Der mehr als 500 Jahre alte Zehntstein ist zerbrochen. Foto: Dolde (z) - Dolde (z)

Eigentlich wollte Martin Dolde den letzten am Wangener Berg verbliebenen Zehntstein nur fotografieren. Er entdeckte dabei, dass das mehr als 500 Jahre alte Kleindenkmal beschädigt worden war und rettete ihn.

WangenZahlreiche Spaziergänger sind auf dem Wangener Berg schon an ihm vorbeigewandert, ohne ihn richtig zu würdigen: den in der Mauer integrierten Stein unweit der Krummen Steige. Wer genauer hinsah, konnte in den Stein gehauene Zeichen erkennen. „Wohl als einziger von vormals sieben hat dieser Markstein Jahrhunderte überlebt“, sagt Ortschronist Martin Dolde. Ein Kleinod, das vermutlich mehr als 500 Jahre den Umwälzungen getrotzt hat und sogar beim Bau der Gartenmauer nicht einfach entfernt, sondern verbaut wurde. Die Oberfläche ist zwar leicht verwittert und einige Stellen sind abgeplatzt, aber der Betrachter erkennt dennoch in der Mitte einen Abtsstab, rechts davon ein Kreuz und auf der anderen Seite einen Pfeil oder einen Haken. Es sind Symbole, die auf einen kirchlichen Hintergrund schließen lassen.

Pfarrer Gonser schrieb im Jahr 1931 bereits, dass er im Verbund mit den sechs weiteren Steinen wohl dazu diente, einen sogenannten Weinzehntbezirk abzugrenzen. „Dieser umfasste ungefähr 46 Morgen. Er lag grob beschrieben in einem Dreieck zwischen der Krummen Steige und der heutigen Jägerhaldenstraße“, so Dolde. Die Wengerter haben dort sowohl Rot- als auch Weißwein angebaut und den Wein dann in der Kelter ausgebaut. Ein Drittel des Weinzehnts erhielt damals die Stiftskirche in Stuttgart, zwei Drittel gingen an das Haus Württemberg. Im Württembergischen Lagerbuch aus dem Jahr 1574 wurde dieser Weinzehnt aus dem versteinerten Bezirk genau beschrieben. Das bedeutet: Der Zehntstein stammt also höchstwahrscheinlich mindestens aus dieser Zeit und hat damit mehr als fünf Jahrhunderte überlebt.

Weil er gerade etwas über den genauen Verlauf des Zehntbezirks für das kommende Heft „Aus Wangen“ recherchierte, wollte Dolde dieses Zeugnis aus dem 16. Jahrhundert vor wenigen Wochen nochmals anschauen. Er fand ihn auch an alter Stelle – allerdings war der Stein in der Mitte durchgebrochen. „Vermutlich war ein Baufahrzeug einer nahen Baustelle beim Rückwärtsfahren an ihn gestoßen und hatte ihn in der Mitte gespalten.“ Dolde sah Gefahr in Verzug. Kurzerhand sicherte der Ortschronist das lose am Wegrand hängende Oberteil der historischen Rarität, nahm die beschädigte Hälfte in seine Obhut, verwahrt sie vorläufig behutsam in seinem Keller und nahm gleichzeitig Kontakt mit den städtischen Denkmalschützern auf. „Die Denkmalschutzbehörde muss nun klären, wie es jetzt mit dem Fundstück weitergeht und wie es künftig vor Schäden geschützt werden kann. Schließlich ist der Zehntstein ein wichtiges und altes Dokument zur Geschichte unseres Stadtbezirks“, sagt Dolde.