch mit blauem Himmel, wie in den letzten Jahren häufiger gesehen, führt dann oft zu Trockenheit und Dürre, ein lang anhaltendes Tief wie zum Beispiel im Sommer 2021 mit viel Niederschlag oft zu Hochwassern“, sagt Fred Hattermann.