Eine Macherin und zwei Macher beim Naturtheater Renningen: Theresa Müller, Horst Pfeil und Dietmar Eger (von rechts) Foto: /Simon Granville

Die Historie des Naturtheaters Renningen steckt voll schöner Geschichten. Alle schaffen hier von jeher Hand in Hand – das ist einfach normal und hat sich über die Jahre nicht geändert. Zugleich geht das Naturtheater aber auch mit der Zeit.

Das Jahr 1996 taucht in der offiziellen Vereinschronik des Naturtheaters Renningen nicht auf – obwohl es historisch von einiger Bedeutung ist. 1996 wurde nämlich im Naturtheater „Die Gänsehirtin“ gegeben. Host Pfeil und Dietmar Eger standen damals als Wächter auf der Bühne mit jeweils einem eigenen und einem gemeinsamen Satz. Theresa Müller flatterte als Gänschen durchs Geschehen. „Das Gänsekostüm gibt es noch immer“, sagt die aktuelle Vorsitzende des Naturtheaters schmunzelnd.

Gemeinsam auf der Bühne

Historisch war der Sommer 1996 aber nicht deswegen, sondern weil in dieser Saison drei der bislang vier Vorsitzenden des Naturtheaters damals gemeinsam spielten. Horst Pfeil stand 1954 erstmals mit seinem Schwiegervater in spe und späteren Gründungsvorsitzenden, Albert Gehring, auf dem Gelände am Längenbühl. Von 1983 an übernahm Pfeil dann selbst die Leitungsfunktion, die er 1992 an Dietmar Eger übergab. Der reichte den Stab dann im Februar dieses Jahres an Theresa Müller weiter.

Alle Generationen schaffen hier von jeher Hand in Hand – das ist normal und hat sich über die Jahre nicht geändert. Zugleich geht das Naturtheater mit der Zeit. Das ergibt sich einfach daraus, dass immer genügend junge Leute zum mittlerweile fast 200 Mitglieder zählenden Verein gehören, die in den „Off Stage“-Bereichen aktiv sind, die ihnen Spaß machen. „Nur spielen, das gibt es bei uns nicht“, sagt Dietmar Eger. „Man muss sich auch in den Verein miteinbringen.“

Es gibt keine Nachwuchsprobleme

Der Verein hat keinerlei Nachwuchsprobleme, und zum Marketing gehören deswegen ganz selbstverständlich verschiedene Social-Media-Kanäle mit dazu. Das war in der Anfangszeit freilich anders. Horst Pfeil erinnert sich: „Wir sind damals, sofern jemand ein Auto hatte, im ganzen Oberamt herumgefahren und haben in den Ortschaften in Läden oder auf Bauernhöfen gefragt, ob wir Plakate aufhängen dürfen.“ Da seien auch schöne Ausflüge dabeigewesen, sagt Pfeil und blinzelt verschmitzt. Immerhin waren sie bis Freudenstadt, Calw und Vaihingen an der Enz unterwegs.

Die Liebe zum Theatermachen konnte schon im Gründungsjahr auf eine gewisse Tradition zurückblicken. Hervorgegangen ist das Naturtheater Renningen nämlich aus dem deutlich früher gegründeten Mandolinenclub „Wander- und Musikfreunde Edelweiß Renningen“. Dessen Mitglieder waren, so berichtet Horst Pfeil, viel unterwegs. Beliebte Ziele waren unter anderem Naturtheaterbühnen, wie die in Reutlingen oder Hayingen. Zur letzteren entspann sich dann ein engeres Verhältnis. Der dortige Kopf Martin Schleker stellte für die erste Aufführung im Naturtheater Renningen sein Stück „Die Orgelmacher“ zur Verfügung und führte auch Regie. Eine schöne Anekdote hat Pfeil dazu parat: Seine Schwiegereltern hatten in Hayingen das Stück „Der Engel von Augsburg“ gesehen und benannten ihre 1935 geborene Tochter Agnes, Pfeils spätere Frau, nach der Titelheldin Agnes Bernauer.

Gelände am Längenbühl wurde 1986 erworben

Das Gelände des ehemaligen Steinbruchs am Längenbühl war in diesen Anfangsjahren das Eigentum einer Erbengemeinschaft, der auch Albert Gehring angehörte – dem der Ort als sehr geeignet für die Errichtung eines Naturtheaters erschien. Bis 1986 mussten die Vereinsmitglieder jedoch immer wieder bei der Erbengemeinschaft nachfragen, ob sie dort spielen dürfen. Erst 1986 konnte das Gelände schließlich erworben werden. 1989 wurde dann das Vereinsheim gebaut, 1990 erfolgte der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung, 1995 wurde die Stromzufuhr verstärkt. Seither wird die Infrastruktur fortlaufend verbessert.

Die Spielfreudigen und das Publikum strömen unterdessen nach wie vor, und keineswegs nur aus Renningen. Das Einzugsgebiet reicht bis Waldenbuch, Esslingen, Friolzheim und Niefern. Sogar aus dem Odenwald seien in 1990er Jahren Mitglieder gekommen, erzählt Dietmar Eger. Die hatten dem Naturtheater nach einem Umzug die Treue gehalten. Überhaupt, so berichtet Theresa Müller, meldeten sich Mitglieder oft nach Pausen, bedingt etwa durch Ausbildung oder Studium, um beispielsweise wieder hinter den Kulissen zu helfen. Viele Teams freuen sich über tatkräftige Unterstützung – schließlich gibt es immer etwas zu zimmern, zu malen, zu nähen, zu rechnen, für die Bewirtung vorzubereiten oder im Marketing aktiv zu sein, selbstständig und mit viel Eigenverantwortung. Für Dietmar Eger liegt darin auch ein Stück weit das Erfolgsrezept, warum so viele Menschen, auch junge, so gerne über Jahre mit dabei sind. Ab zwölf Jahren kann man in der Regel anfangen, und 2023 seien sie mit Anfragen regelrecht überrannt worden, berichtet Theresa Müller. Die ältesten aktuellen Spielerinnen sind 76 und 80 Jahre alt.

Gewerkelt wird das ganze Jahr über

Der Dialog zwischen den Generationen muss im Naturtheater Renningen nicht inszeniert werden. Er ergibt sich auf natürliche Weise ganz von selbst. Denn gewerkelt wird beim Naturtheater das ganze Jahr über, auch im Winter. Da fangen normalerweise die Proben an, und das meistens im Freien. Wetterfeste Kleidung ist da ein Muss, und wer gerade nicht auf der Bühne steht, ist mitunter froh, sich im Vereinsheim aufwärmen zu können. „Am härtesten ist das für die, die Regie führen“, schmunzelt Theresa Müller. Denn die sind dann im Dauereinsatz.

Wie sie zum Naturtheater und ihrer ersten Rolle als Gänschen gekommen ist, auch das ist im Übrigen eine schöne Geschichte: „Ich hatte in der Grundschule Theater gespielt, und auf der weiterführenden Schule wurde nichts angeboten“, erzählt sie. Zum Glück kamen ihr Vater und Naturtheatermitglied Barbara Höper, die damals beide auf der Post arbeiteten, miteinander ins Gespräch – und die elfjährige Theresa zu ihrer Rolle als Gänschen. Das Kostüm hat damals übrigens Barbara Höper genäht.