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Handel&Gewerbe

Untertürkheim: Gefüllt mit Erinnerungen, umwickelt von Tradition

Für Frieder Wallenmaier ist die Maultasche ein wichtiger Teil seiner Lebensgeschichte, er ist sogar eingetragener Maultaschen-Weltmeister im Guinness-Buch der Rekorde. Untertürkheim zu finden ist, wird hier verraten.

Untertürkheim: Gefüllt mit Erinnerungen, umwickelt von Tradition

Frieder Wallenmaier serviert Maultaschen in vielen Variationen - und hat sogar eine Diplomarbeit über sie geschrieben Fotos: Kauder

Die Maultasche bedeutet für Frieder Wallenmaier Kindheit – und ist auch ein wichtiger Teil seiner Lebensgeschichte. In ihr spielt sie bis heute eine Rolle. „Die Maultasche ist mein Fachgebiet“, kann der 76-Jährige mit Stolz von sich behaupten. Schließlich stellt er sie her, seit er in der Grundschule war – und ist sogar seit 1980 eingetragener Maultaschen-Weltmeister im Guinness-Buch der Rekorde. Aber zunächst führt die Geschichte, die der Gastronom mit der schwäbischen Teigtasche verbindet, zurück in die 1950er-Jahre. In die Metzgerei seines Vaters in Untertürkheim: „In der Osterwoche standen die Hausfrauen hier Schlange, um die Zutaten für die Maultaschen zu kaufen. Da standen wir alle, die ganze Familie, von 4 Uhr morgens bis abends um 20 Uhr in der Metzgerei.“ Hackfleisch vom Rind, Kalb oder Schwein, Brät, Gewürze oder Gemüse – hier bekam man alles, was eine gute Maultasche braucht. Die Osterzeit und die schwäbische Spezialität eint ja quasi ein heiliges Band, weshalb sie auch gern noch heute „Herrgottsbscheißerla“ genannt wird. 

Maultaschen-Pioniere

Und dann kam sein Vater auf die Idee, Maultaschen selbst herzustellen und sie fertig zu verkaufen. „Das machten nur wenige Metzger in Esslingen und Stuttgart, sozusagen die ersten Maultaschen-Pioniere.“ Und so wurde ständig am besten Rezept getüftelt. Einmal in der Woche wurden dann Wallenmaiers Maultaschen verkauft, und zwar immer freitags mit Bezug zum Karfreitag. „Ein Kilo Maultaschen dürfte damals zwischen 4 und 5 DM gekostet haben. Ein Essen, das sich jeder leisten konnte und fertig gekauft zuhause dann schnell zubereitet war.“ Die Nachfrage wurde immer größer und schließlich wanderten jeden Tag Maultaschen über die Verkaufstheke. „Aber in der Osterwoche wurden wieder verstärkt nur die Zutaten bestellt. Für viele Familien gehörte es zur Tradition, sie für die Karwoche selbst zu machen.“ 

Hackfleisch vom Schwein, Rind oder Kalb? Siedefleisch oder Wurst? Wie viel Petersilie, Sellerie oder Karotten, mehr oder weniger Salz – Rezepte für Maultaschen gibt es viele. Geschmäcker sind verschieden. Gibt es die perfekte Maultasche? „Für meinen Geschmack sollte Hackfleisch statt Brät drin sein, dadurch wird die Füllung lockerer, man erkennt genau, was drin steckt. Ich mag es, wenn alle Zutaten im Gleichgewicht sind und kein Geschmack zu sehr dominiert. Aber was eine perfekte Maultasche ausmacht, bestimmt wohl der persönliche Geschmackssinn, darüber lässt sich nicht streiten, nur genießen.“ In der „Alten Kelter“ in der Großglocknerstraße in Untertürkheim finden die Gäste seit über 40 Jahren allerlei Varianten der Maultasche: Von Maultaschen in Pfifferling-Cognac-Rahmsauce bis hin zu einer Curryrahmsauce mit Ananas und Bananen. 

„Einmal habe ich sogar nachts im Perkins Park Maultaschen gemacht“

Frieder Wallenmaier, Gastronom

Meister der Maultaschen

Ein Zeitsprung zurück ins Jahr 1980: Frieder Wallenmaier schaltet das Radio an, während er in der Metzgerei arbeitet: Zwei Köche werden interviewt, weil sie es in ein Buch für schwäbische Rekorde geschafft haben. Zu zweit haben sie 1000 Maultaschen in 28 Minuten hergestellt. „Das versuche ich jetzt auch mal, aber allein“, dachte sich Wallenmaier und schaffte bei seinem ersten Versuch über 1000 Maultauschen in 30 Minuten. Sein erster offizieller Rekord, der dann auch im Guinness-Buch der Rekorde eingetragen wurde, ist von der Untertürkheimer Zeitung durch den ehemaligen Redakteur Manfred Abt dokumentiert worden. Die fertigen Maultaschen wurden dann auf dem Untertürkheimer Weihnachtsmarkt gegessen. Seitdem ist er ungeschlagener Weltmeister im Maultaschenfertigen. 1982 überbot er sich dann selbst: Für eine ZDF-Sendung mit 13 Millionen Zuschauern schaffte er 1232 Maultaschen in 28 Minuten und 2 Sekunden. 

Nachts im Perkins Park

Im selben Jahr eröffnete Frieder Wallenmaier gemeinsam mit seiner Frau Christine die „Alte Kelter“: „Das war ein toller Start für unsere Selbstständigkeit“, erinnert sich der 76-Jährige. Durch die Werbung in Fernsehen und Presse blieb kein Platz unbesetzt. Es kamen zahlreiche Anfragen zum Kochen vor der Kamera. „Einmal habe ich sogar nachts im Perkins Park Maultaschen gemacht.“ Der schwäbischen Spezialität hat der Gastronom sogar eine Diplomarbeit gewidmet, die er im Rahmen seiner Weiterbildung zum Fleischsommelier geschrieben hat. „Die Erfolgsgeschichte der Maultasche“ – die sicher auch mit seiner eigenen Erfolgsgeschichte zu tun hat. Nathalie Kauder

DIE GESCHICHTE DER MAULTASCHE

Die Maultasche in ihrer Urform entstand wohl schon 2000 Jahre vor Christus: Mit dem Getreideanbau wurden die ersten Teigfladen erfunden. Und irgendwie musste man diese ja füllen. Das Ergebnis war die Maultasche. Woher der Name stammt, dazu erzählt Thaddäus Troll die Geschichte der „Herrgottsbscheißerla“: Im Kloster Maulbronn sollen zwei Mönche während der österlichen Fastenzeit ein Stück Fleisch ergattert haben. Aber da sich Fleisch und Fasten nach dem katholischen Glauben nicht vertragen, war es ihnen verboten, dieses zu essen. Trotzdem: Verderben lassen wollten sie es auch nicht und so wurde es zerkleinert, mit Kräutern, Eiern, Brot und Gewürzen vermischt. Die Masse „versteckten“ sie vor den Augen des lieben „Herrgotts“ im Nudelteig – und mit diesem „Bschiss“ kamen sie zum Biss in die erste Maulbronner Teigtasche, kurz Maultasche. In die Osterzeit startet die Maultasche am Gründonnerstag in der Brühe serviert. Am Karfreitag kommt sie geschmelzt mit Zwiebeln und Soße auf den Teller. Ihr Finale gibt sie dann am Karsamstag als geröstete Streifen aus der Pfanne und mit Ei überbacken. red


REZEPT FÜR SCHWÄBISCHE MAULTASCHEN

Zutaten für den Teig
500 g Mehl, 4 Eier, Salz, lauwarmes Wasser

Zutaten für die Füllung
1 Kilogramm gemischtes Hackfleisch, 200 g Spinat – aufgetaut oder frisch durch den Wolf gedreht, 2 Brötchen vom Vortag (einweichen), 2 bis 3 Eier, 1 El feingehakte Petersilie, 1 El feingehackter Lauch, 1 Tl geriebener Sellerie, 1 Tl geriebene Zwiebel, Salz, Pfeffer, Muskat

Zubereitung Teig
Für den Nudelteig eine Vertiefung ins Mehl drücken, in diese Eier, Wasser und Salz geben und daraus einen glatten Teig kneten. Den Teig sehr dünn auswellen und in rechteckige Bahnen schneiden.

Zubereitung Füllung
Alle Zutaten in einer Schüssel durchmengen, 2 bis 3 Eier dazu geben und das Ganze zu einer verstreichbaren Masse verarbeiten. Die Teigbahnen gleichmäßig mit der Masse bestreichen. 1/3 der Teigbahnen von unten nach innen einschlagen, dann von oben zum unteren Teigrand die Bahn schließen. Mit einem Rührlöffelstiel die Maultaschen im Abstand von rund 5 cm andrücken und mit einem Messer oder Teigrädchen abschneiden. Die Maultaschen in kochendes, leicht gesalzenes Wasser oder Fleischbrühe legen und rund 12 bis 15 Minuten ziehen lassen. Die Maultaschen kann man entweder in der Brühe mit geschmelzten Zwiebeln, gebraten mit Ei oder Speck oder mit Käse und Tomaten überbacken anrichten.

Guten Appetit wünscht Frieder Wallenmaier!

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