Der Standort in Leonberg ist seit 2013 kontinuierlich modernisiert und erweitert worden. Alles ist auf dem neuesten Stand. Foto: Simon Granville

Trotz der Proteste der hiesigen Politiker, Rettungsorganisationen und Bevölkerung: Der Rettungshubschrauber wird von Leonberg nach Tübingen verlegt.

Ein emotional aufgeladenes Thema in der Region war im Jahr 2022 die geplante Verlegung des Rettungshubschraubers Christoph 41. Weg vom Leonberger Krankenhaus, hin auf die Achse zwischen Tübingen und Reutlingen. Die Proteste in der Bevölkerung, bei den Rettungsorganisationen und in der Politik sind groß.

Die definitive Entscheidung trifft das Land Baden-Württemberg Ende des Jahres: Der neue Standort des Hubschraubers Christoph 41 wird die Berufsgenossenschaftliche Klinik in Tübingen sein. Ein Machtwort spricht der dafür verantwortliche Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU) bei einem Besuch in unserer Redaktion – und macht sich dabei zum Buhmann. In Leonberg hat man das Thema Luftrettung noch lange nicht ad acta gelegt.

Gutachten ist vier Jahre alt

Ein Rückblick. Die Standort-Diskussion währt schon seit etwa vier Jahren und kocht in diesem Jahr noch einmal richtig hoch. Das Land Baden-Württemberg will die Notfallversorgung der Bevölkerung aus der Luft verbessern. Staatssekretär Wilfried Klenk stützt sich dabei auf ein vier Jahre altes Gutachten zur Luftrettung in Baden-Württemberg. Laut diesem ist der Raum Reutlingen/Tübingen unterversorgt. Und auch bisher schlecht abgedeckte Gebiete auf der Schwäbischen Alb sollen künftig mit neuen Standorten besser versorgt werden.

Während die hiesigen Landtagsabgeordneten Abgeordneten Sabine Kurtz (CDU) und Peter Seimer (Grüne) konsequent schweigen, ruft die Diskussion andere Politiker auf den Plan. Allen voran der FDP-Landtagsabgeordnete Hans Dieter Scheerer aus Weil der Stadt oder Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD).

Auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos) kämpft für den Standort Leonberg: „Das Einsatzgebiet von Christoph 41 deckt einen Radius von rund 100 Kilometern ab und ist kreisübergreifend. Der Standort in Leonberg ist seit 2013 kontinuierlich modernisiert und erweitert worden, die Gebäude und Außenanlagen sind auf modernem Stand“, argumentiert Bernhard. Aufgrund vieler sich kreuzender Autobahnen und des Bundesstraßennetzes sei der Kreis Böblingen verkehrlich besonders belastet und daher ohnehin auf eine wirksame Luftrettung angewiesen.

Petition der Rettungsorganisationen bringt 28 000 Unterschriften

Rettungsorganisationen in Leonberg initiieren eine Petition und sammeln 28 000 Unterschriften. Doch die grün-schwarze Mehrheit im Petitionsausschuss weist diese Petition im Mai ab. Anfang November dann die deutlichen Aussagen von Wilfried Klenk: Christoph 41 wird nach Tübingen verlegt. Für große Entrüstung sorgt der Staatssekretär, als er den Aktiven der Hilfsorganisationen wie Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) und Deutsches Roten Kreuz (DRK) – die die Petition gestartet hatten – die Kompetenz bei dem Thema abspricht.

Bis zu zehn Millionen Euro könnte in Tübingen ein neuer Landeplatz auf dem Dach der BG-Klinik kosten. Der Standort Friedrichshafen soll auch geschlossen, Christoph 45 etwas Richtung Norden nach Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis) verlegt werden. Im Kreis Ludwigsburg soll Christoph 51 in Pattonville erhalten bleiben und künftig ein 24-Stunden-Standort werden. Es wäre der zweite im Land neben Villingen-Schwenningen. Der bleibt ebenso unverändert wie die Standorte in Ulm, Mannheim, Freiburg und Karlsruhe, wohin der Hubschrauber im nächsten Jahr aus dem Interimsdomizil am Baden-Airpark zurückkehren wird. In Ulm werden die Flugzeiten morgens und abends etwas ausgedehnt.

Das Thema ist noch nicht vom Tisch

Nicht auszuschließen ist, dass das Thema Luftrettung in der Region Böblingen eine neue Dynamik gewinnt. Beispielsweise, wenn der 24-Stunden-Standort Pattonville von der Bevölkerung nicht akzeptiert würde. Axel Röckle, der Leonberger Fraktionschef der Freien Wähler, weist darauf hin, dass die Infrastruktur am Leonberger Krankenhaus komplett vorhanden ist. Der Oberbürgermeister Martin Georg Cohn bringt eine Kooperation mit dem Klinikverbund ins Spiel – und somit eine gemeinsame Luftrettung der Landkreise Böblingen, Calw und Enz. Von dieser Idee angetan ist auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Der Leonberger CDU-Chef Oliver Zander hat Wilfried Klenk am 18. Januar 2023 zu einem Gespräch eingeladen. Der Staatssekretär hat zugesagt. Noch ist das Thema nicht vom Tisch.