Auch die Anschaffung neuer Reinigungsfahrzeuge ist geplant. Drei- statt bislang einmal die Woche soll auch nass gereinigt werden. Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn sind die Parks, Plätze und Fußgängerzonen der Landeshauptstadt zu schmutzig. Gemeinsam mit Technikbürgermeister Dirk Thürnau hat er daher gestern im Rathaus das Konzept „Sauberes Stuttgart“ vorgestellt. Für mehr Personal, strengere Kontrollen, verstärkte Prävention und eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne sollen zehn Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt werden.

Es sind noch nicht einmal sechs Wochen vergangen, seit Thürnau symbolisch die letzte Stuttgarter Platte in die Kronprinzstraße eingesetzt hat. Es war der Abschluss einer 2,3 Millionen Euro teuren Sanierungsmaßnahme. „Kaum ist der Bereich eingeweiht gewesen, waren schon die ersten schwarzen Kaugummiflecken auf dem Boden.“ Verschmutzte Beläge sind aber bei Weitem nicht das einzige Problem. Einwegbecher, Pizzakartons und Döner-Papiere werden von Passanten arglos weggeschmissen. Das Problem: „Wo schon Müll liegt, wird weiterer hingeworfen“, sagte OB Kuhn. „Wir sind keine Sauberkeitsfetischisten, aber es reicht jetzt. Unsere Stadt ist viel zu wertvoll, um sie achtlos zu vermüllen.“ Zumal die Lage sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert habe. „Unter den weggeworfenen Abfällen leidet das Erscheinungsbild unserer Stadt und das Wohlbefinden sowie die Lebensqualität der Bürger.“ Daher habe man einen Katalog aus vielen Einzelmaßnahmen, die zusammen ein großes Ganzes ergeben, zusammengestellt. „Damit können wir gezielter gegen die Vermüllung vorgehen und sie wirksam bekämpfen.“ Die Landeshauptstadt könne „blitzsauber“ werden, kündigte Kuhn an.

Ein Drittel mehr wilder Müll

Dass etwas getan werden muss, verdeutlicht der Blick auf die Zahlen: „Die Anzahl der öffentlichen Abfallbehälter ist in den vergangenen fünf Jahren um fast 400 gestiegen“, sagte Thürnau. Und trotzdem habe die Vermüllung weiter zugenommen: „Die Kollegen der Stadtreinigung haben 2016 über ein Drittel mehr wilden Müll eingesammelt als 2011.“ Die Landeshauptstadt hat bereits 2013 ein erstes Maßnahmenpaket gegen die zunehmende Vermüllung beschlossen. Offenbar war es jedoch nicht ausreichend, jetzt soll nochmals deutlich nachgelegt werden. Acht Millionen Euro pro Jahr sollen direkt in die Stadtreinigung fließen - das ist rund ein Drittel mehr als bisher. 100 neue Mitarbeiter sollen eingestellt werden, aber auch die Anschaffung von Spezialgeräten sei geplant. Auch die Zahl der Abfalleimer werde von 5000 auf 6000 erhöht. In der Innenstadt sollen diese grundsätzlich in die Erde eingelassen werden. Wo der Einsatz der sogenannten Unterflurbehälter nicht möglich ist, sollen „Presshaie“ aufgestellt werden. Diese Abfallcontainer besitzen eine solarbetriebene Presse, die den Müll erheblich verdichtet. Dadurch haben sie ein ähnliches Fassungsvermögen wie der Unterflurbehälter. Zwei Millionen Euro sind für die weiteren Säulen „Prävention“, „Kontrolle“ und „Öffentlichkeitsarbeit“ vorgesehen - allein eine halbe Million Euro fließe in die Werbung für ein saubereres Stuttgart.

Problem ist der Mensch

Die zunehmende Vermüllung, auch „Littering“ genannt, ist indes kein Stuttgarter Phänomen. Vielmehr ist es europaweit zu beobachten. Experten sehen den Grund in einer immer intensiveren Nutzung des öffentlichen Raums. „Das Problem liegt im Verhalten der Menschen. Sie müssen sich bewusst machen, dass man seinen Müll nicht einfach herumliegen lässt“, so Thürnau. Das beste Beispiel, dass es auch anders geht, sei die Stadt Malaga, die Kuhn im Sommer besucht habe. „Dort wird jede Nacht nass gereinigt und tagsüber weggeworfener Müll eingesammelt“, so der Oberbürgermeister. Dadurch habe sich das Bewusstsein verändert, es gebe kein Littering mehr. Genau hier setzt das Konzept der Stadt an: „Je sauberer es ist, umso schwerer fällt es den Leuten, etwas einfach wegzuschmeißen“, fügte Kuhn hinzu.

„Zehn Millionen Euro pro Jahr ist eine gigantische Summe“, sagte Thürnau. „Aber wir sollten sie ausgeben, damit die Stadt sauber bleibt.“ Gemeinsam mit OB Kuhn werde er das Konzept dem Gemeinderat für die Beratungen zum Doppelhaushalt 2018/19 vorlegen. Mit großem Widerstand müssen sie jedoch nicht rechnen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz hatte schon Mitte Mai ähnliche Maßnahmen gefordert und sprach sich gestern für die Umsetzung des städtischen Konzeptes aus. Auch die SPD und die Freien Wähler begrüßten es.

Die Vier Säulen Des Konzeptes

Reinigung: Gehwege und Fahrbahnen in der Innenstadt sollen zukünftig drei- statt einmal wöchentlich nassgereinigt werden. Maschinell unzugängliche Bereiche sollen mit Hochdruckreinigern gesäubert werden. Geplant ist außerdem, Abfallbehälter doppelt so häufig wie bislang zu leeren. Neue Spezialgeräte sollen helfen, Kaugummis, Speisereste und Getränkeflecken von den hellen Belägen in der Innenstadt zu entfernen. Darüber hinaus werden auch im gesamten Stadtgebiet die Reinigungsintervalle auf Gehwegen, Plätzen und Grünflächen erhöht. In entsprechend belasteten Stadtteilzentren wird ebenfalls die Nassreinigung auf Fahrbahnen eingeführt. Auch die Reinigung der Spielplätze soll intensiviert werden.

Prävention: Hier steht die Sensibilisierung der Bürger im Zentrum. Die Abfallberatungen in Kindergärten, Schulen und Vereinen wird fortgesetzt. Um bereits die Entstehung von Müll zu verhindern, sieht das Konzept eine Reduzierung des Einweg-Angebots in der Gastronomie vor. Stattdessen sollen Mehrweg-Lösungen ausgebaut werden. Erste Ansätze gibt es bei Coffee-to-go-Bechern. Geplant ist zudem, Anwohner verstärkt auf ihre Reinigungspflichten aufmerksam zu machen.

Strafen: Um deutlich zu machen, dass Vermüllung kein Kavaliersdelikt ist, will die Stadt die Kontrollen erhöhen und Müllsünder konsequent bestrafen. Dazu soll das Personal beim Vollzugsdienst aufgestockt werden. Streifen sollen die Vermüllung der Fußgängerzonen und Parks sanktionieren und damit reduzieren. Außerdem habe man beim Land einen Antrag gestellt, dass der Bußgeldkatalog angepasst wird. „Hier müssen wir Schärfe reinbringen“, so Thürnau. Es könne nicht sein, dass man teilweise mit einer Strafe im zweistelligen Euro-Bereich davonkomme.

Kampagne: Entscheidend für den Erfolg des Konzepts ist es, dass sich die Bürger für ein sauberes Stuttgart einsetzen. Um sie für das Projekt zu gewinnen, ist zudem eine langfristig angelegte Öffentlichkeitskampagne vorgesehen. Dazu gehören beispielsweise Werbemaßnahmen auf Stadtbahnen und Bussen, Kino-Spots oder Werbeplakate.