Die Retter aus der Luft werden im Land immer wichtiger und fliegen Tausende Einsätze jedes Jahr. Foto: DRF Luftrettung/.

Das Land will die Luftrettung mit zusätzlichen Hubschraubern und neuen Standorten verbessern. Jetzt sind die Entscheidungen gefallen. Die hochkochenden Emotionen dürfte das kaum beruhigen.

Es wirkt befremdlich. Da will das Land Baden-Württemberg die Versorgung der Bevölkerung im Land verbessern. Aus bisher acht sollen künftig zehn Rettungshubschrauber werden, die Standorte will man optimal verteilen. Und dann entsteht nur Ärger daraus. Denn seit Monaten werden die Pläne des Innenministeriums landauf, landab heiß diskutiert. Überall, wo Standorte wegfallen oder neu aufgebaut werden sollen, kochen die Gemüter hoch. Und im Ministerium versteht man die Welt nicht mehr. Seit Donnerstag nun haben zumindest alle Beteiligten Gewissheit, denn es ist entschieden, was passieren wird.

Das Ministerium wird die Vorschläge aus einem Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement des Klinikums der Universität München aus dem Jahr 2020 voll umsetzen. Das bedeutet: Es soll künftig zwei zusätzliche Hubschrauber geben, und zwar in Lahr (Ortenaukreis) und Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis). Sie sollen Versorgungslücken schließen.

Der Hubschrauber Christoph 41 wird von Leonberg (Kreis Böblingen) an die BG-Klinik in Tübingen verlegt, Christoph 45 von Friedrichshafen etwas Richtung Norden nach Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis). Christoph 51 in Pattonville (Kreis Ludwigsburg) bleibt erhalten, soll künftig aber ein 24-Stunden-Standort werden. Er wäre damit der zweite im Land neben Villingen-Schwenningen. Der bleibt ebenso unverändert wie die Standorte in Ulm, Mannheim, Freiburg und Karlsruhe, wohin der Hubschrauber im nächsten Jahr aus dem Interimsdomizil am Baden-Airpark zurückkehren wird. In Ulm werden die Flugzeiten morgens und abends etwas ausgedehnt.

„Wir wollen eine Verbesserung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes. Es gibt derzeit Menschen, die unterversorgt sind“, sagt Staatssekretär Wilfried Klenk. Dafür müsse man die historisch gewachsene Luftrettung an die heutigen Bedürfnisse anpassen. Die Hubschrauber werden immer wichtiger, weil Kliniken schließen und die Wege für die Retter am Boden immer weiter werden. Die neue Planung sieht vor, dass jede Stelle in Baden-Württemberg künftig in höchstens 20 Minuten von einem Helikopter zu erreichen ist.

Umsetzung innerhalb dreier Jahre

Klenk geht von einer Umsetzungsphase von maximal fünf Jahren aus. Nach der Entscheidung jetzt folgen Baumaßnahmen – zur Ertüchtigung auch an den bestehenden Stationen – sowie Ausschreibungen. Das gilt nach und nach auch für die Standorte, die nicht verändert werden. „Wir gehen davon aus, dass die meisten Maßnahmen bereits in den nächsten drei Jahren weitgehend umgesetzt sind“, so Klenk. Die Kosten für die Umstrukturierung tragen die Krankenkassen.

Die Debatte über die Luftrettung ist in den vergangenen Monaten hochemotional geführt worden. In Wannweil (Landkreis Reutlingen) etwa hatte sich der Gemeinderat erst für, dann gegen eine Bewerbung für einen Standort entschieden. In einem Bürgerentscheid sprachen sich die Menschen daraufhin für die Bewerbung aus. Zahlreiche weitere Gemeinden hatten ihren Hut in den Ring geworfen. In Leonberg und Friedrichshafen dagegen hatten sich Kliniken, Politik und teils auch Mediziner massiv gegen die Verlegung der dortigen Hubschrauber gewehrt. Sie hatten Zehntausende Unterschriften für Petitionen gesammelt, die im Landtag aber durchgefallen sind. Dabei war auch harsche Kritik am Ministerium und an den Gutachtern laut geworden, was wiederum dort für großen Ärger gesorgt hat.

Kritik an den Kritikern

Dementsprechend deutlich sind jetzt auch die Äußerungen dazu. „Die Diskussion war nicht immer von sachlichen und fachlichen Punkten geprägt, sondern von emotionalen und solchen, die die Interessen der Kliniken betreffen“, sagt Stephan Prückner, Direktor des Instituts für Notfallmedizin. Das könne für ein Gutachten, das auf die Versorgung aller Menschen ziele, aber nicht entscheidend sein. Die Prüfung geeigneter Flächen hatten zuletzt die vier Regierungspräsidien übernommen. Klenk nannte manche Kritik „völlig schräg“ und betonte, es habe „keinerlei politische Einflussnahme“ auf die Gutachter gegeben. Christoph 41 aus Leonberg fliege zum Beispiel bereits heute mit den allermeisten Patienten die Kliniken in Tübingen, wo er künftig stationiert sein wird, in Stuttgart und Ludwigsburg an.

Merklich zurückgehalten haben sich bisher die Retter selbst. Sieben der acht derzeitigen Stationen in Baden-Württemberg werden von der DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt (Kreis Esslingen) betrieben. Auch die in Leonberg und Friedrichshafen. Jetzt werden die Karten neu gemischt. „Alle für eine Umsetzung der heutigen Entscheidungen des Innenministeriums erforderlichen Gespräche werden wir als Luftretter gemeinsam mit dem Träger zeitnah durchführen“, sagte eine DRF-Sprecherin. Die bestmögliche notfallmedizinische Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger sei dabei das Ziel. Man werde sich „selbstredend an jeder anstehenden Ausschreibung für eine unserer bestehenden oder zu verlegenden sowie neuen Stationen beteiligen“.