Klare Regeln sollen Missbrauch bei der Schwimmausbildung verhindern. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Julia Giertz

Stuttgart/Baden-Baden - Ein Schwimmlehrer ist für Kinder eine Art Vertrauensperson. Er soll ihnen die Angst vorm Wasser nehmen, damit sie sich darin sicher bewegen können. Ein 33 Jahre alter Mann aus Baden-Baden soll diese Position schamlos ausgenutzt und fünfjährige Mädchen schwer sexuell missbraucht und seine Taten mit einer Unterwasserkamera aufgenommen haben. Viele Eltern in sechs baden-württembergischen Orten, wo der Mann wirkte, werden sich nun mit mulmigem Gefühl fragen, ob auch ihre Kinder beim Schwimmunterricht sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren.

Die Polizei prüft nun, ob es weitere Verdachtsfälle gibt. Auf ein Schreiben des Polizeipräsidiums Offenburg an alle Schwimmschüler des Mannes hin hätten sich acht Eltern gemeldet, berichtet Staatsanwalt Michael Klose gestern. Diese Zahl stamme vom Montag und könne sich inzwischen erhöht haben. Bislang lägen zwei Anzeigen und vier Videobeweise vor, so der Staatsanwalt. „Pädophile nutzen oft jede Gelegenheit, um ihren Trieb auszuleben. Das könnte auch in diesem Fall so sein, so dass die Anzahl der Taten sich möglicherweise stark vergrößert.“

Der nicht vorbestrafte Beschuldigte hüllt sich laut Polizei in Schweigen und wurde in Untersuchungshaft genommen. Er hatte in den vergangenen Jahren mehreren Hundert Kindern das Schwimmen beigebracht. Die Beamten stellen sich darauf ein, dass die Ermittlungen mehrere Monate dauern werden. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, stellt klar: Den Kindern müsse im Unterricht Hilfestellung gewährt werden. Dabei müssten auch Beine und Bauch zwangsläufig berührt werden - allerdings alles ohne sexuelle Absicht.

Rörig setzt auf Transparenz und klare Regeln. So müsse das Vier-Augenprinzip gelten: „Der Lehrer darf nie allein und unbeobachtet mit dem Kind im Wasser und in der Umkleidekabine sein.“ Er findet es gut, wenn die Eltern beim Unterricht in der Halle bleiben oder zumindest aus dem Außenbereich das Geschehen beobachten können. Zu Beginn eines jeden Schwimmkurses sollte in Gegenwart von Kindern und Eltern über die Einhaltung der Grenzen von Körperkontakt in altersgerechter Art und Weise gesprochen werden, sagt Rörig.

„Den Kindern muss klar gemacht werden, dass sie schreien oder heulen dürfen, wenn ihre Geschlechtsteile angefasst werden und dass sie äußern, wenn sie sich in Gegenwart des Schwimmlehrers unwohl fühlen.“ Der Beauftragte rät Eltern, genau auf das Verhalten ihrer Kinder zu achten. „Wenn die Kinder den Schwimmunterricht verweigern, sollten bei den Eltern alle Alarmglocken klingeln.“

Die Leiterin der Bäderbetriebe in Bad Herrenalb, Karina Herrmann, weiß um die Problematik. Einerseits müssten Schwimmlehrer die Haltung der Kinder korrigieren, andererseits liefen sie immer Gefahr, angezeigt zu werden. „Das Beibringen geht halt nicht nur über Kommunikation oder Bilder.“ Schwimmmeistern sei aber strikt verboten, die Umkleidekabinen zu betreten. Gutes Personal sei rar, gibt Herrmann zu bedenken. Der beschuldigte Schwimmlehrer soll als Selbstständiger sein Unwesen in mehreren Schwimmschulen in sechs Ortschaften getrieben haben.

Katharina Vorwald-Karle von Wildwasser rät, die in Jugendhilfeeinrichtungen gängige Praxis, von Mitarbeitern ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen, auf Vereine und andere Häuser der Jugendarbeit auszudehnen. Der Schwimmlehrerverband arbeitet mit dem Instrument des Führungszeugnisses und räumt schockiert ein: Trotz aller Maßnahmen gebe es keine 100-prozentige Sicherheit, das zeige der aktuelle Fall.