Foto: dpa - dpa

Ohne Prügelszenen von Stuttgart-21-Demos würde es das Amt eines Bürgerbeauftragten in Baden-Württemberg wohl nicht geben. Damals wurde der Ruf nach einer neutralen Beschwerdestelle laut. Seit gut einem Jahr gibt es sie - und viele Bürger nutzen diese Möglichkeit.

Stuttgart (dpa)Das neue Amt eines Bürgerbeauftragten wird in Baden-Württemberg offenbar gut angenommen. Bereits im ersten Jahr seiner Tätigkeit hat der unabhängige Ombudsmann Volker Schindler nach eigenen Angaben mehr als 300 Beschwerden und andere Anliegen auf den Tisch bekommen. Davon hätten mittlerweile fast 90 Prozent als «erledigt» zu den Akten gelegt werden können, sagte Schindler am Dienstag in Biberach an der Riß. Die Anliegen seien nicht immer, aber überwiegend, zur Zufriedenheit der Betroffenen bearbeitet worden.

Im oberschwäbischen Biberach stand der 63 Jahre alte ehemalige Vizepolizeipräsident von Aalen am Dienstag erstmals außerhalb der Landeshauptstadt für vertrauliche persönliche Gespräche zur Verfügung. Solche Sprechstunden will der Ende 2016 vom Landtag gewählte Beauftragte künftig auch in anderen Orten Baden-Württembergs anbieten. Bürgern soll ermöglicht werden, sich in ihrer unmittelbaren Heimatregion persönlich an den Ombudsmann wenden zu können.

Schindler zufolge ging es bei den meisten bisherigen Beschwerden um Probleme mit dem Baurecht, mit Sozialämtern und der Polizei. Staatliche Stellen hätten auf berechtigte Klagen reagiert, die er im Namen Betroffener an sie herangetragen habe. Das betraf unter anderem arbeitsrechtliche Streitfragen. So habe einer pensionierten Frau geholfen werden können, deren Arbeitgeber ihren berechtigten Anspruch auf 40 nicht abgegoltene Urlaubstage nicht anerkennen wollte.

Bürger beklagten sich unter anderem auch über Bußen für falsches Parken, die sie als nicht korrekt beanstandeten. Und es gab Beschwerden über die Videoüberwachung von Demonstrationen. In acht Fällen wandten sich Polizisten an Schindler. Er ist auch Ombudsmann für den Polizeiapparat und damit neutraler Ansprechpartner für Polizeibeamte, die sich zum Beispiel über Dienstabläufe oder Vorgesetzte beklagen wollen.

Auf das Amt eines Bürgerbeauftragten hatte sich 2016 die damalige grün-rote Regierung verständigt. Hintergrund war das gewalttätige Vorgehen von Polizisten bei Stuttgart-21-Demonstrationen. Die Grünen hatten daraufhin einen Polizeibeauftragten gefordert, was die SPD jedoch nicht wollte. Als Kompromiss einigte man sich auf einen Bürgerbeauftragten, zu dessen Aufgaben auch die Behandlung von Beschwerden über die Polizei und innerhalb des Polizeidienstes gehört. Die CDU stimmte im Landtag dagegen.

Schindler trat sein Amt am 1. Februar 2017 an. Seinen ersten offiziellen Jahresbericht soll er dem Landtag Anfang April vorlegen.

Gesetz zum Bürgerbeauftragten

Baden-Württembergs Bürgerbeauftragter ist seit dem 1. Februar 2017 im Amt. Er hat die Aufgabe, die Stellung der Bürger «im Verkehr mit den Behörden des Landes zu stärken». Das Gesetz dazu hatte der Landtag am 17. Februar 2016 beschlossen. Jeder hat das Recht, sich «schriftlich, elektronisch oder mündlich» direkt an den Bürgerbeauftragten zu wenden. Er soll auf eine «einvernehmliche Erledigung der Angelegenheiten» hinwirken. Dafür kann er Landesregierung und Behörden um Auskünfte und Akteneinsicht ersuchen. Sie sind zur Amtshilfe verpflichtet.

Zur Landespolizei heißt es, der Bürgerbeauftragte solle darauf hinwirken, «dass begründeten Beschwerden abgeholfen wird». Zuständig ist er auch für Beschwerden aus dem innerpolizeilichen Bereich, etwa wenn sich Polizisten über Vorgesetzte beklagen.