In der Notaufnahme des Krankenhaus Bad Cannstatt werden im Jahr bis zu 22 000 Patienten behandelt. Foto: Janey Schumacher - Janey Schumacher

Rund um die Uhr kümmern sich die Ärzte und Pflegekräfte der Notaufnahme um die Patienten. Stress pur und ein wahrer Knochenjob.

Bad CannstattEin schwer verletzter Mann wird in die Notaufnahme eingeliefert, ein Fahrradunfall: ein gebrochenes Bein, etliche Schürfwunden, er blutet aus Mund und Nase. Jetzt muss es schnell gehen. Der Patient kommt in den sogenannten Schockraum. Hier kümmern sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Chirurgen, Internisten und Orthopäden, um den Verletzten. Wie müssen die Knochenbrüche behandelt werden? Gibt es innere Verletzungen? Welche Organe sind betroffen? Ist der Mann bei vollem Bewusstsein? Wurde die Wirbelsäule beschädigt? Fragen wie diese werden geklärt, die Behandlung wird abgestimmt.

Behandlung nach Dringlichkeit

Patienten, die nicht von den Rettungssanitätern eingeliefert werden, melden sich an einem Schalter an, geben dort ihre Daten an. Anschließend geht es in den sogenannten Triage-Raum. „Hier erfolgt die Ersteinschätzung“, sagt Sabine Praschel, stellvertretende Leiterin der Pflege im Krankenhaus Bad Cannstatt (KBC). Es wird entschieden, ob sofort behandelt werden muss, weil zum Beispiel Lebensgefahr besteht oder jemand unter starken Schmerzen leidet. Außerdem wird abgeklärt, wie viele Untersuchungen notwendig sind oder ob – etwa nach einem Wespenstich – ein allergischer Schock droht. „Wir behandeln unsere Patienten nach Dringlichkeit und Schwere der Erkrankung, unabhängig davon, wann sie in der Notaufnahme eintreffen“, sagt Stefan Kühner, ärztlicher Leiter der Notaufnahme im Krankenhaus Bad Cannstatt. Akute Notfälle haben immer Vorrang. Personen mit weniger schwerwiegenden Leiden müssen gegebenenfalls warten. Kühner ist es wichtig, jeden, der in der Notaufnahme Hilfe sucht ernst zu nehmen. „Alle, die zu uns kommen, sind in Not.“ Unabhängig davon, ob jemand bei einem Unfall verletzt wurde, unter Magenschmerzen leidet oder sich in den Finger geschnitten hat. In Not zu sein bedeute nicht zwingend, schwer verletzt zu sein, ist Kühner überzeugt und erzählt von einer Frau, die eines Abends gegen 22 Uhr die Notaufnahme aufsuchte. Sie war stark erkältet – eigentlich ein typischer Fall für den Hausarzt. „Ich habe sie gefragt, warum sie damit hierher kommt“, sagt Kühner. Es stellte sich heraus, dass die Frau lange Zeit arbeitslos war, endlich einen Job gefunden hatte und diesen nicht wegen der Erkrankung verlieren wollte. „Sie hat sich nicht getraut, tagsüber zum Arzt zu gehen“, sagt Kühner.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen das Krankheitsbild weniger offensichtlich ist. Manche Patienten kommen mit der Diagnose allgemeines Unwohlsein in die Notaufnahme. Was der Begriff in seiner Schwammigkeit andeutet, wird zur Herausforderung für Ärzte und Pflegekräfte. Den betroffenen Patienten geht es meist sehr schlecht, unklar ist warum. „Die Ursachen sind unter Umständen größere Erkrankungen“, sagt Kühner. Es kommt vor, dass sich das allgemeine Unwohlsein in kurzer Zeit zur lebensbedrohlichen Diagnose entwickelt. Wenn zum Beispiel hinter Magenschmerzen Organversagen oder hinter starkem Bluthochdruck und Schwindelgefühlen ein Hirntumor steckt.

50 bis 60 Patienten in 24 Stunden

Jeder, der schon einmal im Wartezimmer einer Notaufnahme saß, kann sich vorstellen, wie stressig der Job für Ärzte und Pflegekräfte sein muss. Es gibt Zeiten, da kommen im Zehn-Minuten-Takt Neuzugänge, ob zur Fuß oder via Krankentransport; manche schwer verletzt, manche weniger schwer, andere stehen unter Schock. Feste Stoßzeiten gebe es nicht, sagt Praschel „Wenn die Hausarztpraxen abends schließen, macht sich das aber bemerkbar.“ Um die Patienten versorgen zu können, arbeiten die Ärzte und Pflegekräfte im Schichtsystem. Frühdienst, Zwischendienst und Spätdienst dauern 7,8 Stunden – im Nachtdienst sind es zehn Stunden. Pro Schicht werden zwei bis drei Mitarbeiter aus der Pflege und zwei bis drei Ärzte eingesetzt. Je nach Bedarf können die diensthabenden Ärzte aller Abteilungen hinzugezogen werden. Innerhalb von 24 Stunden werden im Durchschnitt zwischen 50 und 60 Patienten versorgt – im Jahr sind es bis zu 22 000 Patienten in der Notaufnahme des KBC.

Manche der Patienten kommen von weit her, legen unter Umständen eine Strecke von mehreren hundert Kilometern zurück. Denn das Krankenhaus hat zum Beispiel eine Abteilung für Adipositas. Deshalb gibt es spezielle Liegen sowie ein Gerät für die Computertomografie, die für Menschen mit mehr als 250 Kilogramm Körpergewicht ausgelegt sind. Und die können auch bei den Patienten in der Notaufnahme eingesetzt werden.

Um die Notfallversorgung auszubauen, wird derzeit im KBC – das zum Klinikum Stuttgart gehört – umstrukturiert und Personal aufgestockt. „Die Notfallversorgung wird zur eigenen Abteilung. Es gibt künftig einen Experten für Notfallmedizin und nicht sehr viele unterschiedliche Experten, die für den Notfall vorgehalten werden sollen und im entscheidenden Moment vielleicht nicht verfügbar sind“, sagt Kühner. Eine Fachabteilung für die Notfallmedizin gibt es bereits am Standort Mitte. Dadurch sei das Klinikum Stuttgart bundesweit Vorbild für die künftige Notfallversorgung in Deutschland, sagt er. Durch die Veränderungen sollen deutlich mehr Patienten pro Jahr in der Notaufnahme behandelt werden können.