Praktische Arbeit statt am Schreibtisch: Social Day mit Angestellten von Daimler. Foto: Daimler AG - Daimler AG

3000 Unternehmen schicken Mitarbeiter an den Social Days in soziale Einrichtungen. Auch in den Neckarvororten waren sie im vergangenen Jahr aktiv.

UntertürkheimIn der Landeshauptstadt gibt es viele Arbeitsplätze, die kreative Menschen erfordern: Neue Produkte entwickeln, neue Herangehensweisen ausprobieren, neue Wege gestalten in Sachen Controlling oder Effizienz. Doch wie wäre es mal, ein brachliegendes Stück Wald urbar zu machen, mal Tablet und Mobiltelefon zu tauschen mit Schraubendreher und Säge?

Sogenannte Social Days machen das möglich: Mitarbeiter von Firmen tun sich zusammen, oder ganze Abteilungen beschließen, mal für einen Tag ihre übliche Tätigkeit sein zu lassen, um sich einem sozialen Projekt zu widmen. Es sind hier eben die Firmen selbst oder Mitarbeitergruppen daraus, die diesen Wunsch äußern nach einer mal ziemlich anderen Tätigkeit als sonst und die entsprechende soziale Einrichtungen suchen, die solche helfenden Hände gut gebrauchen können.

In Sachen Wald waren es etwa Angestellte des Stuttgarter Klett-Sprachen-Verlags, die sich um ein Grundstück beim Waldheim in Wangen gekümmert haben. Solche Tätigkeiten haben Tradition bei Klett, geholfen wurde in den Jahren davor in einem Flüchtlingsheim, in einer Kita oder auf einer Jugendfarm.

Um den Speisesaal der Behindertenwerkstätte Feuerbach haben sich Mitarbeiter vom Daimler-Werk Untertürkheim gekümmert. Mit einem Bauphysiker wurden Module entwickelt, damit die Akustik in der früheren Fabrikhalle angenehmer wird und das Innere nun wirklich zu einem Aufenthalt einlädt. 13 Daimler-Mitarbeiter haben gemeinsam mit 20 Beschäftigten der Werkstatt die Module angebracht. „Das war eine bereichernde Begegnung“, freuten sich Werkstätten-Leiter Jan Pinker und Daimler-Mitarbeiter Dietmar Fauth über die Aktion im November dieses Jahres.

18 andere Mitarbeiter vom Daimler-Motorenwerk haben einen Arbeitstag in Neugereut im Sturmvogelweg verbracht. Dort haben sie einen Spielplatz bei einer Flüchtlingsunterkunft auf- und ausgebaut. Da waren die Social-Day-Mitarbeiter, da haben Unterstützerkreise vor Ort den Bauplan entwickelt oder Sponsoren gesucht und gefunden, auch der Bezirksbeirat hat das finanziell unterstützt.

Das sind Beispiele tatkräftiger Hilfe, das ist aber auch mehr: „Es ist ein Perspektivenwechsel. Mitarbeiter lernen sich dadurch mal von einer ganz anderen Seite aus kennen. Das stärkt den Zusammenhalt eines Teams innerhalb einer Firma“, sagt Kathrin Vogelbacher. Sie ist Geschäftsführerin des Büros Mehrwert, dessen Gesellschafterin unter anderem die Diakonie Württemberg ist. Hier werden solche Projekte entwickelt, aufgebaut und betreut.

Vieles gehört dazu, was solch einen Tag, einen Social Day, zu einem ganz besonderen Tag macht. Das ist viel mehr, als dass Anzug und Kostüm mal im Schrank bleiben. Vogelbacher: „Es ist die körperliche Tätigkeit, häufig im Freien, das gemeinsame Anpacken bei mal ganz anders gelagerten Aufgaben, das Zusammenkommen mit anderen Menschen aus anderen sozialen Realitäten. Die Kollegen, die Vorgesetzten und sich selbst erlebt man da mal in einem ganz anderen Zusammenhang. Und wenn dann am Ende des Tages etwas Konkretes rauskommt, sei es ein neuer Spielplatz, ein neu gestalteter Raum, dann ist das ein Erfolgserlebnis, ein Mehrwert für alle. Hier wurde etwas Sichtbares, etwas Bleibendes geschaffen. Im Arbeitsalltag ist das häufig nicht so.“

Derartige Social Days sind also mehr als der bloße Abgleich von Hilfsbedürftigkeit und Hilfsangebot. „Wir sehen uns da bei Mehrwert vor allem als Erwartungsmanager“, so Vogelbacher. Das heißt: Bevor so ein Projekt konkret startet, geht es erst mal um die Zielsetzung, um Erwartungshaltungen auf beiden Seiten. „Wir schauen im Vorfeld, welche Schwerpunkte in den Teams ein Anliegen sind“, so Vogelbacher. Da werden auch Grenzen abgesteckt: „Wir bieten hier keine Handwerker an, die im großen Stil sanieren können, sondern höchstens Heimwerker“, macht Vogelbacher klar. „Wenn nötig, sorgen wir natürlich für die erforderliche praktische Hilfe mit Profis von außen“, ergänzt sie. Was die Vorbereitungsphase auch klarmachen soll: „Es geht hier nicht darum, Mitarbeiter einzuschätzen, um sie gegebenenfalls auszusortieren, also um ein sogenanntes Assessment“, so Vogelbacher. Denkbar seien eher Social Days als eine „Onboarding-Maßnahme“, also als eine gute Eingliederungsmöglichkeit für neu hinzugekommene Kollegen.

Meist sind es zwischen 15 und 100 bis 120 Personen, die als Team auftreten. Auch so kommt einiges an Wertarbeit zusammen. Auf mehr als 15 000 gespendete Arbeitsstunden im Rahmen von Social Days kommt Vogelbacher, denn die Gehaltszahlungen laufen ja wie gewohnt weiter. Und je nachdem kommen noch Sachleistungen hinzu.

Für die Mehrwert GmbH, die 2020 ihr 20-Jahr-Jubiläum feiert, ist das die beste Bestätigung. Mit mehr als 1000 sozialen Einrichtungen aus allen Bereichen gemeinnütziger Hilfen arbeitet Mehrwert zusammen. Und zu den Kontakten zählen etwa 3000 Unternehmen. Tendenz in beiden Bereichen: steigend.