Die Wehrpflicht in Deutschland war zum 1. Juli 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden, weil die Bundesregierung keine sicherheitspolitische und militärische Begründung mehr dafür sah. Foto: Marcel Kusch Foto: DPA - Marcel Kusch

Ein Jahr helfen, dienen, pflegen - das wünschen sich Teile der CDU für die Schulabgänger in Deutschland. Doch kann man sie dazu verpflichten?

Stuttgart (lsw) Der Wunsch nach einer allgemeinen Dienstpflicht fällt bei der CDU Baden-Württemberg auf fruchtbaren Boden. CDU-Generalesekretär Manuel Hagel sah sich mit seiner Forderung danach bestätigt. «Ich habe mich ja im Frühjahr bereits für eine allgemeine Dienstpflicht ausgesprochen. Hierin sehe ich eine große Chance, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu stärken«, betonte er am Montag. Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) schloss sich dem Plädoyer an.

Hingegen kritisierten Sozialminister Manne Lucha (Grüne), die Grünen-Landeschefs und die FDP den Vorstoß. «Wichtiger ist es, dass wir die Freiwilligendienste so attraktiv gestalten, dass wir viele junge Menschen damit erreichen», sagte Lucha. Ein freiwilliges soziales Jahr sei für jeden jungen Erwachsenen eine wertvolle, prägende Erfahrung. Ein zusätzlicher Anreiz könnten Vorteile bei der Zulassung zum Studium sein.

CDU-Landeschef Strobl sieht mit einer Dienstpflicht auch Chancen für die Bundeswehr, Personalprobleme zu lösen. Aber dies sei nicht das einzige Motiv. «Wenn junge Menschen zwölf Monate für die Gemeinschaft investieren, bei der Bundeswehr, im sozialen, im ökologischen, im kulturellen Bereich, egal ob international oder bei uns zu Hause, hilft das unserer Gemeinschaft und auch vielen Menschen auf der Welt.» Vor allem bringe es die jungen Leute in ihrer persönlichen Entwicklung weiter, sagte der CDU-Bundesvize.

Die Diskussion war aufgekommen, nachdem CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer aus Gesprächsrunden mit der Parteibasis das Bedauern über das Ende der Wehrpflicht und den Wunsch nach einer ersatzweisen Dienstpflicht mitgebracht hatte. Die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht steht für die Bundesregierung aber nicht zur Debatte.

Nach Ansicht von CDU-Mann Hagel sind noch einige Fragen zu beantworten. «So darf es nicht dazu kommen, dass es etwa im sozialen Bereich zu Konkurrenz- und Verdrängungseffekten kommt», sagte der Landtagsabgeordnete.

In Baden-Württemberg leisteten im Juli dieses Jahres 5400 Menschen im Bundesfreiwilligendienst ehrenamtliche Arbeit, zum Großteil Männer und Frauen unter 27 Jahren. Daneben gibt es zahlreiche Angebote für das freiwillige ökologische und das freiwillige soziale Jahr. Das Bundesfamilienministerium begrüßt die Debatte für mehr Solidarität in der Gesellschaft, verweist aber auf rechtliche Hürden für ein Pflichtjahr.

Im Artikel 12 des Grundgesetzes ist die freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl verankert. Zwangsarbeit ist verboten, es sei denn, sie ist an eine Gefängnisstrafe geknüpft.

FDP-Landeschef Michael Theurer hält hingegen nichts von einer allgemeinen Dienstpflicht. «Das ist doch ein zu weitgehender Eingriff in die individuelle Freiheit.» Dieser sei nur durch die Abwehr eines Staatsnotstandes - wie die Landesverteidigung - gerechtfertigt. Offen sei er aber für den Grundgedanken, junge Leute an soziale Aufgaben heranzuführen. Damit nach der Schule kein Lebensjahr verloren gehe, sollten verpflichtende niederschwellige Sozialpraktika wie in Kanada in die Schulzeit integriert werden.

Ähnlich argumentierten die Landeschefs der Grünen, Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Zwangsdienste seien ein gesellschaftspolitischer Rückschritt. Es gelte, den Freiwilligendienst auszubauen und attraktiver zu gestalten. Der CDU-Vizefraktionschef Winfried Mack betonte: «Dafür sind die Länder zuständig. Die Kosten hierfür sollten wir nicht scheuen, denn das ist wertvollste Bürgerarbeit.»

Eine Dienstpflicht könnte nach Einschätzung des Landesfeuerwehrverbandes unter bestimmten Bedingungen Personalengpässe abfedern. Sie müsse aber an die ehrenamtlichen Strukturen der deutschen Feuerwehr angepasst werden. Früher hätten sich junge Männer, die nicht zur Bundeswehr wollten, zu einem Ersatzdienst bei der Feuerwehr verpflichtet. Zuletzt dauerte dieser mindestens sechs Jahre. «Schon auf Grund der langen Ausbildungszeiten und der hohen Kosten für die Träger der Feuerwehren sind nur auf längere Zeit ausgelegte Dienstzeiten sinnvoll», betonte der Verband.