Das Kronprinzenpalais im Jahr 1927: Das Gebäude stand neben dem Königsbau am Schlossplatz - an einer der belebtesten Kreuzungen in der Stuttgarter Innenstadt. Foto: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Als Palast „von sehr stattlicher Erscheinung“, als „Zierde für den Schlossplatz“ wurde das Kronprinzenpalais beschrieben. Doch das aus dem Jahr 1854 stammende Gebäude, das im Laufe der Jahrzehnte viele Nutzungen erfuhr, steht längst nicht mehr: Es wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1963 für den Planiedurchbruch abgerissen. Einige Überreste konnten gerettet werden und sind nun im städtischen Lapidarium ausgestellt.

Für Historiker Rolf Bidlingmaier ist die Geschichte des Gebäudes „ein Paradebeispiel für den Umgang der Stadt mit ihren Baudenkmälern“ - viele seien in der Vergangenheit ohne zwingende Notwendigkeit abgerissen worden. Der Abbruch der durchaus wiederaufbaufähigen Ruine des Kronprinzenpalais sei nicht nur eine Folge von vermeintlichen Verkehrserfordernissen, sondern auch der damaligen Geringschätzung der Architektur des 19. Jahrhunderts gewesen. Und die hatte Folgen: Durch den Abriss sei eine Lücke in der Fassadenfront des Schlossplatzes entstanden und zugleich „eine Wunde im Stadtbild“, die mit dem Bau des Kleinen Schlossplatzes und dem Glaswürfel des Kunstmuseums „nur unzureichend wieder geschlossen wurde“, meint Bidlingmaier.

Natürlich lasse sich das Kronprinzenpalais mehr als 50 Jahre nach seinem Verschwinden nicht mehr rekonstruieren. „Aber es darf auch nicht in Vergessenheit geraten.“ Und deshalb hat der Stadtarchivar von Metzingen ein daumendickes Buch über das Bauwerk veröffentlicht. In zweijähriger Arbeit trug er zahlreiche Überlieferungen, Baupläne, Zeichnungen, Fotografien und historische Raumansichten zusammen, um die Geschichte und Bedeutung des Kronprinzenpalais dazustellen und das einst schmucke Innenleben wieder erfahrbar zu machen. Dem 53-Järhigen liegt dieses Buch besonders am Herzen: „Ich bin gebürtiger Stuttgarter.“

Das Kronprinzenpalais wurde 1846 bis 1850 durch Hofkammerbaumeister Ludwig Friedrich Gaab als Wohnsitz für das Kronprinzenpaar Karl und Olga von Württemberg errichtet, denn diesem stand neben einer jährlichen Apanage „eine standesmäßig meublirte Wohnung“ zu. Da König Wilhelm I.das bisherige Kronprinzpalais, das sich in der Königstraße an der Stelle des heutigen Mittnachtbaues befand, 1817 an die Staatsverwaltung abgetreten hatte, musste er eine neue Bleibe für seinen Sohn finden. Als Standort legte er den Schlossplatz fest - das stilistisch zwischen Klassizismus und Historismus stehende Gebäudes sollte das Pendant zum Wilhelmspalais am gegenüberliegenden Ende der Planie sein.

Nach Abschluss des umfangreichen Innenausbaus durch Künstler und Kunsthandwerker bezogen Karl und Olga, die zuvor unter anderem in der Villa Berg wohnten, am Abend des 2. Dezember 1854 unter dem Jubel der Bevölkerung den Palast. „Dass der Kronprinz bis zum Thronwechsel nicht mehr im Residenzschloss, sondern in einem Palast in der Stadt, gewissermaßen unter den Untertanen, wohnte, empfanden die Stuttgarter als eine Verbürgerlichung der Monarchie“, so Bidlingmaier.

Im Erdgeschoss residierte der spätere König in sieben Zimmern. Die Kronprinzessin wohnte im Stock darüber, in dem sich Speiseräume, Tanzsäle sowie Gesellschaftszimmer befanden. Die 20 Zimmer im dritten Stock waren für Hofdamen und Gesinde bestimmt. Unter dem Kronprinzenpaar erlebte das Gebäude seine glanzvollsten Tage. Es diente im Winter als Ort der Hofbälle, Kammermusiken und Soireen und war einer der Mittelpunkte des Stuttgarter Gesellschaftslebens. Anschließend wohnten hier Prinz Wilhelm, der spätere König Wilhelm II., und Herzog Albrecht. „Das Kronprinzpalais war bei den württembergischen Thronfolgern jedoch kein beliebter Wohnsitz“, weiß Bidlingmaier. Grund dafür seien die Lage an einer der belebtesten Kreuzungen in der Stuttgarter Innenstadt und das Fehlen eines Parks gewesen.

Nach dem Ende der Monarchie wurde das Gebäude als Messehaus der Stuttgarter Handelshof AG und als Dependance der Staatsgalerie genutzt. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Palais 1944 aus. In der Nachkriegszeit wurde die Ruine zum Streitobjekt zwischen den Modernisten, vertreten durch die Stadtoberen, und den Traditionalisten, zu denen das Land als Eigentümer des Kronprinzenpalais sowie namhafte Architekten gehörten. 1959 fiel nach kontroverser Debatte die Entscheidung gegen den Erhalt, 1963 wurde das Kronprinzenpalais schließlich abgebrochen. An seiner Stelle wurden sechs Tunnelröhren gebohrt - fünf für den Autoverkehr und eine für die die heutige Stadtbahn. Die Röhren wurden 1968 mit einer Platte überdeckelt, die als Kleiner Schlossplatz bezeichnet wurde.

Das Buch von Rolf Bidlingmaier „Das Kronprinzenpalais in Stuttgart“, erschienen im Michael Imhof Verlag, ist im Buchhandel erhältlich und kostet 39,95 Euro.