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EU diskutiert über Zukunft des Weinbaus

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EU diskutiert über Zukunft des Weinbaus

Württemberger Weinlandschaft, Flächen abgeräumt oder liegen brach. Christel Currle macht Blühwiese draus.

EU diskutiert über Zukunft des Weinbaus

Uhlbach lockt mit seinen Weinberg rund um den Ort auch viele Touristen an. Fotos: Jürgen Brand

Wer gerade durch die Württemberger Weinlandschaft reist, sieht es immer öfter: Flächen in Weinbergen, die brach liegen. Oder die abgeräumt wurden, ohne dass gleich etwas Neues angepflanzt wurde. Christel Currle vom gleichnamigen Uhlbacher Wein- und Sektgut hat ganz aktuell auch so eine Fläche. Sie überlege gerade, was sie dort anbauen soll - falls sie überhaupt etwas anbaut. „Ich mache jetzt erst einmal eine Blühwiese daraus und warte ab, was da kommt."

Der Grund für das Zögern der Wengerterin, die das traditionsreiche Familien-Weingut 2007 übernommen hat, ist die Europäische Union (EU). Die EU will Pflanzenschutzmittel - auch natürliche - in Schutzgebieten ab 2030 vollständig verbieten. So war zumindest der ursprüngliche Plan. Für die Weinproduzenten in ganz Deutschland und auch in Obertürkheim und Uhlbach, wo fast alle Anbauflächen in Schutzgebieten liegen, wäre das eine Katastrophe. Quer durch die Branche ist inzwischen deutlicher Protest gegen die EU-Pläne laut geworden. Der erklärt: Deutsche Weinbauverband (DWV) zum Beispiel hat in einer Stellungnahme ,,Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in empfindlichen Gebieten bedeutet das Aus jeglicher Bewirtschaftung von Rebflächen und damit die Aufgabe der strukturreichen und schützenswerten Landschaft. Der DWV lehnt das Totalverbot daher ab und plädiert für einen Pflanzenschutzmitteleinsatz, der sich an dem Schutzcharakter des entsprechenden Gebietes orientiert." Auch der Bundesverband ökologischer Weinbau (Ecovin) hat sich gegen den EU-Entwurf ausgesprochen. Und der Fellbacher Gert Aldinger, einer der renommiertesten Winzer Deutschlands, hat in einem Interview mit Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten erklärt: „Ohne Pflanzenschutz wird es bei uns keinerlei traditionellen Weinbau mehr geben. Vor allem in den Steillagen wird die Kulturlandschaft versteppen. Der Staat wird Leute einstellen müssen, die diese Steppe mitsamt den wilden Brombeeren und den eingestürzten Natursteinmauern pflegen, weil die Hänge sonst abrutschen."

Deswegen wartet Christel Currle noch ab, schließlich ist so eine Investition in eine Rebfläche langfristig angelegtes Geld, und das nicht zu knapp. Die Uhlbacherin arbeitet in ihren Flächen jetzt schon im vierten Jahr ohne Herbizide, auch viele ihrer Kolleginnen und Kollegen machen mit.

Biodiversität und vieles mehr

Die Obertürkheimer Steillagen bieten beeindruckende Perspektiven - und steile Abfahrten mit dem Rad.
Die Obertürkheimer Steillagen bieten beeindruckende Perspektiven - und steile Abfahrten mit dem Rad.

„Das ist schon ein Riesenschritt", sagt sie und ist bereit, den viel größeren Aufwand und die höheren Kosten zu tragen. ,,Wir machen schon seit langer Zeit ganz viel in die Richtung." Und sie fängt an aufzuzählen: die nützlichen Beikräuter als Begrünung im Weinberg, die den Insekten Nahrung geben und sie schützen, der ohnehin oft schon natürliche Pflanzenschutz, das große Stichwort Biodiversität und vieles mehr. Trotzdem muss sie sich jetzt über diesen EU-Entwurf ärgern, auch wenn sie überzeugt ist, dass er nicht so beschlossen wird, wie ursprünglich geplant. ,,Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so durch geht. Wo kommen sonst unsere ganzen Lebensmittel her?"

Das Thema beschäftigt gerade alle Winzer, egal ob in Markelsheim im Norden Württembergs oder in Obertürkheim. Dort hat Tilman Ruoff den traditionellen Weinbaubetrieb samt Besenwirtschaft im Jahr 1993 von seinen Eltern Lotte und Karl Ruoff übernommen. ,,Mit der Faszination dieses Handwerks - vom Anbau einer Rebsorte bis zur Abfüllung des Weines - arbeiten wir im Weinberg und bei der Kellerarbeit mit größter Sorgfalt und Verpflichtung. Im Weinkeller unseres über 500 Jahre alten Weingärtnerhauses wird unser Wein bis zur Abfüllung individuell ausgebaut und auch gelagert", heißt es auf der Webseite. ,,Wir sind ein konventionell schaffender Betrieb", sagt Tilman Ruoff- und will sich eigentlich nicht lang mit den Disputen über die gerade heiß diskutierten geplanten neuen EU-Regelungen aufhalten. ,,Dazu ist inzwischen eigentlich alles gesagt", meint er mitten im Rebschnitt. ,,Außerdem ist noch nicht 2030."

Er geht davon aus, dass das alles nicht so schlimm kommt, wie ursprünglich angekündigt, weil das sonst das Aus für seinen ganzen Berufsstand bedeuten würde. Ruoff verwendet, seit es die Pheromone gibt, keine Gifte mehr in seinen Weinbergen. Pflanzenschutzmittel gegen Pilze muss er aber einsetzen, ,,weil die Weinberge sonst ab Mitte Juni ganz anders aussehen würden".

Neu gezüchtete pilzresistente Rebsorten wie beispielsweise die weiße Rebsorte Sauvitage, eine Neuzüchtung der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, hat er bis jetzt nicht angepflanzt. ,,Ich habe mich auf alte Rebsorten wie einen Roten Riesling konzentriert", sagt Ruoff. Am Ende regle der Markt, welche Sorten erfolgreich seien. ,,Das wird an der Verkaufstheke entschieden." Jürgen Brand

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