Salafisten werben nach Auskunft des Geheimdienstes deutschlandweit immer mehr Flüchtlinge an. Foto: Archivbild dpa - Archivbild dpa

Sie stellen den heiligen Koran über alle weltlichen Gesetze: Die Salafisten sind eine islamistische und schnell wachsende Strömung, die sich streng an der Frühzeit des Islam orientiert. In Baden-Württemberg steigt die Zahl ihrer Anhänger.

Stuttgart (dpa/lsw) Der Verfassungsschutz zählt immer mehr Salafisten in Baden-Württemberg. Der Islamismus-Fachmann des Landesamtes in Stuttgart, Herbert Landolin Müller, sagte der Deutschen Presse-Agentur, man gehe davon aus, dass die Zahl der Salafisten von 750 im Jahr 2017 auf derzeit rund 950 zugenommen habe. «Die Zahlen steigen in erster Linie, weil wir immer mehr Hinweise aus der Bevölkerung erhalten und so das Dunkelfeld aufhellen.» Die Experten seien dabei, alle Informationen über diese Menschen zu sammeln und zu bewerten. Der Verfassungsschutz beobachte die große Zahl von Asylbewerbern, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, mit Sorge.

Die Salafisten-Szene in Deutschland ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gewachsen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom April bekennen sich bundesweit rund 11 000 Menschen zu dieser ultrakonservativen islamischen Strömung. Das sind doppelt so viele Salafisten wie im Jahr 2013. Damals hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz diesem Spektrum etwa 5500 Menschen zugerechnet. Nach Angaben aus Nordrhein-Westfalen leben derzeit etwa 3000 der bundesweit rund 11 000 Salafisten in NRW. Im Bundesland Bremen - einer Islamistenhochburg - ist die Zahl der Salafisten im vergangenen Jahr auf rund 500 gestiegen. 2016 zählte die Szene, aus der auch Terrorkämpfer rekrutiert werden, noch rund 380 Personen. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes liegt die Zahl der Salafisten in Niedersachsen bei 880.

Mittelalterliche Regeln

Salafisten wollen Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach mittelalterlichen Regeln umgestalten. Sie sehen sich als Verfechter eines unverfälschten Islams, lehnen Reformen ab und verfolgen die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates.

Der islamistische Terror bleibt nach Überzeugung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine große Bedrohung. «Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, freilich hat fast jeder islamistische Terrorist einen salafistischen Hintergrund. Die Gefahr von islamistischen Gewalttaten - auch bei uns im Land - ist nach wie vor sehr hoch.» Die Behörden täten alles, was der Sicherheit der Menschen im Land diene. «Deshalb haben wir 2017 das Landesverfassungsschutzgesetz geändert. Damit haben wir dem Landesamt für Verfassungsschutz im Bereich der Terrorismusbekämpfung mehr Möglichkeiten an die Hand gegeben.»

Der Verfassungsschutz geht laut Müller jedem Hinweis nach, auch jenen, die von ausländischen Nachrichtendiensten kommen. Die Experten versuchen, jede noch so kleine Informationen mit Fleisch anzureichern. «Wir klopfen dann alle Zugänge ab. Die Vorstellung, dass man etwas liegen lässt und es passiert was, wäre nicht vermittelbar». Müller machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Möglichkeiten des Verfassungsschutzes manchmal auch begrenzt seien. «Es gibt eine Grenze der Durchdringungstiefe. Das ist eine Art Damoklesschwert, das über uns schwebt.»

Ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Deutschland seien die Rückkehrer aus den von der Terrormiliz IS kontrollierten Gebieten in Syrien oder im Irak, sagte Müller. Rund 50 Dschihadisten aus Baden-Württemberg seien in Richtung Krisengebiet ausgereist, ein Dutzend dürfte bei Kampfhandlungen oder Selbstmordattentaten umgekommen sein. «Rund ein Drittel kam wieder zurück, hat aber Baden-Württemberg teilweise wieder verlassen», sagte Müller.

Zuletzt hatten die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg auch von immer mehr Gefährdern gesprochen. Von rund 60 noch im vergangenen Jahr sind es nunmehr nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur fast 100. Gefährder sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden einen Anschlag grundsätzlich zutrauen.

Ein auch als Konsequenz auf die Pannen im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri in Baden-Württemberg gegründeter Sonderstab des Innenministeriums hat mittlerweile etliche ausländische Straftäter und Gefährder des Landes verwiesen. Im Jahr 2018 wurden nach Auskunft des Innenministeriums bislang allein sieben Gefährder abgeschoben. Amri, der sich unter verschiedenen Identitäten als Asylbewerber in mehreren Bundesländern aufhielt, war den Behörden als sogenannter Gefährder schon länger bekannt. Dennoch wurde er nicht festgesetzt oder abgeschoben.

Unter den abgeschobenen Gefährdern war folgender Fall: Ein Afghane wurde zunächst als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling geführt. Er ist laut dem von der afghanischen Vertretung ausgestellten Passersatzpapier am 1. Januar 2000 geboren und somit seit dem 1. Januar 2018 volljährig. Er wurde vom Landeskriminalamt in Stuttgart als Gefährder eingestuft. In der Folge wurde er in Abschiebehaft genommen und Ende Januar nach Afghanistan abgeschoben. Der Mann hatte drei Frauen mit dem Tode bedroht und nachweislich mit dem weltweiten Dschihad sympathisiert. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er für einen islamistischen Anschlag angeworben wird.