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In der Republik gibt es unter den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern nur zwei, die keine Schulden im Stadthaushalt haben. Stuttgart ist seit Freitag eine davon.

StuttgartDie Landeshauptstadt hat am Freitag mit der Rückzahlung von insgesamt sechs Darlehen im Umfang von 18,6 Millionen Euro ihre letzten Bankschulden getilgt. Stuttgart ist damit erstmals seit 1948 wieder schuldenfrei. Unter den deutschen Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern gelang das bisher nur Dresden.

Den historischen Entschuldungsschritt vollzog Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) am Freitag ganz unspektakulär. Die höchste Verbindlichkeit, 13,8 Millionen Euro, wurde bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit der Unterschrift auf einem Überweisungsträger abgelöst. Dort steht „APL Tilgung“, also außerplanmäßige Rückzahlung. Bei der KfW hatte die Stadt vor wenigen Jahren zinslose Darlehen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gezeichnet.

Verzinsung negativ

Weil die Verzinsung eigener Geldanlagen der Stadt in Höhe von 760 Millionen Euro 2017 negativ war, entschlossen sich die Verwaltungsspitze und der Gemeinderat, die Restschulden zu tilgen. Im Saldo ergebe sich daraus trotz des Aufhebungsentgelts für die vorzeitige Ablösung bei allen sechs Darlehen eine Zinsersparnis von 11.000 Euro, teilten OB Fritz Kuhn (Grüne) und Föll am Freitag mit.

„Es ist schon ein besonderer Moment, wenn die Stadt zum ersten Mal seit Einführung der D-Mark vor 70 Jahren schuldenfrei ist“, sagte Föll (53), der die Stadt im Februar 2019 nach 15 Jahren verlässt und oberster Amtschef im Kultusministerium bei Susanne Eisenmann (CDU) wird. Föll soll als Finanzbürgermeister der Rechtsanwalt und CDU-Stadtrat Thomas Fuhrmann (47) nachfolgen. Die Christdemokraten haben als größte Fraktion im Rat das Vorschlagsrecht.

Die Schuldenfreiheit sei „Ergebnis einer langfristig angelegten, nachhaltigen Finanzpolitik und die Grundlage für die finanzielle Handlungsfähigkeit“, so Kuhn.

Die wachsende Steuerkraft der letzten Jahre mit hohen Haushaltsüberschüssen trug auch ihren Teil dazu bei. Allein 2017 blieben im Stadthaushalt 382 Millionen Euro übrig. Und durch die seit dem Höchststand 1993 mit 1,15 Milliarden Euro zurückgehende Verschuldung gewann die Stadt Luft, weil sich der Zinsaufwand verringerte. Zur Jahrtausendwende mussten noch 37,4 Millionen Euro Zinsen an Banken bezahlt werden, 2018 waren es nur noch 200.000 Euro.

Auch in diesem Jahr rechnet die Stadt mit einem Haushaltsüberschuss. Er soll laut Rechnung von Juli rund 90 Millionen Euro betragen. Eine neuere Zahl gebe es nicht, so die Verwaltung. Außerdem erwartet die Stadt zum Jahresende rund 167 Millionen Euro aus einer aufgelösten Absicherung der Landesbank (LBBW).

Große Investitionen stehen an

Das Geld ist vom Gemeinderat bereits zur Sanierung der Staatsoper verplant. 25 Millionen Euro wurden dafür bisher zurückgelegt. Die Opernsanierung zeigt, welchem Mittelbedarf sich die Stadt in den nächsten Jahren gegenübersieht. Für die Staatsoper werden 400 Millionen Euro genannt, die Hälfte davon muss die Stadt tragen. Auch die Neubauten am Klinikum erfordern mehrere Hundert Millionen Euro, der Gemeinderat hat Ende 2017 insgesamt 200 Millionen für die Krankenhäuser zurückgestellt. Anfang 2017 waren den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) 72,5 Millionen Euro als Investitionszuschuss zugewiesen worden. Die größte finanzielle Unsicherheit stellt das Bahnprojekt Stuttgart 21 dar. Die Bahn hat die Stadt auf die Zahlung von 591 Millionen Euro verklagt.

Unabhängig vom schuldenfreien Kernhaushalt sind die städtischen Eigenbetriebe mit 367,8 Millionen Euro verschuldet. Davon betreffen allein 30,4 Millionen Euro Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft. Diese Betriebe werden aber, anders als das Klinikum, über Gebühren finanziert.