Der typische Ginczek-Jubel – der VfB-Stürmer will auch in Dortmund treffen. Foto: Getty - Getty

Interview mit Daniel Ginczek, Stürmer des VfB Stuttgart

StuttgartZum ersten Mal seit drei Jahren konnte Daniel Ginczek sieben Spiele am Stück bestreiten. Weshalb der 26-Jährige mit der langen Krankenakte vor dem Gastspiel bei seinem Ex-Club Borussia Dortmund (Sonntag, 15.30 Uhr) guter Dinge ist, dass sein Körper den Belastungen des Profifußballs dauerhaft Stand hält.

Herr Ginczek, wie sehen die VfB-Fans Sie am Sonntag in Dortmund jubeln?
(Schmunzelt) Nachdem ich meinen letzten Fortnite-Jubel (in Anlehnung an ein Computerspiel; d.Red.) so verhauen habe, würde es dieses Mal eher nichts besonderes werden. Aber erst einmal muss ich treffen.

Sie spielen auf den Ärger nach Ihrem Ausgleichstreffer gegen den Hamburger SV an. Ihr Gegenspieler Gideon Jung warf Ihnen vor, Sie hätten sich über seinen verletzten Mannschaftskollegen Nikolai Müller lustig gemacht.
Es war ein Missverständnis. Ich habe das schnell ausgeräumt und am Abend auch Nikolai direkt geschrieben. Damit ist die Sache aus der Welt.

Sie gingen am Samstag äußerst gelassen damit um. Weil Sie nach zwei Bundesliga-Abstiegen und drei schweren Verletzungen nichts mehr schocken kann und Sie gedacht haben: Was für ein Kindergarten?
Es zeigt vielmehr, dass gegen Ende der Bundesligasaison die Nerven etwas angespannt sind . . .

Überlegen Sie sich vor jedem Spiel, wie Sie jubeln?
Meistens geschieht das aus der Emotion heraus. Manches ist auch geplant – wie bei mir mit den zum Herz geformten Händen.

Nikolai Müller hatte sich beim Torjubel das Kreuzband gerissen. Eine Verletzung, die Sie bereits zweimal erleiden mussten, dazu noch Ihr Bandscheibenvorfall. Können Sie unter Ihre Verletztengeschichte so langsam einen Haken machen?
Das ist Vergangenheit. Die vergangenen acht Wochen haben gezeigt, dass ich auch viele Spiele am Stück machen und über 90 Minuten mithalten kann. Ich fühle mich gut, ich bin fit.

Das heißt, Sie sind komplett genesen und werden auch im Training nicht mehr geschont?
Unser Trainer achtet schon darauf, die älteren oder länger verletzten Spieler nicht immer voll zu belasten. Das ist in der Bundesliga aber ein völlig normaler Vorgang.

Sieben Spiele in Folge fast über die komplette Distanz. Wann gab es das zuletzt für Sie?
Ich glaube vor drei Jahren. Ein sehr schönes Gefühl.

Die Fans zucken aber noch immer zusammen, wenn Sie am Boden liegen. Ist Ihr Vertrauen in Ihren Körper mittlerweile groß genug, dass Sie nicht beim ersten Zusammenprall gleich denken: Hoffentlich ist nichts gerissen?
Im Spiel denke ich überhaupt nicht daran. Da gibt es keine Blockade. Wenn man zuviel nachdenkt ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass am Ende tatsächlich etwas passiert.

Verletzungsanfällige Spieler stellen oft Ihre Ernährung um. Sie auch?
Ich habe schon Verschiedenes ausprobiert. Zum Beispiel sechs Wochen vegan zu leben.

Und?
Dann wurde die Lust auf ein Stück Fleisch doch zu groß. Jetzt verzichte ich seit geraumer Zeit auf Milchprodukte – und fühle mich gut dabei.

Vegan leben als Leistungssportler – geht das überhaupt?
Man benötigt eine gewisse Disziplin, um die erforderliche Energie auf andere Weise zu generieren. Aber es geht. Ich bin auch nicht der Erste, der es probiert hat. Mein früherer Mitspieler Daniel Didavi hat mich im Übrigen dazu gebracht.

Stimmt es, dass Tayfun Korkut Ihnen von Anfang an zugesichert hat: Du bist mein Mann im Sturm – auch wenn es mal nicht so läuft?
Ganz so hat er es nicht gesagt (lächelt). Bei uns gilt das Leistungsprinzip. Aber es stimmt, vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach hatten wir ein längeres Gespräch. Da hat er mir aufgezeigt, was und wie ich spielen kann und mir zugleich den Druck genommen, dass nicht alles sofort klappen muss. Prompt habe ich getroffen.

So viel Vertrauen hat Ihnen Ex-Trainer Hannes Wolf nicht entgegengebracht. Weshalb Ihr Verhältnis als belastet galt.
Wir waren nicht immer einer Meinung, das ist richtig. Vielleicht war er auf Grund meiner Verletzungshistorie mit Einsätzen für mich etwas vorsichtiger. Deswegen war unser Verhältnis aber nicht schlecht. Wir halten auch jetzt noch Kontakt.

Sie zählen aber zu den Gewinnern des Trainerwechsels. Wie hat Tayfun Korkut den Umschwung geschafft?
Fakt ist, dass uns die Systemumstellung auf ein 4-4-2 gut getan hat. Das ist ein System, das jeder kennt, die Laufwege sind keine neuen. In den ersten Spielen war zudem das Glück auf unserer Seite. Nach zwei, drei Erfolgen wird Vieles selbstverständlicher, das Selbstvertrauen wächst.

Inwieweit muss sich ein Stürmer umstellen – je nach dem, ob er alleine oder im Duo agiert?
Insgesamt ist unser aktuelles Spielsystem für uns Angreifer laufintensiver, weil hinter uns im Zentrum einer fehlt. Alleine im Sturm versucht man eher die Innenverteidiger auf eine Seite zu locken, damit sie die Bälle in die Zone spielen, in der wir mit dem Pressen beginnen. Mit zwei Stürmern setzt sich einer eher auf die Zehn ab und übernimmt einen Sechser des Gegners. Bei uns kommt hinzu, dass wir die Bälle meist direkt in die Tiefe spielen. Mindestens ein Stürmer muss also automatisch weite Wege gehen.

Von Ihnen stammt der Satz: Ich laufe, Mario schießt die Tore . . .
Was nicht ganz ernst gemeint war. Grundsätzlich spiele ich mehr um Mario herum, er versucht die gegnerischen Abwehrspieler zu binden. Wir ergänzen uns gut. Wenn er nicht trifft, treffe ich – und umgekehrt. Es ist viel wert, wenn nicht ein Stürmer die ganze Last des Toreschießens trägt.

Erleben Sie gerade Ihre beste Zeit beim VfB?
Ich hatte beispielsweise auch unter Huub Stevens schon gute Phasen. Oder in der vergangenen Zweitligasaison. Aber es macht schon sehr viel Spaß im Moment.

Am Sonntag können Sie die Glücksmomente voll auskosten. In Dortmund vor vollem Haus – ohne den ewigen Druck des Gewinnenmüssens.
Ich freue mich darauf, am Samstag auf der Reise nach Dortmund entspannt darauf zu schauen, wie die anderen spielen. Um dann in Dortmund einigermaßen befreit aufzuspielen. Ich freue mich besonders, weil ich das erste Mal überhaupt in Dortmund spiele.

Welche Ziele haben Sie für den Rest derSaison? Absteigen werden Sie nicht mehr, in die Europa League wollen Sie nicht. Zumindest spricht niemand beim VfB davon.
Europa ist kein Thema. Wir sind Aufsteiger, dürfen nicht vergessen, wo wir vor acht Wochen standen.

Das Gespräch führte Gregor Preiß