Zeitaufwendiges Prozedere: 20 Listen treten zur Kommunalwahl an. Foto: Elke Hauptmann/ - Elke Hauptmann/

Bei der Kommunalwahl am 26. Mai haben die mehr als 450 000 Stimmberechtigten in Stuttgart die Qual der Wahl: 20 Listen mit insgesamt 913 Bewerbern buhlen um die Gunst der Wähler.

Untertürkheim Wer wird in den nächsten fünf Jahren die kommunalen Geschicke der Landeshauptstadt lenken? Über diese Frage können am kommenden Sonntag bei der Kommunalwahl mehr als 450 000 Wahlberechtigte abstimmen – so viele wie noch nie seit 1946. Denn Stuttgarts Einwohnerzahl ist in den vergangenen fünf Jahren vor allem durch Zuzug gewachsen. So sind bei diesem Urnengang allein rund 72 000 EU-Ausländer stimmberechtigt, das sind rund 8000 mehr als 2014.

Die Wähler haben die Qual der Wahl: 20 Listen – so viele wie noch nie – mit insgesamt 913 Bewerbern treten zur Stuttgarter Kommunalwahl am 26. Mai an. Neben zwölf bereits im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen (CDU, Grüne, SPD, SÖS, Linke, Freie Wähler, FDP, Studentische Liste, Piraten, AfD, BZS 23 und Statisten) spekulieren weitere acht Listenvereinigungen auf die 60 Stadtratsmandate: die ÖDP, die Tierschutzpartei, die Spaßpartei „Die Partei“, das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG) – eine von Muslimen gegründete Wählergemeinschaft – die Liste „Demokratie in Bewegung (DiB), die „Feministische Liste Stuttgart“ (FeLi), Schertlens Unabhängige Bürger (SchUB) sowie die Initiative „Kein Fahrverbot in Stuttgart“. Die Liberal-konservativen Reformer (LKR), für die nach dem Auseinanderbrechen der AfD-Fraktion der Einzelstadtrat Walter Schupeck nachgerückt war, verzic hten auf einen eigenen Wahlvorschlag. Nicht auf jedem Stimmzettel indes sind auch 60 Bewerber aufgeführt, nur elf Listen gehen mit „voller Mannschaftsstärke“ ins Rennen – die Volksparteien und bereits bekannten Initiativen. Kleine und junge Gruppierungen haben es dagegen schwerer, Kandidaten zu finden. So hat die neue Initiative von Ralph Schertlen, der bislang als Einzelstadtrat für die Stadtisten im Gemeinderat saß und nun mit einer eigenen Liste antritt, nur 48 Bewerber. Fahrverbotsgegner Joannis Sakkaraos, der Initiator der Diesel-Demos vor dem Neckartor, hat 22 Gleichgesinnte aufgestellt und FeLi tritt mit nur sechs Frauen an. Die Listenplatzierung sagt freilich nichts aus über die tatsächlichen Chancen eines Bewerbers. Die Kommunalwahl ist eine Persönlichkeitswahl, der Wähler kann durch Kumulieren und Panaschieren die Personalplanung der Parteien gehörig durcheinanderbringen . So kommt es immer wieder vor, dass sich Kandidaten auf vermeintlich aussichtslosen Plätzen um viele Ränge verbessern und den Einzug ins Stadtparlament schaffen. Platz 60 auf dem Stimmzettel gilt mittlerweile sogar als Geheimtipp.

Auch der neue Gemeinderat wird sich vielfältig zusammensetzen. Grund dafür ist das Sitzverteilungsverfahren nach Saint-Lague/Schäpers, das 2014 erstmals zur Anwendung kam und tendenziell kleinere Gruppierungen zu Lasten der großen Parteien begünstigt. Diesem Verfahren verdankt zum Beispiel die Studentische Liste ein Mandat. Wird die CDU, die 2014 als Gewinner aus der Wahl hervorging, an ihren Erfolg anknüpfen können? Können die Grünen ihr Paroli bieten und die SPD wieder erstarken? Das endgültige Endergebnis der Kommunalwahl wird erst am Dienstagnachmittag feststehen, wenn alle Stimmen ausgezählt sind. Bereits am Montagnachmittag aber lässt sich ein Trend erkennen, wenn die unveränderten Stimmzettel ausgezählt sind. Allerdings ist dieses Zwischenergebnis nur bedingt aussagekräftig, denn 60 Prozent der Wähler nutzen die Möglichkeit, ihre Stimmen auf verschiedenen Listen zu verteilen.

Kreiswahlleiter Martin Schairer hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung am Sonntag – nachdem 2014 mit gerade mal 46,6 ein Minusrekord verzeichnet wurde. Der Bürgermeister appelliert an die Stuttgarter: „Demokratie lebt vom Mitmachen. Mit Ihrer Wahl bestimmen Sie die Stadträte als Ihre Ansprechpartner für die kommunalen Belange.“ Eine lebendige Demokratie bedeute, sich jene verantwortungsbewussten, engagierten Frauen und Männer auszusuchen, denen man schwierige und weitreichende Entscheidungen auf kommunaler, regionaler oder europäischer Ebene zutraue.