Wegen Reparaturarbeiten im Wasserkraftwerk wurde der Kanal trockengelegt. Foto: Kuhn - Kuhn

Seltenes Schauspiel: Wegen Reparaturarbeiten am Wasserkraftwerk musste der Zulaufkanal trocken gelegt werden. Der Zufluss ist gesperrt. Die Reparaturarbeiten dauern bis Mitte Mai.

UntertürkheimUngewohntes Bild im Lindenschulviertel: Der Oberlauf des Kraftwerkkanals ist ausgetrocknet. Die Schülerinnen und Schüler des Lindenschulzentrums reiben sich die Augen. Im Betonbett, das eigentlich mit Wasser gefüllt ist und eine gleichmäßige Strömung Richtung Kraftwerk aufweist, fließt nur ein Rinnsal. Die Passanten können plötzlich auf den Grund sehen. Vor allem unmittelbar unterhalb des jetzt geschlossenen Wehrs an der Straße „Zum Ölhafen“ werden das angeschwemmte Treibgut und der Müll sichtbar: Ein Gemisch aus Ästen, Stämmen, Reifen, Fahrrädern, Plastik, Wurzeln, Steinen und Lianen bilden große Inseln, auf denen sich Gänse und Enten ausruhen. Zwei Graureiher waten auf der Jagd nach Fischen durchs seichte Wasser. Auch ein Einkaufswagen, zwei kleine Bildschirme und ein rostiges Bettgestell liegen im Wasser.

„Wir haben den Zulaufkanal wegen dringender Reparaturarbeiten am Wasserkraftwerk trocken legen müssen“, erklärt Hans-Jörg Groscurth, der Pressesprecher der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Selbst langjährige Kraftwerksmitarbeiter hätten dies noch selten erlebt. „Dies geschieht alle 15 bis 20 Jahre“, sagt Groscurth. Das Untertürkheimer Kraftwerk ist das älteste kommunale Wasserkraftwerk in Württemberg. Das Industriedenkmal wurde zwischen 1899 und 1902 erbaut und ist heute noch in Betrieb. Die vier Turbinen liefern bis zu sieben Millionen Kilowattstunden Naturstrom pro Jahr. Momentan ruht die Stromerzeugung allerdings. „Reparaturarbeiten am Leitapparat der Maschinen sind notwendig geworden“, sagt Groscurth. Dafür hätte der Zufluss zum Kraftwerk allerdings nicht abgeklemmt werden müssen. Sperrvorrichtungen vor den Turbinen hätten eigentlich gereicht. „Doch gerade diese Absperrtafeln müssen diesmal auch überholt werden“, sagt Groscurth. Den Stromerzeugern blieb nur ein Ausweg: den Kraftwerkkanal trocken legen. „Die Maßnahme ist mit den Behörden und mit dem Anglerverein abgestimmt“, sagt Groscurth. Die Verantwortlichen des Wasserkraftwerks gehen davon aus, dass die Reparaturarbeiten Mitte Mai abgeschlossen sein werden. „Danach wird es noch zwei bis drei Tage dauern, bis der gewohnte Wasserstand und der Durchfluss wieder erreicht ist“, sagt Groscurth. Die umweltfreundliche Stromerzeugung kann danach wieder aufgenommen werden.

Auf das Verhalten des Neckars habe die Stilllegung des Zulaufkanals bei diesen Witterbedingungen keinen Einfluss, sagt Walter Braun von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Stuttgart. Die Neckar AG als Betreiberin des Kraftwerks habe ihn von der Abtrennung des Seitenkanals unterrichtet. „Sie wird während der Dauer der Reparaturarbeiten auch die Steuerung der Felder am Untertürkheimer Wehr und damit die Wasserführung auf dem Neckar übernehmen“, berichtet Braun. Er gehe davon aus, dass die Neckar AG den Unrat und das Treibgut, das sich auf dem Boden des Kraftwerkkanals angesammelt hat, beseitigen wird.