Stuttgart (lsw) - Das Interesse von medizinischen Fachkräften aus dem Ausland an einer Tätigkeit im Südwesten steigt rasant. Das Land hat mehr Stellen geschaffen, um die Anerkennung für Ärzte und Pfleger mit ausländischer Berufsqualifikation zu beschleunigen. „Die Fachkräfte werden dringend gebraucht, und wir wollen mit mehr Personal für eine Entspannung auf dem schwierigen Arbeitsmarkt für Ärzte und Pfleger sorgen“, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne).

Baden-Württemberg sei das attraktivste Bundesland für Pfleger, weil das Lohnniveau um sechs Prozent höher sei als im Bundesschnitt, so Lucha. Im Jahr 2012 beantragten 300 Ärzte eine Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse, im Jahr 2016 waren es schon 1300. Bei den Krankenpflegern ist die Nachfrage noch höher: Die Zahl der Anträge verzehnfachte sich von 300 im Jahr 2012 auf 3000 im Jahr 2016. Und 2017 blieben die Werte auf diesem Niveau. Die Zahl der erteilten Approbationen, also der staatlichen Zulassungen für Ärzte, lag Ende November 2017 bei 810; 1408 Pfleger erhielten ihre Berufsurkunden. Die Ärzte müssen sich vor der Approbation nachqualifizieren, wenn ihre Ausbildung nicht gleichwertig mit der hiesigen ist. Ihre deutschen Sprachkenntnisse müssen so gut sein, dass sie sowohl im Gespräch mit dem Patienten, wie auch in der Fall-Dokumentation und im Austausch mit Kollegen bestehen können. Pfleger können bei Nachschulungsbedarf eine Prüfung ablegen oder sich parallel zu ihrem praktischen Einsatz nachqualifizieren.

Zu wenige Studienkapazitäten?

Für die Anerkennung zuständig ist das Regierungspräsidium Stuttgart. Bis Oktober vergangenen Jahres waren Mitarbeiter auf 7,5 Stellen mit dem Thema befasst. Das Land stockt das Personal um acht neue und 2,2 Stellen aus dem Sozialministerium auf. „Wir geben jetzt Gas, damit die Personallücken in den Krankenhäusern schneller geschlossen werden können“, sagt Lucha. Allerdings sind noch immer zwei Stellen in der Anerkennungsbehörde unbesetzt.

Aus Sicht der Landesärztekammer ist der Zuzug ausländischer Ärzte nur ein Instrument, Lücken zu schließen. „Vorrangig müssen wir aber die hier ausgebildeten Ärzte halten und die Studienkapazitäten ausbauen“, betont Kammersprecher Oliver Erens. 4456 ausländische berufstätige Ärzte zählte die Kammer Ende 2016 - das entspricht gut neun Prozent aller Ärzte im Land. Die größte Gruppe stellen die Rumänen, gefolgt von den Griechen. Im gemessen an der Bettenzahl größten Krankenhaus im Südwesten, dem Stuttgarter Klinikum, haben elf Prozent der Ärzte eine ausländische Staatsbürgerschaft; im Pflegedienst sind es zwölf Prozent. Aktuell sind 57 Arztstellen unbesetzt, fünf im Pflegedienst. Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hält das Personal-Plus im Regierungspräsidium für dringend notwendig. „Jetzt muss abgewartet werden, ob das reicht“, sagt die Verbandssprecherin Annette Baumer. Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen beklagten, dass die Anerkennungsverfahren zu lange dauern.

Prozesse verkürzen

„Mancher Arzt ist bereits in ein anderes Bundesland abgewandert, weil es da schneller ging“, weiß Baumer. Dabei fällt es nach einer BWKG-Umfrage 64 Prozent der Krankenhäuser schwer, ihre Arzt-Stellen zu besetzen; im Bereich der Pflege sind es sogar 70 Prozent. „Ohne die ausländischen Fachkräfte wäre die Situation noch schwieriger“, sagt Baumer. „Aber den Personalmangel werden sie nicht ausgleichen können.“

Das IQ Netzwerk zur Integration internationaler Fachkräfte hofft auf mehr Tempo. Ziel sei, die bisher bis zu acht Monate dauernden Prozesse auf die gesetzlich vorgegebenen drei Monate zu verkürzen, sagt Anerkennungsberaterin Maryam Shariat aus Mannheim. Das entlaste die Kliniken, weil sie Stellen früher besetzen könnten. Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) verlangt eine raschere Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Die Mitglieder könnten nicht sechs Monate oder länger darauf warten, dass die Behörde den Eingang von Dokumenten bestätigt oder neue Nachweise fordert. Bpa-Landeschef Rainer Wiesner: „Das muss schneller gehen.“ Die Gesundheitsberufe bilden nach Angaben des Statistischen Landesamtes mit 2232 abgeschlossenen Anerkennungsverfahren 2016 die größte Gruppe. Stark vertreten sind auch Sozialarbeiter und Erzieher mit 1069 und Ingenieure mit 450 abgeschlossenen Verfahren. Die Gesamtzahl der Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen liegt bei 4800.

Rumänen stellen größte ausländische Ärztegruppe

4465 Menschen waren Ende 2016 im Südwesten ohne deutschen Pass als Ärzte tätig. Besonders viele von ihnen kamen aus Rumänien - genau 663, wie eine Statistik der Landesärztekammer zeigt. Aus Griechenland stammten 371 Mediziner, aus Österreich 292. Weitere große Gruppen sind Ungarn, Russen sowie Bewohner der früheren Sowjetunion, Italiener und Bulgaren. Syrien ist Herkunftsland von 134 Ärzten.

In Kliniken arbeiteten laut der Erhebung die meisten Mediziner ohne deutschen Pass - präzise 3569. Der Rest teilt sich fast hälftig auf Niederlassung und auf sonstige ärztliche Tätigkeiten auf.