Feierliche Amtsübergabe im IHK-Haus (von links): EU-Kommissar und Festredner Günther Oettinger, der scheidende Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Andreas Richter, der neue Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl und IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Foto: IHK Quelle: Unbekannt

„Ich freue mich auf den Dialog mit Mitgliedsbetrieben, aber auch mit den Kritikern“, so Schmalzl. „Wenn Andreas Richter nach zwei Jahrzehnten in den Ruhestand geht, dann ist das eine Zäsur“, sagt Breuning.

Von Sabrina Erben

Stuttgart - „Ich habe fertig. Herr Schmalzl, nun sind Sie dran“, sagt der scheidende Hautgeschäftsführer. Doch so schnell kommt Andreas Richter bei seiner Verabschiedung gestern nicht von der Bühne. Es gibt nochmals lobende Worte und ein Geschenk aus der Belegschaft. Auch auf die Mitarbeiter der IHK Region Stuttgart kommen neue Zeiten zu. Die Kammer befindet sich im personellen Umbruch: Seit Anfang des Jahres steht mit Marjoke Breuning erstmals eine Frau als Präsidentin an der Spitze der Kammer, nun gibt es seit Anfang November auch einen neuen Hauptgeschäftsführer: Johannes Schmalzl folgt auf Andreas Richter, der sich nach fast zwei Jahrzehnten bei der IHK in den Ruhestand verabschiedet.

Gestern fand die feierliche Amtsübergabe im IHK-Haus in Stuttgart statt. „Mein Ziel ist es, dass die IHK von den Mitgliedsbetrieben und anderen Kunden geschätzt, von anderen Kammern und Verbänden unterstützt und von der Politik gehört und respektiert wird, wenn es um die Interessenvertretung für die Wirtschaft geht“, so das Credo des neuen IHK-Hauptgeschäftsführers. Er freue sich auf den Dialog mit Mitgliedsbetrieben und den Partnern in Politik und Verwaltung, aber auch mit den Kritikern, so Schmalzl. Es sei ihm ein Anliegen, auch kritische Stimmen ernst zu nehmen.

Der Dialog mit Kritikern wird keine einfache Aufgabe werden. Schon Schmalzls Start verlief holprig. Erst im zweiten Anlauf wurde der Liberale zum Hauptgeschäftsführer der IHK gewählt. Eine Findungskommission hatte Anfang des Jahres den ehemaligen Stuttgarter Regierungspräsidenten als Nachfolgekandidaten von Richter präsentiert. Die Personalie stieß auf heftigen Widerstand seitens der kammerkritischen Kaktus-Initiative, die 32 von 100 Plätzen in der Vollversammlung besetzt. Die Gruppierung von Unternehmern, die sich gegen die IHK-Zwangsmitgliedschaft und für mehr Transparenz in der IHK einsetzt, sprach von „Hinterzimmerauswahl“ und „Postenschieberei“. Die Mitglieder der Initiative sorgten im Frühjahr nach einem Auszug aus der Vollversammlung für Beschlussunfähigkeit und verhinderten somit die erste Wahl von Schmalzl.

Die Wahl des Hauptgeschäftsführers ist damit ein weiteres Kapitel in der langen Liste der Differenzen zwischen der Kaktus-Initiative und dem etablierten IHK-Lager. Doch der 52-jährige Schmalzl geht in die Offensive. Er stellte den Unternehmen noch vor seinem Amtsantritt in einigen Interviews Beitragsrückzahlungen in Aussicht. Zudem möchte er sein Gehalt als Hauptgeschäftsführer offen legen - die mangelnde Transparenz bei Gehältern war immer ein großer Kritikpunkt der Kaktus-Initiative.

Schmalzls Start ist zugleich Richters Abschied. „Wenn Andreas Richter nach fast zwei Jahrzehnten als Hauptgeschäftsführer unserer IHK in den Ruhestand geht, dann ist das eine Zäsur“, sagt die IHK-Präsidentin Breuning über das Ausscheiden des Diplom-Volkswirts. Unter Richters Führung habe sich die Kammer von einer eher verwaltenden Behörde zu einem modernen Dienstleister mit wirtschaftspolitischem Profil entwickelt. Der frühere Wirtschaftsressortleiter der „Stuttgarter Zeitung“ habe einen intensiven persönlichen Kontakt zu vielen mittelständischen und kleinen, aber auch zu den großen Betrieben in der Region gepflegt. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben nennt ihn einen „zupackenden und ehrlichen“ Kollegen. Man könne sich schon „ganz schön mit ihm zanken“. Die Festrede bei der Amtsübergabe hält Günther Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal. Er bezeichnet Richter als einen „Querdenker“ und wirbt in seiner Rede für ein starkes Europa.

Und es gibt noch mehr Lob: Die ehemaligen IHK-Präsidenten Hans Peter Stihl, Herbert Müller und Georg Fichtner - Günter Baumann war auf einer Auslandsreise - würdigten seinen Einsatz für die Modernisierung der dualen Ausbildung. „Er hat sich nie einen Maulkorb aufsetzen lassen“, sagt Müller in Anspielung auf die Debatte um Stuttgart 21 und die Frage, wie stark eine IHK politisch Position beziehen dürfe. Ein riesiger „Pro S21-Banner“ am IHK-Haus sorgte 2011 für viel Kritik.

Der neue Hauptgeschäftsführer will den Fokus auf die Ausbildung und vor allem auf die Digitalisierung legen. Auch innerhalb der IHK. „Sie haben Hummeln im Hintern“, sagt Präsidentin Breuning bei der Amtsübergabe zu ihm. Hans Peter Stihl gibt Schmalzl dann noch einen ganz pragmatischen Ratschlag: „Andreas Richter hat mit großem Sachverstand überzeugt, ich gehe davon aus, dass auch Johannes Schmalzl diesen besitzt. Und wenn mal nicht, kann er Herrn Richter ja anrufen.“

Johannes schmalzl

Der Liberale war von 2005 bis 2008 Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, dann wurde er zum Stuttgarter Regierungspräsidenten ernannt.

2011 wollte ihn die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Generalbundesanwalt ernennen. Schmalzl zog seine Kandidatur allerdings zurück, nachdem Kritik an seiner Qualifikation geäußert wurde.

2016 ist er nach acht Jahren als Stuttgarter Regierungspräsident in den einsteiligen Ruhestand versetzt worden.

Von Oktober 2016 an leitete er in Berlin die Abteilung Privatisierungen, Beteiligungen und Bundesimmobilien im Bundesfinanzministerium. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.