In der Praxis sind bundesweite Warnungen – abgesehen vom Probealarm – ohnehin der absolute Ausnahmefall. Foto: IMAGO/Christian Ohde/IMAGO/Christian Ohde

Am Donnerstag um 11 Uhr sollen Handys piepsen und Sirenen heulen. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, erklärt, welche Warnmittel sein Amt direkt auslösen kann und welche nicht.

Beim bundesweiten Warntag an diesem Donnerstag stehen neben anderen Kanälen auch etwa 38 000 Sirenen für den Probealarm zur Verfügung. Bis zumindest ein Teil von ihnen zentral angesteuert werden kann, werden allerdings mindestens noch einige Monate vergehen. Das erklärt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview.

„Die Sirenen müssen von den Leitstellen der Kommunen ausgelöst werden; da muss also jemand in der Leitstelle noch auf den Knopf drücken“, sagt der Behördenchef. Das sei auch der Grund, weshalb der Sirenenalarm nicht im gleichen Moment kommt wie etwa die Warnung per App oder Cell Broadcast. „Unser Ziel ist es, die Möglichkeit zu schaffen, dass in Zukunft alle Sirenen, bei denen das technisch machbar ist, auch vom Bund direkt angesteuert werden können“, erklärt er. Ob das bereits beim nächsten Warntag im September 2024 der Fall sein wird, ist aber noch nicht sicher.

Bundesweite Warnungen sind Ausnahmefall

In der Praxis sind bundesweite Warnungen - abgesehen vom Probealarm - ohnehin der absolute Ausnahmefall. Meist wird lokal oder regional gewarnt, etwa vor Überflutungen oder Waldbränden.

„Bislang sind rund 38 000 Sirenen erfasst“, sagt Tiesler in dem dpa-Interview. Eine ähnliche Dichte von Sirenen haben, bezogen auf die Größe des Staatsgebiets, etwa die Niederlande, wo an jedem ersten Montag im Monat ein Probealarm ausgelöst wird.

Ein vollständiges und aktuelles Bild von den in Deutschland aufgestellten funktionstüchtigen Sirenen werde es 2024 geben, fügte Tiesler hinzu: „Das bundesweite Sirenenkataster soll im Laufe des kommenden Jahres als Plattform mit tagesaktuellen Daten zur Verfügung stehen.“

Probealarm am Donnerstag um 11 Uhr

Gegen 11.00 Uhr wird das BBK am Donnerstag einen Probealarm auslösen. Der wird dann unter anderem über Warn-Apps, Radio- und Fernsehsender sowie über knapp 6600 digitale Anzeigetafeln angezeigt. Die sogenannten Stadtinformationstafeln können vom BBK direkt angesteuert werden. Ihre Zahl hat nach Informationen des Bundesamtes in den vergangenen Jahren zugenommen.

Auch per Cell Broadcast soll wieder gewarnt werden. Dabei erhält jeder Handynutzer, der sich mit angeschaltetem Mobiltelefon in einem bestimmten Gebiet aufhält, eine von einem Geräusch angekündigte Textnachricht - vorausgesetzt das Gerät ist nicht zu alt und die notwendigen Updates wurden gemacht. Je nach Geräteeinstellung kommt die Warnung auf diesem Kanal auf Deutsch oder Englisch. Beim Warntag im vergangenen Jahr lag die Abdeckungsrate von Cell Broadcast bei rund 53 Prozent, wie das BBK unter Berufung auf eine eigene Umfrage berichtet.

Manche Orte haben noch gar keine Sirenen

Die Zahl der Sirenen ist heute höher als noch vor einigen Jahren, auch wenn es an manchen Orten in Deutschland immer noch gar keine Sirenen gibt. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte man die Geräte vielerorts für überflüssig gehalten und nicht mehr repariert beziehungsweise abgebaut. Inzwischen ist man allerdings bemüht, das zu ändern. Es gibt auch entsprechende Förderprogramme.

Exakt wie viele Sirenen es vor fünf Jahren oder vor zehn Jahren gab, weiß allerdings niemand mit Bestimmtheit zu sagen. Denn die bundesweite Übersicht - Katastrophenschutz ist Ländersache - wird erst jetzt erstellt.

2022 ist vieles schiefgegangen

Beim ersten bundesweiten Warntag 2020 war vieles schiefgegangen, weshalb der damalige BBK-Chef Christoph Unger seinen Posten räumen musste. Beim zweiten Test am 8. Dezember 2022 lief es besser. „Insgesamt können wir mit einer Quote von rund 90 Prozent über alle Warnkanäle zusammen schon ganz zufrieden sein“, findet Tiesler.

Der Leiter der Behörde, die sich früher oft dem Vorwurf ausgesetzt sah, sie würde mit ihren Aufrufen zum Selbstschutz Panik schüren, sieht die Bevölkerung heute besser aufgestellt, was die persönliche Vorsorge für Krisen und Katastrophen angeht.

Menschen beschäftigen sich mehr mit Krisenszenarien

Im dpa-Interview sagt er: „Unsere Kampagnen und Ereignisse wie die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, aber auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben dafür gesorgt, dass sich die Menschen stärker mit persönlichen Vorkehrungen für Krisen- und Katastrophenszenarien befassen.“

Dies könne das BBK aus den Ergebnissen einer Umfrage ablesen, die das in Bonn beheimatete Amt seit eineinhalb Jahren regelmäßig erstellen lässt. Auch die Zahl der Downloads und der vom BBK auf Anfrage verschickten Ratgeber zu Vorsorge-Fragen hat demnach zugenommen.

Ausbau der Warninfrastruktur weiter voran treiben

Es sei gut, dass das BBK den vom früheren Behördenleiter Armin Schuster (CDU) angeschobenen Ausbau der Warninfrastruktur weiter vorantreibe, sagte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU). Insgesamt passiere beim Zivil- und Katastrophenschutz in der Bundesregierung aber zu wenig. Dass hier zudem für das kommende Jahr eine deutliche Kürzung der Mittel vorgesehen sei, sei „in Zeiten von Ukraine-Krieg, Klimawandel und immensen Cyberbedrohungen unverantwortlich“.

Weiterhin offen bleibt unterdessen die Frage nach Bunkern oder anderen Schutzräumen für den Fall eines militärischen Angriffs. „Mit der Frage, wie wir mit den verbliebenen 579 Schutzräumen umgehen, beschäftigen wir uns zur Zeit“, sagt Tiesler. „Das ist ein komplexes Thema, denn da 2007 entschieden worden war, keine öffentlichen Bunker mehr zu betreiben, stehen wir da noch ziemlich am Anfang.“