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Leerlauf kennt der Wangener Großmarkt nicht. Rund um die Uhr herrscht in den Hallen und Gassen Betrieb. Das Frischezentrum versorgt rund zwölf Millionen Verbraucher im Südwesten.

WangenNachts, wenn die meisten Stuttgarter noch schlafen, herrscht auf dem Wangener Flaschenhals-Gelände zwischen der B 10, dem ehemaligen Schlachthof- und dem Viehwasen-Areal rege Betriebsamkeit. Der Stuttgarter Großmarkt hat rund um die Uhr geöffnet. „An 365 Tagen von 0 bis 24 Uhr. Nur an Heiligabend und an Silvester ist unsere Pforte für acht Stunden geschlossen“, sagt Hans Eisele, technischer Leiter und Prokurist der Märkte Stuttgart. Zwischen 4 und 8.30 Uhr geht’s in den Hallen und Gassen zu wie zur Rushhour auf der B 10. Mehrtonner mit ausländischen Kennzeichen verlassen das Gelände, Einzelhändler und Gastronomen rollen auf der anderen Seite durch die Pforte. Rund 4000 Kunden aus einem Umkreis von 300 Kilometer haben die Einfahr-Berechtigung. Ihnen stehen rund 225 Großhändler, Importeure, Gärtnereien und Blumenhändler sowie regionale Erzeuger von Gemüse und Obst gegenüber. Fritz Warth ist einer der lokalen Landwirte, der fast täglich seine Waren anbietet. Der Untertürkheimer hat kurz vor 3 Uhr seinen Stand mit Kisten in der Erzeuger-Markthalle aufgebaut: knackig-frische Zwetschgen, Mirabellen, Pfirsiche von Bäumen rund um den Württemberg sowie Tafeltrauben, die an den Stöcken im Neckartal gedeihen. Besitzer von Obst- und Gemüseläden und Gastronomen zählt Warth zu seinen Stammkunden. Sie schätzen Warths frische Produkte. Frischer vom Acker als bei den Erzeugern bekommen die Wiederverkäufer ihr Obst, Gemüse und auch die Pflanzen nicht.

Ganzjähriges Blumenmeer

Auch Harald Ege ist seit kurz vor 3 Uhr am Stand seiner Tochter Kathrin Nübel im 4000 Quadratmeter großen Blumengroßmarkt. Das Familienunternehmen baut in seiner Gärtnerei in Remseck Pflanzen an. Hunderte Töpfe mit Herbstastern lassen die Kunden zugreifen – ein Blumenmeer aus gelben, violetten, blass rosafarbenen, roten und weißen Blüten. „Zurzeit liegt gelb im Trend“, wundert sich der Seniorchef. Die Kunden kommen in Wellen in die Erzeugerhalle. „Als erstes jene, die von weit her nach Stuttgart fahren, wie der Blumenhändler aus Memmingen, der jeden zweiten Tag die rund zweistündige Hin- und genausolange Rückfahrt nach Bayern in Kauf nimmt“ , so Ege. Der Memminger schaut anschließend in der Blumengroßhandelshalle mit Schnittblumen vorbei. Annette Eppler von Vahldiek Blumengroßhandel steht inmitten von Hunderten von Rosen, sortiert nach Farben und Stängellänge: Rote, orangefarbene, gelbe, blütenweiße und purpurfarbene, melierte, gefüllte und stark duftende. „Rosen, Nelken, Chrysanthemen und andere Blumen bieten wir das gesamte Jahr an. Tulpen gibt es typischerweise im Frühjahr, Amaryllis kommen an Weihnachten“, erzählt Eppler. „Hier werden alle Blumenwünsche erfüllt und die Qualität stimmt“, bestätigt eine Floristin.

Während die ersten Händler kurz nach 6 Uhr ein Frühstück im Gastrostübchen einnehmen, werden 300 Meter weiter ofenfrische Brotwaren auf die Reise geschickt. Es duftet herrlich nach Teig, Gewürzen, Röstaromen – eben frischgebackenen Leckerbissen. Das Familienunternehmen Sirignano backt dort seit fast 25 Jahren italienische Brotspezialitäten: Ciabatta, italienische Landbrotlaibe so groß wie ein Wagenrad, Oliven-, Zwiebel-, Paprika-, Oregano- und andere Brote, Pizzen und Gebäck. „Pro Tag werden ein bis zwei Tonnen Mehl verarbeitet. Wir beliefern Gastronomen, Pizzerias, Feinkostgeschäfte und Einzelhändler im gesamten Südwesten. Ab 2 Uhr fahren unsere Lieferwagen in alle Richtungen“, sagt Juniorchef Raffaele Sirignano. Er nimmt die Kundenwünsche entgegen, überwacht die Kommissionierung der Lieferrouten und plant den Backumfang am kommenden Abend. Ab 17 Uhr werden Laibe geformt und in den Ofen geschoben.

Aus aller Welt an den Neckar

Dass sein Arbeitstag von 3 Uhr nachts bis in den späten Nachmittag dauert, ist auch für Thilo Staiger normal. Der Geschäftsführer der Familienfirma Staiger pflegt Kundenkontakte, empfiehlt frische Produkte und lauscht, was die Kunden wünschen. Er hat immer ein Ohr am Kunden, mit dem anderen Ohr ist er mit den Obst-, Gemüse- und Lebensmittelproduzenten in fast aller Welt verbunden. Schließlich muss er heute bestellen, was er in zwei oder drei Tagen in Wangen verkaufen will. Schließlich steht das Familienunternehmen seit mehr als drei Jahrzehnten für Frische und beste Qualität. „Gastronomen, Einzelhändler oder Kantinenleiter kommen noch vorbei und schauen sich die Ware aus. Doch mittlerweile macht unser Lieferservice 70 Prozent unseres Umsatzes aus“, erzählt Staiger.

Rita und Cornelia Beyer haben eine Gärtnerei mit Ladenverkauf in Ottmarsheim. „Das Obst und Gemüse, das wir nicht selbst produzieren, kaufen wir hier frisch ein“, sagt Rita Beyer. Auch Peter Degner will auf den persönlichen Kontakt am frühen Morgen nicht verzichten. „Das ist das A und O für unser Geschäft. Wir haben eine kleine Markthalle in Reutlingen. Auf dem Großmarkt bekomme ich frische Topware, kann verschiedene Händler ansteuern. Hier ist alles zentriert. Wenn es den Großmarkt nicht gäbe, müsste er erfunden werden.“