Der deutsche Frauenfußball ist gut ausbalanciert: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Foto: dpa/Boris Roessler

Für die deutschen Fußballerinnen sind die gesellschaftspolitisch heiklen Fragen im Vorlauf auf ihre WM geklärt, was die Erfolgsaussichten in Australien gewiss nicht schmälert – dafür waren die Erfahrungen der Männer in Katar zu prägend.

Selbst mit dem Teller in der Hand waren Martina Voss-Tecklenburg und Nancy Faeser im Speiseraum noch im Small Talk zu sichten. Es schien fast so, als hätte die Unterredung zwischen der Fußball-Bundestrainerin und der Bundesinnenministerin im Adi-Dassler-Stadion am Rande einer Trainingseinheit der deutschen Frauen-Nationalelf nicht ausgereicht.

Dazu passte, dass auch noch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fürs gemeinsame Mittagessen mit den deutschen Fußballerinnen auf dem Gelände des DFB-Ausrüsters in Herzogenaurach blieb. Sie habe als Jugendliche schließlich im selben Verein wie Voss-Tecklenburg Fußball gespielt, „nur sie war deutlich besser“, erzählte Bas, die wie die Trainerin in Duisburg geboren ist.

Die Spielerinnen freuen sich über die Wertschätzung

Derweil erklärte Faeser in einem über die Kanäle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verbreiteten Video: „Ich habe einen sehr guten Eindruck gewonnen und drücke fest die Daumen.“ Die beiden SPD-Politikerinnen überreichten zudem einen bunten Berliner Bär als Glücksbringer. Dann kann ja für die DFB-Frauen bei der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) nicht mehr viel schiefgehen. Carolin Simon freute sich noch am Montag über ein „tolles Zeichen der Wertschätzung“.

Auch wenn die 30 Jahre alte Linksverteidigerin vom FC Bayern bei der EM in England nicht dabei war, könne man doch sehen, „an was wir seit einiger Zeit gemeinsam arbeiten, was unsere Werte sind“. Mit diesem Team schmücken sich hochrangige Gäste gerne.

Und gerade diese entspannte Stippvisite der Innenministerin illustriert letztlich ja auch den großen Gegensatz zur WM der Männer: Als Nancy Faeser im November vergangenen Jahres nach Doha jettete, sprach sie wenige Stunden vor dem ersten Gruppenspiel gegen Japan empört mit deutschen Fans über eine abgenommene Regenbogenbinde, die sie dann öffentlichkeitswirksam auf der Tribüne trug.

Keiner macht mehr aus seiner Position ein Dogma

Der Symbolcharakter überforderte die Funktionäre, aber auch die Nationalspieler massiv. Offenbar haben alle Seiten daraus ihre Lehren gezogen. Keiner macht mehr aus seiner Position ein Dogma. Wenn in einer Woche der Flieger mit dem deutschen Tross nach Sydney abhebt, ist kein unnötiger Ballast an Bord. Sportpolitische Fragen sind im Vorlauf geklärt, was die Erfolgsaussichten in Australien gewiss nicht schmälert – dafür waren die Erfahrungen für Manuel Neuer und Kollegen in Katar zu prägend.

Die Fifa möchte zwar auch bei den weltbesten Fußballerinnen keine Regenbogenbinde sehen, hat aber angeblich im Einvernehmen mit den Verbänden und den Kapitäninnen ein Sortiment von bunten Binden mit Solidaritätsbekundungen erlaubt, in deren Motive man sich „gut wiederfinden“ könne, wie Deutschlands Spielführerin Alexandra Popp sagte. Auch zum Dauerthema Equal Pay sind die Standpunkte ausgetauscht. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz gelobte, es gebe „eine großartige Prämie für die Frauen“.

Höhere Prämien, kein Equal Pay

Die Fifa hat mit der Festsetzung der erstmals direkt an die Spielerinnen fließenden Preisgelder in einer großzügigen Größenordnung Fakten geschaffen, ehe der DFB die Beträge aushandelte. „Wir sind grundsätzlich sehr zufrieden damit, was die Fifa auf die Beine gestellt hat“, erklärte Popp. Eine Beschwerde wäre für die 32-Jährige das „völlig falsche Zeichen“ gewesen. Voss-Tecklenburg sah es ganz ähnlich: „Man muss immer sehen, wo wir herkommen.“

Anders als Hansi Flick gerät sie bei Themen abseits des Fußballs nicht so schnell ins Schlingern. Mitunter blüht die 55-Jährige richtig auf, wenn es um gesellschaftliche Statements geht. Nach dem verlorenen EM-Finale gegen England hätten sich viele an einem verweigerten Handelfmeter abgearbeitet, sie sprach schon damals lieber über die Fortschritte für den Frauenfußball. Ihre Weitsicht und Weltoffenheit sind ein Faustpfand. Aber sie weiß auch: Die Mission zum dritten Stern ist angesichts der Leistungsdichte anspruchsvoll, und letztlich hängt auch die Bewertung ihres Tuns am sportlichen Erfolg.

Ein frühes Scheitern ist mit den Gruppenspielen gegen Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) zwar ziemlich unwahrscheinlich – aber dann wird ein mögliches Achtelfinale gegen Brasilien oder Frankreich wohl zum Lackmustest, ob die Frauen den Reputationsverlust des deutschen Fußballs fortschreiben oder den Kontrapunkt setzen.

Nancy Faeser und Bärbel Bas glauben fest an Letzteres – und würden in der K.-o.-Runde vielleicht sogar persönlich nach Sydney kommen.