An der Grundschule Obertürkheim können Zweitklässler Foto: dpa/Michael Hanschke - dpa/Michael Hanschke

Die Wilhelmsschule Untertürkheim und die Grundschule Obertürkheim gehören zu den Einrichtungen, an denen das Pilotprojekt „Musik für alle“ umgesetzt wird – mit großem Erfolg. 94 Schüler machen begeistert mit.

Untertürkheim M usik macht Schule. Im wahrsten Sinne des Wortes: Seit Februar vergangenen Jahres erhalten an der Wilhelmsschule Untertürkheim und an der Grundschule Obertürkheim Erstklässler zusätzlich zum schulischen Musikunterricht eine Zusatzausbildung, die Lust aufs instrumentale und vokale Musizieren machen soll. Die beiden Bildungseinrichtungen gehören zu den fünf Stuttgarter Ganztagsgrundschulen, an denen das Pilotprojekt „Musik für alle“ umgesetzt wird – und zwar sehr erfolgreich, wie Friedrich-Koh Dolge, der Leiter der Musikschule Stuttgart, nach dem ersten Jahr zufrieden bilanziert. Das Programm wird deshalb ausgeweitet.

Allein in den Oberen Neckarvororten haben die Dozenten der Stuttgarter Musikschule in den vergangenen Monaten 94 Grundschulkinder in die Welt der Musik eingeführt. Gestartet wurde das Projekt im zweiten Halbjahr der ersten Klasse. Nun stehen die Schüler der mittlerweile zweiten Klasse kurz vor dem Abschluss der einjährigen musikalischen Grundausbildung. „Ab 1. Februar wird das Projekt in den Schulhäusern auch hörbar sein“, kündigt Dolge an. Denn der Theorie folgt nun die Praxis.

Instrumente erlernen

Die Schüler können sich entscheiden, ob sie eine Gesangsausbildung machen oder lernen wollen, ein Instrument zu spielen. Zur Wahl stehen verschiedene Instrumente: An der Wilhelmsschule sind das laut Dolge Violoncello, Gitarre, Klarinette, Schlagzeug und eine türkische Langhalslaute; an der Grundschule Obertürkheim Violine, Gitarre, Schlagzeug, Klavier und Trompete. Der Instrumental- oder Gesangsunterricht wird einmal wöchentlich in Kleingruppen in den Musikräumen der Schulen stattfinden.

„Musik für alle“ sei die Essenz aus vielen bewährten Projekten, meint Dolge. Das Konzept zielt nicht allein auf musikalische Früherziehung ab, sondern ebenso auf soziale Teilhabe. „Es geht darum, auch beim Thema musikalische Bildung mehr Chancengerechtigkeit herzustellen“, betont Dolge. Jedes Kind soll die Möglichkeit erhalten, ein Instrument zu lernen oder seine Stimme auszubilden – unabhängig von den zeitlichen und finanziellen Ressourcen seiner Eltern. Die Unterrichtsgebühren werden vollständig von der Stadt Stuttgart übernommen und die benötigten Instrumente kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Wer nach der zweijährigen Unterrichtszeit seine Liebe zur Musik entdeckt hat, kann dann in der städtischen Musikschule oder in einem Verein weitermachen. Natürlich wäre es schön, wenn die Kinder dabei blieben und somit Nachwuchs für das Amateurmusikwesen Stuttgarts rekrutiert werden könnte, räumt der Musikpädagoge ein. Wichtig ist für Dolge aber: „Jedes Kind soll selbstverantwortlich, aus dem Innersten heraus entscheiden, ob es ein Instrument erlernen oder seine Stimme ausbilden will. Wenn es lieber Fußballspielen oder etwas anderes tun möchte, ist das auch in Ordnung.“

Das Projekt ist auf Dauer angelegt – und auf eine breite Basis. Nicht nur, dass an den bisherigen fünf Ganztagsgrundschulen ab Februar ein neuer Jahrgang mit „Musik für alle“ beginnt – und sich dadurch die Schülerzahl auf insgesamt 1120 Grundschulkinder verdoppelt. Der Gemeinderat hat im Doppelhaushalt 2020/2021 die Mittel zur Ausweitung des Programms bewilligt: Ab 2021 soll es an weiteren fünf Ganztagsgrundschulen etabliert werden. Welche das sein werden, wird sich laut Dolge nach den Sommerferien entscheiden. „Das Interesse ist groß.“ Bereits im Ausschreibungsverfahren für die Pilotphase waren zehn Bewerbungen eingegangen, aus denen eine Lenkungsgruppe jene fünf auswählte.

Um den Mehraufwand bewältigen zu können, wurden der Musikschule nicht nur einmalig 140 000 Euro für die Anschaffung weiterer Instrumente gewährt – der Pool wächst dadurch von 650 auf 900 Instrumente an. Auch weitere Personalstellen wurden genehmigt – etwa 30 Dozenten sind in das Projekt eingebunden.