Prostituierte müssen sich laut Gesetz registrieren lassen. Derzeit ist dies in Stuttgart jedoch noch nicht möglich. Archiv Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Etwa 1400 Prostituierte, schätzt die Polizei, gibt es in Stuttgart. Die Zahl schwankt, etwa die Hälfe wechselt innerhalb des Jahres Arbeitsplatz und Stadt. Das macht die genaue Erfassung schwer. Seit 1. Juli ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, das bis Jahresende Frauen gesundheitliche Beratungen und eine Registrierung vorschreibt, für Bordellbetreiber gilt eine Erlaubnispflicht. In Stuttgart fehlt es allerdings noch an Mitarbeitern, die Umsetzung stockt.

Acht Monate. So viel Zeit gewährte der Bundestag den Bundesländern, um das im Oktober 2016 verabschiedete Gesetz umzusetzen. Acht Monate, die aus Sicht vieler Beteiligter nicht einmal dafür ausreichten, um die Zuständigkeiten festzulegen. In den vergangenen Wochen drückte das baden-württembergische Sozialministerium aufs Tempo: Seit 1. November obliegt es den Städten und Kommunen im Land, die neuen Bestimmungen umzusetzen. Allerdings hat es das Gesetz in sich: Prostituierte sollen sich künftig einem Gesundheitscheck unterziehen und eine Anmeldebescheinigung beantragen, die sie bei der Arbeit immer mit sich führen müssen. Andernfalls drohen Bußgelder. Alle zwei Jahre müssen sie die Anmeldung erneuern, unter 21-Jährige jedes Jahr. Ziel der Neuerungen ist es, die Frauen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen.

Auch die Betreiber von Bordellen und ähnlichen Einrichtungen sind in der Pflicht: Sie müssen eine offizielle „Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes“ vorlegen können. Und dieses erhält nur, wer nicht vorbestraft ist, eine einwandfreie Schufa-Auskunft hat und nachweisen kann, dass die angestellten Frauen unter akzeptablen Bedingungen arbeiten, die jederzeit überprüft werden dürfen. Neu ist auch die Kondompflicht für Freier. Dadurch sollen Prostituierte besser vor übertragbaren Krankheiten geschützt werden. Die Zimmer müssen über einen Notknopf verfügen, Arbeits- und Wohnstätte dürfen nicht identisch sein.

Städte und Kommunen sind von dem umfangreichen Regelwerk wenig angetan. Vielerorts mangelt es an Personal, um die Vorgaben umzusetzen. In Stuttgart geht man davon aus, dass dafür sechs weitere Stellen benötigt werden - drei beim Gesundheitsamt und drei beim Amt für Öffentliche Ordnung. Über die Bewilligung der dafür notwendigen Gelder entscheidet der Gemeinderat im Rahmen des Doppelhaushalts. Allerdings wird dieser erst Mitte Dezember verabschiedet. Nach Bewilligung der zusätzlichen Mitarbeiter könne man die Stellen ausschreiben, besetzen und Termine vergeben, sagt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt der Stadt.

Für Unstimmigkeiten sorgt derzeit auch die Finanzierung. Für die Umsetzung stellt das Land den Kommunen insgesamt 3,83 Millionen Euro im Jahr 2018, 2,99 Millionen Euro 2019 sowie 3 Millionen Euro im Jahr 2020 bereit. Zu wenig, befürchtet man von Seiten der Stadt. Die vom Land für die Beratungen angesetzten Zeiten und Kosten seien bei Weitem nicht ausreichend. Vor allem, wenn Dolmetscher hinzugezogen werden müssen. Und das dürfte nach Schätzungen bei rund zwei Drittel aller ausländischen Prostituierten der Fall sein. Für Stirnrunzeln sorgt auch die Annahme, dass die neuen Aufgaben überwiegend von Beschäftigten des mittleren Dienstes wahrgenommen werden könnten. Hier sieht die Stadt vielmehr Mitarbeiter des gehobenen und höheren Dienstes in der Pflicht, was sich letztlich in den Kosten widerspiegeln dürfte. „Das Land stellt Ressourcen zur Verfügung, die nicht auskömmlich sind, wenn es darum geht, den gesetzlichen Auftrag ernst zu nehmen und qualifizierte Beratungen im Sinne des Gesetzes anzubieten“, zeigt sich Priwitzer überzeugt.

Terminanfragen von Prosituierten in Stuttgart gab es bereits. Bei allen Betroffenen sei die gesetzliche Neuerung jedoch noch nicht „vollumfänglich angekommen“.

Zahlen und Informationen

Die Polizei geht in Stuttgart von jährlich etwa 1400 Prostituierten aus. Die Fluktuationsrate liegt nach Schätzungen der Beamten bei etwa 50 Prozent - und damit doppelt so hoch wie die Landesregierung ihren Annahmen zugrunde gelegt hat. Die Zahl der Prostitutionsbetriebe wird mit rund 140 angegeben.

Mit 41 Prozent stammt die Mehrzahl der Frauen aus Rumänien, gefolgt von Deutschland (11 Prozent), Ungarn und Bulgarien (jeweils 10 Prozent). Die Zahl der Prostituierten, die im vergangenen Jahr auf dem Straßenstrich im Leonhards-/ Bohnenviertel anzutreffen waren, wird auf 25 geschätzt.

Die Stadt Stuttgart rechnet derzeit mit maximal 900 Anmeldungen und mit 1650 gesundheitlichen Beratungen pro Jahr. Die Anmeldebescheinigungen sind nur landesweit gültig. Wurden diese vor dem 31. Dezember 2017 erworben, behalten sie für drei Jahre ihre Gültigkeit. Dadurch rechnet man im zweiten und dritten Jahr mit einer geringeren Zahl an Anträgen.

Teil des Gesetzes ist die Kondompflicht für Freier. Diese tatsächlich zu überprüfen, sei nicht möglich, heißt es aus dem Rathaus. Für die Frauen sei es jedoch, eine Unterstützung, auf diese hinweisen zu können.

Ablauf des Anmeldeverfahrens: Terminvereinbarung, Prüfung der Ausweispapiere und der Arbeitserlaubnis, Erfassung der Anmeldedaten, Informations- und Beratungsgespräch bei Sozialarbeiter, falls nicht erfolgt: gesundheitliche Beratung, Ausstellung der Anmeldebescheinigung. Liegen Hinweise auf eine Zwangslage vor, wird die Anmeldung abgelehnt, die betroffene Person werden beraten und notwendige Maßnahmen veranlasst.