„Stolperstein“-Initiator Gunter Demnig in Aktion. Quelle: Unbekannt

(uli) - Sein Markenzeichen ist der Hut, sein Handwerkszeug ist die Maurerkelle: Gunter Demnig, Aktionskünstler und „Erfinder“ der Stolpersteine, mit denen an die Opfer des Nazi-Regimes erinnert werden soll. Allein in Bad Cannstatt liegen mehr als 100 solcher „Zeichen gegen das Vergessen“. Am 9. Oktober kommen drei weitere dazu.

An mehr als 11 000 Orten in Deutschland und Europa liegen Stolpersteine. Unabhängige Initiativen vor Ort haben ehrenamtlich die Schicksale der Opfer erforscht, um ein Zeichen gegen die staatliche Ausgrenzung in der NS-Zeit zu setzen. Gunter Demnig wird am Montag, 9. Oktober, zwischen 9 und 14 Uhr 19 weitere Stolpersteine in sieben Stuttgarter Stadtbezirken verlegen. Die Cannstatter Stolperstein-Initiative erinnert in der Neckarvorstadt an drei Opfer der NS-„Euthanasie“, die 1940 in Grafeneck ermordet wurden: Emil Wilhelm (10 Uhr, Hallstraße 40), Lina Speiser (etwa 10.15 Uhr, Brückenstraße 11) und Willy Guillard (etwa 10.30 Uhr, Überkinger Straße 14).

Neu dabei ist, dass die Initiative StolperKunst einen Akzent setzen wird. Gemäß ihrem Motto „Kunst belebt Erinnerung“ soll die Frage „Was geht es uns heute noch an“ neu gestellt und mit künstlerischen Mitteln beantwortet werden.

Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Rosenstein-Schule ist die Cannstatter Künstlerin Claudia Strohm der Frage nachgegangen, was die Verbrechen des NS-Regimes heute und in Zukunft für uns bedeuten. Ihre Schülerinnen und Schüler aus Ländern wie Iran, Syrien, Kenia oder Marokko wissen, was Angst heißt. Sie haben Bombenterror und Hunger erlebt, Angehörige verloren, gefährliche Fluchten überstanden, aber noch ist das alles zu nahe, als dass sie darüber sprechen könnten. Darum haben sie sich zeichnend, malend, tanzend und trauernd mit ihren Erfahrungen beschäftigt, aber auch dem Glück Ausdruck gegeben, in einem sicheren Land zu leben. Die dabei entstandenen Bilder hat Claudia Strohm in einer Collage zusammengefasst und darüber hinaus die Performance „Der andere uns“ einstudiert, die in memoriam der „Euthanasie“-Opfer bei der Stolperstein-Verlegung in Bad Cannstatt durch den Künstler Gunter Demnig zur Aufführung kommt.

Drei Stolpersteine wird Gunter Demnig in Stuttgart-Ost verlegen: Mathilde Kleinmaier (Villastraße 8, etwa 11.30 Uhr) wurde 1940 in Grafeneck ermordet. Der 1935 geborene Roland Stempfle (etwa 12 Uhr, Klingenstraße 37) starb 1942 in der Heilanstalt Zwiefalten, angeblich an „Erkrankung der Kreislauforgane“. Aufopfernd hatte sich die Mutter um den geistig behinderten Buben gekümmert, bis sie dem Druck der Behörden schließlich nachgegeben und der Verlegung dorthin zugestimmt hatte. Schließlich wird ein Stein an Elisabeth Schikora (etwa 11 Uhr, Villastraße 3) erinnern, die Mitglied der Widerstandsgruppe um Hans Gasparitsch war, die 1935 aufgedeckt wurde. Die Mitglieder erlitten Demütigungen, Folterungen, langjährige Zuchthausstrafen oder KZ-Aufenthalte. Die Frau zerbrach daran und kam in die Heilanstalt Zwiefalten, wo sie am 12. Februar 1944 starb. Bei einer Lesung mit Musik werden am Dienstag, 10. Oktober, um 19.30 Uhr in der Stadtteilbibliothek Ost, Schönbühlstraße 88 (Eintritt vier Euro, ermäßigt 2,50 Euro) der Widertand der „Gruppe G“ und das Schicksal von Elisabeth Schikora anhand von Zitaten aus den Lebenserinnerungen von Hans Gasparitsch und Berichten anderer Gruppenmitglieder nachgezeichnet.