Großer Jubel über den Titelgewinn: die Fußballer der Caritas. Foto: Felix Heck Quelle: Unbekannt

Von Felix Heck

Bad Cannstatt - Erstmals kann das Caritas-Fußballteam für geistig behinderte Sportler gleich zwei baden-württembergische Meistertitel feiern - und das passend zum zehnjährigen Kooperationsjubiläum mit dem TV Cannstatt.

Dass sie jubeln können wie die Weltmeister, zeigen die 25 frischgebackenen Landessieger gleich zu Beginn der Feierlichkeiten beim gemeinsamen Fototermin: Mit stolz geschwellter Brust, gen Himmel gereckter Faust und lautem Geschrei lassen sie noch mal alle Emotionen heraus, die nach dem Turniersieg vor lauter Übermüdung noch keinen Ausdruck fanden.

Jubeln kann das Team der Caritas Stuttgart nun, nach Monaten des harten Trainings, zu Recht. Die zwei Fußballmannschaften des katholischen Wohlfahrtsverbandes bestehen komplett aus Sportlern mit geistiger Behinderung und nehmen als solche an den Wettkämpfen des „Special Olympics“-Verbandes teil, der in ganz Baden-Württemberg mehr als 4000 Athleten mit geistiger Beeinträchtigung vertritt. Im Fußballbereich bestehen gleich vier Bezirksligen, vier unterschiedliche Qualifikationsklassen sowie ein Finalturnier mit 32 teilnehmenden Mannschaften.

Für eben dieses landesweite Finalturnier konnten sich in dieser Saison gleich beide Teams der Caritas Stuttgart qualifizieren. Dass am Ende des anstrengenden Turniers auch noch beide Repräsentanten in ihrer jeweiligen Spielklasse die Meisterschaft feiern konnten, hatte selbst Cheftrainer Martin Lipp anfangs nicht für möglich gehalten: „Unsere diesjährige Saison war sehr hart, gleich zu Beginn hatten wir einen verletzungsbedingten Ausfall zu beklagen, der die ganze Mannschaft aus der Bahn geworfen hat.“ Erst durch einiges an Aufbauarbeit während den Trainingseinheiten fand die Mannschaft wieder zurück in die Spur, letztendlich schien sich die zeitintensive Fürsorge auszuzahlen: Keine einzige Niederlage mussten die Behindertensportler am Finalwochenende verkraften, nur ein Unentschieden trübte die sonst makellose Erfolgsbilanz.

Ähnlich durchwachsen war auch der Weg der zweiten Mannschaft bis ins Finale. Erstmals hatte sich die sportliche Leiterin der Caritas, Doris Kretzschmar, 2016 für den Aufbau eines Perspektivteams entschieden, was zunächst für einige Probleme sorgte: „Zu Beginn hatten wir mit teils geringer Trainingsbeteiligung zu kämpfen, erst über die Saison hinweg hat sich das neue Angebot etabliert.“ Schlussendlich wurde aus der zweiten Garde sogar ein richtiger Erfolgsgarant. Mit dem neuen Trainergespann bestehend aus Julian Knoth und Patrick Sturm, die ebenso wie Martin Lipp auf rein ehrenamtlicher Basis die Trainingseinheiten leiteten, gelang gleich im ersten Anlauf ein Achtungserfolg in der niedrigsten Spielklasse D und der Aufstieg in die nächsthöhere. Ein Erfolg, der auch für Kretzschmar anfangs völlig surreal schien: „Als ich die Nachricht vom Doppelsieg beim Baden-Württemberg-Finale bekam, war ich total perplex und musste mich erst einmal kneifen. So etwas hat es in den vergangenen fast 30 Jahren Fußballengagement der Caritas noch nie gegeben.“

Eine wichtige Zutat des Erfolgsrezeptes könnte der renommierte Kooperationspartner sein, der seit nun schon zehn Jahren den geistig Behinderten optimale Trainingsgelegenheiten bietet. Mit dem TV Cannstatt scheint der Caritas 2007 tatsächlich ein großer Wurf gelungen zu sein, wie auch Kretzschmar nur bestätigen kann: „Innerhalb unseres Behindertenprogramms „Treffpunkt“ haben wir in den letzten Jahren bereits einiges gemeinsam möglich machen können und gerade im Fußball ist der Erfolg schon immer erkennbar gewesen. Dass das nun zum zehnjährigen Jubiläum nochmals eindrucksvoll bestätigt wurde, freut uns natürlich besonders.“ Ähnlich lobende Worte findet Martin Lipp für den Kooperationspartner am Schnarrenberg. Der erfahrene Trainer blieb nach seinem abgeleisteten Zivildienst in der Behindertenhilfe hängen und gibt seitdem mit Herzblut und viel Geduld sein Fußballkönnen weiter - was ohne den TV Cannstatt so nicht möglich wäre: „Ich trainiere die erste Mannschaft bereits seit 27 Jahren, seit zehn Jahren mit Trainingsfläche beim TVC. Auch wenn es vor allem im Winterhalbjahr immer wieder Engpässe gibt, konnte ich mich bisher immer darauf verlassen, dass wir genügend Platz für das wöchentliche Training haben.“ Denn das ist für den Erfolgstrainer, der in seiner langen Karriere bereits mehrere Medaillen gewinnen konnte, das Wichtigste: „Ohne Training klappt es nicht. Gerade bei geistig Behinderten muss man besonders viel Geduld beweisen und die Intensität entsprechend steigern. Erst Wiederholungen bringen uns weiter und dafür brauchen wir eben genügend Platz und Zeit.“

Statt Training war vergangenen Dienstag aber erst einmal Feiern angesagt. Im vereinseigenen Biergarten ließen die Mannschaften in aller Ruhe die aufregende Saison Revue passieren, ehe nach den Sommerferien wieder die Stollenschuhe geschnürt werden. Denn dann beginnt auch für Lipp wieder die heiße Phase der Vorbereitung. Genügend Ziele und Medaillenhoffnungen gibt es bereits: „Nächstes Jahr finden in Kiel die Special-Olympics statt, bei der Mannschaften aus ganz Deutschland um die Meisterschaft kämpfen werden. Da möchten wir auf jeden Fall ganz vorne angreifen und wenn möglich sogar eine Medaille mit nach Hause nehmen. Auch das zweite Team erwartet nächstes Jahr eine anspruchsvolle Saison in einer höheren Liga und mit stärkeren Konkurrenten.“ Bei der Caritas und dem TVC wäre ein weiterer Medaillenregen dann jedenfalls herzlich willkommen - schließlich lässt sich ein elfjähriges Kooperationsjubiläum nicht weniger gut feiern.