Eine Standort, über den diskutiert wird, ist der Platz neben der Stadtbibliothek. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Noch bis zum September will sich ein Bürgermeisterquartett um OB Fritz Kuhn Zeit nehmen, Standortvorschläge für ein vorübergehendes Opern-Domizil zu machen. Geprüft werden mehrere Varianten – inklusive des Baus einer Konzerthalle.

StuttgartDie schwarz-grüne Runde trifft sich nahezu jede Woche im Rathaus: OB Fritz Kuhn (Grüne), dessen Parteifreund, Baubürgermeister Peter Pätzold, sowie Kulturbürgermeister Fabian Meyer und Finanzbürgermeister Michael Föll (beide CDU) bilden, unterstützt durch Vertreter des Hochbau- und des Stadtplanungsamts, die sogenannte Opern-Taskforce. Die Arbeitsgruppe durchforstet nach dem Scheitern der Pläne für eine Übergangsspielstätte im Paketpostamt am Rosensteinpark seit Juni den Stadtplan nochmals nach geeigneten Grundstücken. Im September sollen die Ergebnisse präsentiert werden.

Vier unterschiedliche Grundstückstypen werden dabei unter die Lupe genommen: zum einen Areale, die sich für den Neubau einer Philharmonie mit vorübergehender Nutzung durch Oper und Ballett eignen. Zum anderen solche, die für eine reine Interimsoper inklusive Werkstattbetrieb infrage kommen. Auch kleinere Flächen für einen reinen Spielbetrieb mit ausgelagertem Kulissendepot und Werkstätten werden nochmals geprüft. Selbst eine Verlagerung des Spielbetriebs raus aus dem Talkessel gilt angesichts der dringend notwendigen Sanierung des Großen Hauses am Eckensee nicht von vornherein als ausgeschlossen. Ein Überblick über mögliche Optionen.

Neubau mit Opernnutzung: Das ist jene Variante, die derzeit von der Mehrheit des Gemeinderats favorisiert wird. Die CDU hatte nach dem Aus für das Paketpostamt wegen zu hoher Investitionen zwei Grundstücke für eine solche Kombilösung ins Gespräch gebracht. Neben dem Kohlelager beim Kraftwerk Gaisburg, das als Kulturstandort nach den Visionen der Union eine städtebauliche Initialzündung im Umfeld auslösen soll, wurde das Areal zwischen Liederhalle, Berliner Platz, Breitscheidstraße und Schlossstraße über der dortigen Tiefgarage als möglicher Standort genannt. Synergieeffekte mit der Liederhalle sind denkbar. Für ein Konzerthaus mit Zwischennutzung durch Oper und Ballett infrage kämen theoretisch auch der Akademiegarten zwischen Neuem Schloss und Charlottenplatz sowie ein Areal nördlich des Königin-Katharina-Stifts an der Schillerstraße. Beide Areale, die auch vom Verein Aufbruch Stuttgart für eine Philharmonie als adäquat befunden werden, gelten allerdings aufgrund ihrer stadtklimatologischen Bedeutung als hochproblematisch. Aus statischen Gründen trifft das auch auf das auf Wunsch der SPD-Ratsfraktion mehrfach geprüfte Gelände an der Ecke Willy-Brandt-Straße/Schillerstraße zu: Unter der Fläche verlaufen die im Zuge von Stuttgart 21 neu erstellten Stadtbahntunnel, was die Gründung eines Fundaments extrem erschwert. Einem Opernsaal anstelle des denkmalgeschützten Königin-Katharina-Stifts, wie von der Initiative Aufbruch vorgeschlagen, hatte die Stadt mehrfach eine klare Absage erteilt.

Interim mit Werkstätten: Nach einem Areal wie dem Paketpostamt an der Ehmannstraße, das mit seinen 35 000 Quadratmetern Nutzfläche reichlich Platz für Oper und Ballett nebst Serviceeinrichtungen geboten hätte, dürfte die Taskforce wohl vergeblich fahnden. Der Umbau des Paketverteilzentrums, das zudem noch in Betrieb ist, hätte minimum 116 Millionen Euro gekostet. Für eine Übergangslösung zu viel, befand OB Kuhn und zog im Mai die Reißleine. Grundstücke wie jenes am Berliner Platz, aber auch Parzellen an der Jägerstraße oder das Züblin-Parkhaus bei der Leonhardskirche eignen sich aufgrund ihrer Fläche nicht für ein Provisorium einschließlich der Werkstätten. Selbst das von den Grünen ins Gespräch gebrachte, der Bahn gehörende Gelände an der Heilbronner Straße auf dem A-1-Areal von Stuttgart 21 hinter der LBBW wäre mit knapp 15 000 Quadratmetern deutlich kleiner als das Paketpostamt. Fazit: Diese Variante dürfte sich erledigt haben.

Reine Spielstätte: Hierfür gibt es in der Innenstadt mehrere Flächen, die allerdings bereits einmal geprüft und aus verschiedenen Gründen verworfen wurden. Ein Beispiel für einen solchen Standort wäre der Innenhof des Finanzamts am Rotebühlplatz. Stuttgarter Architekten hatten den heutigen Parkplatz im vergangenen Sommer noch einmal als Standort für ein Provisorium ins Gespräch gebracht. Beim ersten Suchlauf 2017 hatte das Land als Grundstückseigentümer freilich sein Veto gegen den Standort eingelegt. Begründung: Der Hof sei „hinsichtlich Fläche (. . .) zusammen mit dem für den Theaterbetrieb notwendigen Volumen sowie den betrieblichen und logistischen Abläufen im Vergleich zu anderen möglichen Interimsstandorten schlechter geeignet“. Für einen etwas abgespeckten Opernsaal wäre das 6000 Quadratmeter große Grundstück freilich durchaus denkbar, zumal es optimal an den öffentlichen Nahverkehr angebunden wäre und Stellplätze in den umliegenden Parkhäusern vorhanden wären. Zum Vergleich: Die Fläche des Littmann-Baus umfasst ohne Kulissengebäude knapp 4500 Quadratmeter. Mit mehr als 5700 Quadratmetern wäre das Gelände neben dem IHK-Neubau an der Jägerstraße ebenfalls eine Alternative - dort klafft aber zurzeit noch eine Stuttgart-21-Baugrube.

Außerhalb der City: Ersatzspielstätten außerhalb des Talkessels rangieren zumindest bei den Intendanten von Oper und Ballett nicht ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Sie befürchten Zuschauerschwund, Einnahmeverluste und Abwanderung ihres Spitzenpersonals. Dennoch wird angesichts der Dringlichkeit der Sanierung der Staatsoper auch die Möglichkeit einer Verlegung des Spielstandorts an die Peripherie geprüft werden müssen. Neben der wiederholt vorgeschlagenen Anmietung einer der beiden Musical-Halls in Möhringen könnte auch die Messe eine Option sein.