Der neue Forst wurde in drei Stufen seit 2007 oberhalb der Straße zwischen Murr und Steinheim angelegt. Foto: Werner Kuhnle

Auf mehr als fünf Hektar wurde vor einigen Jahren ein ganzer Forst frisch gepflanzt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sprüht das Ökosystem vor Leben. Warum gibt es also nicht viel mehr davon?

Früher, als sich die Folgen des Landverbrauchs und des Klimawandels noch nicht in so voller Härte wie jetzt abzeichneten, ging es für den Wald flächenmäßig eigentlich nur in eine Richtung: abwärts. Umso bahnbrechender mutet in der Rückschau der Beschluss des Murrer Gemeinderats aus dem November 2005 an, mehrere Grundstücke oberhalb der Landesstraße nach Steinheim, auf denen früher Obst und später Mais geerntet wurde, mit Eichen, Hainbuchen und Co. zu bestücken. „Das war in meinem Revier wahrscheinlich seit der Landnahme der Kelten das erste Mal, dass auf landwirtschaftlicher Fläche ein Wald gepflanzt wird“, sagt der zuständige Förster Jürgen Weis mit einem Schmunzeln.

Bäume knacken teilweise die Zehn-Meter-Marke

Insofern betrat auch er seinerzeit mit dem Projekt Neuland – und blickt nun sehr zufrieden darauf zurück, wie sich der Forst seitdem entwickelt hat. Je nach Standort ragen die Bäume mittlerweile bis zu zwölf Meter in den Himmel. Rehböcke reiben sich an den Stämmen, Füchse streifen durch das Unterholz, Hasen hoppeln über herabgefallene Blätter und Zweige, Vögel tirilieren lautstark. „Früher war das ein Maisacker, jetzt kommst du hierher und es pulsiert das Leben“, sagt Weis. Katharina Gassen, die im Fachbereich Forst des Landratsamts die Waldpädagogik verantwortet, kratzt derweil eine Faust voll Erde vom Boden und lässt sie durch ihre Finger rieseln. Man erkennt: Es hat sich eine waldtypische Humusschicht entwickelt.

Das hat allerdings seine Zeit gebraucht. Und so war auch die wohl größte Herausforderung, auf einem typisch landwirtschaftlichen Boden Bäume hochzupäppeln. „Das ist alles sehr fragil, wie bei Kindern. Das ganze Bodengefüge mit Nährstoffen und Bodenleben muss sich erst aufbauen und anreichern. Und das war am Anfang echt schwierig“, sagt Weis. 2007, als die ersten der insgesamt 5,4 Hektar Neuwald im Frühjahr zwischen einem Schatten spendenden Winterweizen gepflanzt wurden, wären die Mini-Gehölze kurz darauf fast schon wieder eingegangen. Im Sommer sei es sehr trocken gewesen, erinnert sich Jürgen Weis. Die örtliche Feuerwehr habe einen Teil des Geländes eine Nacht lang bewässert und den Baby-Forst vor dem Ende bewahrt. Nun sind die Gewächse aus dem Gröbsten heraus, haben gewissermaßen das Kindesalter verlassen und sind flügge geworden – was freilich nicht heißt, dass Weis und seine Mannschaft nicht steuernd eingreifen, damit sich der Forst mausern kann.

Gute Perspektiven

Freiraum schaffen müssen die Fachleute vor allem für die lichtliebende Eiche, die sich ansonsten gegen die Konkurrenz kaum behaupten könnte, aber für den Standort wie geschaffen ist. An dem Hang mit ton- und lehmhaltigen Untergrund hätten diese Baumart und Hainbuchen die besten Perspektiven, entsprechend wurden diese beiden Sorten in größter Stückzahl gesetzt. Dazu kamen unter anderem Winterlinden. An den Rändern kann man zudem auch Blühbäume und bunte Sträucher beobachten, an denen sich vielerlei Insekten laben. Dazwischen wachsen Eyecatcher wie die Esskastanie, deren Maronen Fußgänger pflücken dürfen.

Klingt alles fast schon paradiesisch und ist auch in der Realität ein wunderbarer Naherholungsraum. Also: Warum entstehen nicht auch andernorts solche Naturoasen? Katharina Gassen betont, dass der Zuwachs an Wald im Kreis Ludwigsburg zuletzt nicht so gering gewesen sei, wie man meinen könnte. In den vergangenen 20 Jahren seien gut 42 Hektar aufgeforstet worden. Das entspricht ungefähr zwei Dritteln des gesamten Pleidelsheimer Wäldles. Alleine in Besigheim-Ottmarsheim seien mehr als vier Hektar Wald gepflanzt worden. „Und wenn sich eine Fläche anbietet, macht man das immer wieder“, erklärt die Frau vom Forstamt. Es müsse aber eben auch sinnvoll sein.

Biotope werden vernetzt

Kleine Insellösungen ohne Anbindung mitten auf dem Feld seien selbstverständlich besser als eine Versiegelung, aber auch nicht das Gelbe vom Ei, so Jürgen Weis. Im Fall des Forsts auf Murrer Gemarkung sei indes eine Biotopvernetzung gelungen. Man habe den Grünzug von Marbach kommend aufnehmen und weiterführen können bis zum nächsten Richtung Steinheim und Murrtal. Der Idealfall sei, die Jung-Bäume auf Flächen zu setzen, die an einen Wald angrenzen.

Verschiedene Ansprüche, aber nur wenig Flächen

Der Forst, betont Katharina Gassen, spiele natürlich eine tragende Rolle beim Klimaschutz. „Und es ist immer gut, wenn man aufforstet. Trotzdem muss man beim Klimawandel auch das große Ganze sehen“, erklärt sie. Denn alles mit Bäumen zuzupflanzen, die Landwirtschaft zurückzudrängen und die Nahrung künftig nur noch zu importieren, sei eben auch „nicht zielführend“. In einem Verdichtungsraum wie dem Kreis Ludwigsburg stehe man immer in einem Spannungsfeld zwischen den möglichen Nutzungsformen, ergänzt Jürgen Weis. Auch das Gewerbe könne ja um freie Flächen konkurrieren, gibt er zu bedenken. Was man letztlich also wo wolle, müsse gesellschaftlich ausgehandelt werden.

Eiche und Buche dominieren im waldärmsten Landkreis

Anteil
Im Landkreis Ludwigsburg wächst auf rund 12 500 Hektar Wald. Das entspricht laut Landratsamt ungefähr 18 Prozent der gesamten Fläche, womit der Landkreis der forstärmste in Baden-Württemberg ist. Lediglich die kreisfreie Stadt Mannheim weise einen noch geringeren Anteil auf.

Dominanz
Es überwiegen im Raum Ludwigsburg die Mischwälder. Insgesamt dominieren im Forst die Laubbaum-Arten mit einem Anteil von 81 Prozent. Am stärksten vertreten sind Eiche und Buche mit jeweils 30 Prozent. Bei den Nadelbäumen kommen Kiefer und Lärche zusammen auf 9 Prozent. Tanne und Fichte teilen sich 7 Prozent der Fläche, die Douglasie macht 3 Prozent aus.