„Proscht Neujahr“ beim Boulevärle. Foto: Thomas Kraut (z) - Thomas Kraut (z)

Das schwäbische Theater Boulevärle zeigt mit „Proscht Neujahr“ eine sehenswerte Aufführung beim TSVgg Münster.

MünsterDa hat sich der Einbrecher den falschen Zeitpunkt und auch die falsche Adresse ausgesucht: Erst steigt er am Silvesterabend in eine Villa in Stuttgarter Halbhöhenlage ein. Und dann trifft er auf eine durchgeknallte Familie, die ihn anstatt verhaften zu lassen sogleich als Freund des Hauses adoptiert und nicht mehr ohne Beute ziehen lassen will. In dieser Konstellation steckt schon ein recht quirliges Unterhaltungspotenzial. Die Premierengäste von „Proscht Neujahr“ auf der Kleinkunstbühne „Boulevärle“ in Stuttgart-Münster wussten denn auch nicht, worüber sie mehr lachen sollten: über die turbulente Handlung, die absurden Dialoge oder die sonderbare Kostümierung der Darsteller.

Gründe jedenfalls gab es genug. Das Stück des Autorenduos Willy Honauer und Peter Lodynski, im Original „Mein Name ist Hase“, wurde unter der Regie von Rüdiger Erk auf die Bühne in Münster gebracht und dank der mundartgetreuen Übersetzung ins Schwäbische durch Siggi Offenwanger Stuttgart-tauglich veredelt. Zunächst stiehlt der clevere Einbrecher „Peppo“ (Petros Kalakikos) der matronengleichen Dolores und dem eitlen Felix Rottweyler (Marion Kühnle und Wolfgang Blank) silberne Leuchter vom Kaminsims, wird aber bald von der osteuropäisch radebrechenden Olga (Conny Rommel) und vom stets mit gereimter Rede auftretenden Zornfried (Andreas Steiner) vereinnahmt und dazu überredet, als „Sicherheitsfachmann“ das irgendwo im Haus versteckte Testament der verstorbenen Tante Mathilde Kupferschuh zu suchen. Denn es gibt ja etwas zu erben. Zusätzliche Verwirrung stiftet ein bis dato Unbekannter, der urplötzlich durch den Kamin hereinschneit. Dabei entpuppt sich der Einbrecher als der einzig Normale unter diesen Verrückten. Als „Komödie“ angekündigt, entwickelt sich „Proscht Neujahr“ schnell zum leicht überdrehten Karussell kalauerhafter Wortwechsel, wodurch die eigentliche Handlung immer mehr zurücktritt. Doch hierfür ist das Premierenpublikum gekommen, darunter etliche Stammgäste und Bezirksvorsteherin Renate Polinski. So waren die 180 Plätze im Saal des TSVgg Stuttgart Münster, der Spielstätte des „Boulevärle“, nahezu vollständig belegt. Seit 1992 ist die Bühne des Sportvereins künstlerische Heimat des Boulevardtheaters. „Wir fingen 1990 mit etwa zwölf Mitgliedern an“, blickt Manfred Juhasz zurück, zweiter Vorsitzender des Theatervereins, „derzeit sind wir rund 40“. Und diese sind, das ist nicht zu vergessen, Amateure, die neben ihrem Brotberuf Theater spielen. Allein für „Proscht Neujahr“ investierten sie fünf Monate Probenarbeit. Spontane Umbesetzungen gehören ebenfalls zum Job. So musste (durfte) Jana Schwager kurzfristig für die verhinderte Kathi Schnierle einspringen beziehungsweise spielen. Respekt und Gratulation hierfür. Petros Kalakikos, 1. Vorsitzender des „Boulevärle“ und höchstselbst in der Gestalt des Einbrechers „Peppo“ eine der tragenden Figuren im Stück, freute sich: „Nächstes Jahr werden wir unser dreißigjähriges Jubiläum feiern.“ Und wie geht die Geschichte nun aus in der Villa? Wie geht die spinnerte Familie Rottweyler von der Stuttgarter Halbhöhe ins neue Jahr? Werden sie das Testament der Tante Mathilde finden? Wer wird darin bedacht? Wer geht leer aus? Spielt Moral auch eine Rolle? Fragen über Fragen. Man darf auf die Antworten gespannt sein.

Die Vorstellungen mit „Proscht Neujahr“ laufen bis Mitte Februar 2020, meist Freitag und Samstag um 20 Uhr, gelegentlich Sonntag um 18 Uhr. Genaueres und Karten unter www.boulevaerle.de.