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Timo Saier in Bad Cannstatt: Symbiose für Reben und Klima

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Timo Saier in Bad Cannstatt: Symbiose für Reben und Klima

Auf abgeräumtem Weinberg an der Haldenstraße in Bad Cannstatt soll PV-Anlage künftig Trauben schützen und Strom liefern

Timo Saier in Bad Cannstatt: Symbiose für Reben und Klima

Auf dem abgeräumten Weinberg sollen wieder Weinstöcke gepflanzt werden. Dazu wird eine spezielle PV-Anlage aufgestellt. Foto: Eva Herschmann.

Stuttgart ist deutschlandweit die einzige Landeshauptstadt, die ein eigenes Weingut besitzt. Seit August 2016 ist Timo Saier der Betriebsleiter über 14 Hektar Weinberge, verteilt im ganzen Stadtgebiet. „Bei uns geht es neben dem Wein auch darum, die Präsenz der Reben im Stadtgebiet zu erhalten“, sagt der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie. Die grünen Inselnim Betongrau verursachten zwar mehr Aufwand, seien aber auch reizvoll. Und sie eröffnen Möglichkeiten, wie in der Haldenstraße in Bad Cannstatt. Auf dem im Winter abgeräumten Weinberg sollen wieder Weinstöcke gepflanzt werden. Dazu wird eine spezielle PV-Anlage aufgestellt, die die Bedürfnisse von Reben und Winzer sowie den Klimaschutz unter einen Hut bringen soll.

Der städtische Weinbaubetrieb wird derzeit saniert. „Wir haben einen hohen Prozentsatz an jungen Anlagen“, so Timo Saier. Etwa in der Lage Zuckerle am Neckar, wo ein gut zu bewirtschaftendes Stückle mit Cabernet Sauvignon und Riesling neu bepflanzt wurde. Brach liegt hingegen der Weinberg an der Haldenstraße in Bad Cannstatt. Im vergangenen Dezember kamen die Bagger und räumten die etwas mehr als 1,2 Hektar große Rebfläche unweit vom Kraftwerk Münster ab. Zwei Drittel davon sei mit alten Riesling-Reben bepflanzt gewesen, die nicht mehr so viel Ertraggebracht hätten, erklärt Timo Saier. Der Rest war eine Anlage mit Trollinger, noch recht neu, weswegen aus Gründen der Nachhaltigkeit und um Geld zu sparen zumindest die Stahlpfosten wiederverwertet werden. Wenn - voraussichtlich wohl erst im Frühjahr 2025, sagt Timo Saier - wieder Wein gepflanzt wird, sollen hier wieder Rieslingtrauben wachsen und gedeihen. Zudem soll aber auch eine Photovoltaikanlage aufgebaut werden. „Der Überbegriff dafür ist Agro-PV. Vino-PV wäre aber auch eine Möglichkeit“, sagt der Betriebsleiter. „Im Endeffekt sind es PV-Anlagen, die über landwirtschaftliche Dauerkulturen gebaut werden.“

Weinbau und Klimaschutz verbinden

An der Universität in Geisenheim gibt es bereits eine ähnliche Anlage, die sich Timo Saier schon angeschaut hat. Wie die in Bad Cannstatt aussehen wird, ist noch ungewiss. Es seien viele Fragen offen, sagt Saier, der sich schon länger mit dem Thema beschäftigt. „Da geht es unter anderem darum, wie der Regen am Hang abgeleitet wird, damit es nicht zu Bodenerosion kommt.“ Doch die Verbindung von Weinbau und Klimaschutz passe zu dem urbanen Weingut, zumal der erzeugte Strom auch noch den Stadtwerken zufließe. Aber natürlich sei es auch in der Stadt nicht in allen Lagen passend, sagt Timo Saier. „Ich will nicht mit dem Boot auf dem Neckar fahren und überall in den Steilhängen PV-Anlagen sehen. Aber an der Ecke Haldenstraße hält sich die optische Verschmutzung in Grenzen.“

Und es gehe auch darum, dass das städtische Weingut Vorbild sei und eine Vorreiterfunktion übernehmen könne. „Ich denke schon, dass es das Thema flächenmäßig beschleunigen wird.“ Die Anlage könne auch den Reben im Klimawandel etwas bringen, sagt Timo Saier. Sie beschatte die Reben, sodass möglicherweise ein zu früher Austrieb verhindert werden könne. „Und falls sie doch austreiben und es kommt ein Frost, dann schützt sie.“ Schließlich kenne jeder, der einen Carport besitze, den Effekt, dass die Autoscheiben darunter nicht gefrieren würden. Auch der Hagel, so die Hoffnung des Winzers, könnte weniger Schaden anrichten.

„Es werden keine Anbauflächen dafür vernichtet“, betont der Fachmann. Allerdings werde der Weinberg mit Vino-PV wohl auch weniger Ertrag bringen. „Auf der Fläche produzieren wir sonst unseren Grundwein für den Riesling-Sekt. Aber wir haben ausreichend auf Vorrat produziert.“

Von der Symbiose von Weinbau und Klimaschutz sollen also beide Seiten profitieren. Es sei ein Versuch, sagt der Betriebsleiter des städtischen Weinguts. Stuttgart sei dabei ziemlich vorne dran. Und billig sei das Ganze auch nicht. Deswegen soll es wissenschaftlich begleitet werden. „Wir sind deswegen in Gesprächen mit der Uni Hohenheim“, sagt Saier. „Es kann bei der Studie auch herauskommen, dass es nicht funktioniert.“

So wie die Veredlung mit französischen Riesling-Klonen aus der Stuttgarter Partnerstadt Straßburg in der Steillage Zuckerle. Schon zum zweiten Mal seien die Bemühungen umsonst gewesen, erzählt Timo Saier. „Wir starten einen dritten Anlauf, und holen die Klone im Dezember im Elsass ab. Diesmal nehmen wir einen Fachmann für Veredlung mit, der sich mit Reisern auskennt, und wir lagern sie bis zum Aufpropfen im Frühjahr bei uns.“  Eva Herschmann

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