Der Feststofftank im 32 Meter tiefen Prüfschacht. Vor mehr als 20 Jahren wurde hier schon der Tank der Ariane 5 getestet. Foto: Uni Stuttgart Quelle: Unbekannt

Stuttgart (seb) - An der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart wird bald Raumfahrtsgeschichte geschrieben: Am Dienstag wurde ein sechs Tonnen schwerer Feststofftank angeliefert, der ab Mitte Juli auf Herz und Nieren getestet wird. Besteht er die Berstversuche der Wissenschaftler, könnte er in der nächsten Raketengeneration der Ariane-6-Rakete zum Einsatz kommen und bereits im Jahr 2020 ins All fliegen.

Ein großer Lastwagen rollt im Schritttempo am Pfaffenwaldring vor. Er ist mit einer wertvollen Fracht beladen: dem sechs Tonnen schweren „Demonstrator“. Behutsam hebt ein Kran den Feststofftank vom Tieflader und lässt ihn anschließend in den unterirdischen Prüfschacht der Materialprüfungsanstalt (MPA) hinab. Mit 32 Metern Tiefe und 14 Metern Durchmesser bietet er genügend Raum für den Zylinder, der von der Firma MT Aerospace AG entwickelt und gebaut wurde. Dabei handelt es sich um einen neuartigen Feststofftank für die nächste Raketengeneration Ariane 6 der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). „Er basiert erstmalig auf einer Faserverbundtechnologie, welche dazu beiträgt, das Gewicht der Rakete zu verringern“, sagt Wissenschaftsreferentin Andrea Mayer-Grenu. Dies solle gewährleisten, dass die europäische Raumfahrtindustrie auf dem weltweit stark umkämpften Markt weiterhin konkurrenzfähig bleibe.

Bei dem Test simulieren die Prüfer einen Druck, wie er beim Start der Ariane 6 ebenfalls auf die Feststofftanks einwirken kann. „Es soll nachgewiesen werden, dass der neuartige Booster den Anforderungen für den Einsatz bei einem Raketenstart standhält“, so Mayer-Grenu.

Die Experten der Uni Stuttgart sollen die Festigkeit des Demonstrators untersuchen. Die MPA wurde als Partner für den entscheidenden Verifikationstest ausgewählt, weil sie über entsprechendes Equipment und die notwendige Erfahrung auf dem Gebiet von Druckbehälterprüfungen verfügen. Vor mehr als 20 Jahren wurde in demselben Prüfschacht der „Demonstrator“ der aktuellen Ariane-5-Rakete getestet, der damals noch aus hochfesten Stahllegierungen gefertigt war.

Für den Test wird heute wie damals der Tank auf einem genau angepassten Metallring verankert. Mithilfe eines Gerüsts wird der Zylinder mit aufwendiger Messtechnik versehen. Die eigentliche Untersuchung beinhaltet mehrere Drucktests. Der Tank wird dazu mit Wasser befüllt, wodurch ein Druck entsteht. Beim letzten Druckversuch wird der Druck soweit erhöht, bis der Demonstrator birst.

Da genau vorhersehbar ist, was in diesem Augenblick passiert, gelten für die ab Mitte Juli geplanten Tests hohe Sicherheitsvorkehrungen. „Vor 20 Jahren gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und der tonnenschwere Aufbau aus Demonstrator und Messgerüst wurde um fast einen halben Meter zur Seite versetzt“, sagt die Wissenschaftsreferentin. Auch dieses Mal werde erwartet, dass sich dabei der Inhalt des Behälters schlagartig in den Prüfschacht ergießt - immerhin 56 000 Liter Wasser beziehungsweise rund 375 Badewannen-Füllungen.