In der Brunnenstraße gilt bald auch Tempo 40. Damit will das Land verhindern, dass Autofahrer statt über die Pragstraße durch die Neckarvorstadt fahren. Foto: Sebastian Steegmüller - Sebastian Steegmüller

Regierungspräsidium will mit der Maßnahme Verkehrsverlagerungen in die Brunnenstraße verhindern,

Bad Cannstatt Ende 2012 wurde in der Hohenheimer Straße Tempo 40 eingeführt. Ein Pilotversuch, um den Stickoxidausstoß zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Zahlreiche weitere, stark belastete Stecken, hauptsächlich Steigungen, folgten bereits. Die Maßnahmen waren jedoch nicht ausreichend, noch immer wird an einigen Stellen im Stadtgebiet der Grenzwert überschritten.

Daher hat das Land Baden-Württemberg in der vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans festgesetzt, dass ab dem 1. Januar 2020 unter anderem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen Vorbehaltsstraßen im Talkessel und auf weiteren, stark belasteten Straßen von 50 auf 40 Kilometer pro Stunde reduziert wird. Die Stadt Stuttgart ist vom Land angewiesen worden, die Maßnahme sukzessive umzusetzen. 650 Schilder an 400 Standorten

Dementsprechend wird die Verwaltung ab Mitte Februar damit beginnen, Tempo-40-Schilder an den im Luftreinhalteplan genannten Straßen aufzustellen. Auch Autofahrer, die in oder rund um Bad Cannstatt unterwegs sind, sollten ein Auge auf neue Verkehrsschilder – insgesamt werden 650 an 400 Standorten installiert – legen und entsprechend den Fuß vom Gas nehmen. Unter anderem wird Tempo 40 in der Neckarvorstadt eingeführt: auf der Brückenstraße zwischen der Neckartalstraße und der Haldenstraße. Nur einen Steinwurf davon entfernt, in der Pragstraße, wird ebenfalls die zulässige Höchstgeschwindigkeit bis zum Löwentor reduziert. Gleiches gilt unterhalb des Schnarrenbergs, allerdings nicht auf der Cannstatter Seite, sondern in der Zuffenhausener Schozacher Straße zwischen der Tapachstraße und der Haldenrainstraße. Maßnahme bis Ende Mai abgeschlossen

Einen festen Einführungstermin kann die Stadt noch nicht nennen, die „Umsetzung der Maßnahme erfolgt schrittweise“, heißt es aus dem Rathaus. Je nach Witterungsverhältnissen soll sie bis spätestens Ende Mai abgeschlossen sein. Den Anfang würden, wie vom Regierungspräsidium Stuttgart vorgegeben, die Vorbehaltsstraßen machen, die außerhalb des Talkessels liegen. Explizit sind dies die Bludenzer Straße im Stadtteil Feuerbach sowie das Teilstück der Schwieberdinger Straße zwischen Einmündung Marconistraße bis zur Wernerstraße im Stadtteil Zuffenhausen.

Sobald die Schilder in den jeweiligen Straßen aufgestellt sind, tritt auch die neue Geschwindigkeitsbegrenzung in Kraft. Dementsprechend würden auch stationäre Radaranlagen und mobile Blitzer, die auf Tempo-40-Strecken stehen, angepasst. Autofahrer sollten daher auf veränderte Beschilderungen vor Ort achten. Navigations- oder Fahrerassistenzsysteme könnten in der Anfangszeit noch 50 Kilometer pro Stunde als zugelassene Höchstgeschwindigkeit ausgeben. Hoffen auf den Rosensteintunnel

Doch warum sollen Verkehrsteilnehmer in der Landeshauptstadt zehn Kilometer pro Stunde langsamer fahren? Nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart haben gutachterliche Berechnungen ergeben, dass durch eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 40 km/h auf den Vorbehaltsstraßen Überschreitungen von Schadstoff-Grenzwerten weiter reduziert werden.

Die Untersuchungen hätten jedoch auch ergeben, dass es zu Verkehrsverlagerungen kommen kann und diese zu einer Immissionssteigerung, also mehr Lärm, führen können. Ein Beispiel: In Bereichen der Pragstraße liegt eine deutliche Überschreitung des Stickstoffdioxid-Grenzwerts von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft vor. Die erfolgversprechendste Maßnahme ist dabei der Rosensteintunnel, der ab dem Jahr 2021 einen großen Teil der Wohnbebauung deutlich entlasten soll. Für die Übergangszeit wird in der Pragstraße mit dem Aufbau von zehn Filtersäulen (wir berichteten) und Tempo 40 für weniger Schadstoffe in der Luft gesorgt. Doch genau aufgrund dieser Geschwindigkeitsreduzierung sei es denkbar, dass Autofahrer vermehrt in die Neckarvorstadt ausweichen oder den Schleichweg über den Schnarrenberg nehmen. Das Regierungspräsidium erhofft sich durch Kompensationsmaßnahmen wie die Geschwindigkeitsreduzierung in der Brückenstraße, dass solche Effekte ausbleiben. Da es sich aber nur um Modellrechnung handelt, würden die tatsächlichen Auswirkungen durch ein Verkehrsmonitoring begleitet werden. „Bei wider Erwarten auftretenden nachteiligen Wirkungen im übrigen Straßennetz wird geprüft, ob und mit welchen Maßnahmen diesen entgegengetreten werden kann“, heißt es in der vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans.

Von der flächendeckenden Einführung von Tempo 40 auf Vorbehaltsstrecken erhofft sich das Regierungspräsidium nicht nur eine Reduzierung der Stickstoffdioxid-Werte von rund fünf Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Sie soll auch dazu führen, dass es innerhalb des Talkessels zu keinem Ausweichverkehr mehr kommt, da ein einheitliches Geschwindigkeitsniveau eingerichtet wird. „Als zusätzlichen Nebeneffekt ergibt sich eine angenommene Verkehrsreduzierung, da es sich zeitlich lohnt, kurze Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erledigen.“

Diesel-5-Fahrverbot droht in Bad Cannstatt

Das Land plant im aktuell vorliegenden Entwurf der fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans, ab dem 1. Juli zusätzliche zonale Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge der Euronorm 5 und schlechter im Talkessel sowie den Bezirken Feuerbach, Zuffenhausen und Bad Cannstatt – die sogenannte „kleine Umweltzone“ – einzuführen. Die Maßnahme soll greifen, wenn der für das Jahr 2020 prognostizierte Jahresmittelwert bei Stickstoffdioxid (NO2) weiterhin über dem gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert bleibt. Das Land will die NO2-Werte nach dem ersten Quartal 2020 entsprechend auswerten. Der Gemeinderat hat den zonalen Diesel-5-Verkehrsverboten bereits zugestimmt, sofern eine ausreichende Verbesserung der NO2-Werte nicht absehbar ist. Allerdings beinhaltet die Stellungnahme auch Empfehlungen an das Land. „Die Stickstoffdioxid-Werte haben sich sehr positiv entwickelt. Von 2018 auf 2019 sind die Werte am Neckartor um fast 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zurückgegangen“, sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn. „Mit 53 Mikrogramm liegen wir damit zwar immer noch über dem zulässigen Grenzwert, aber es gibt Hoffnung. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns in einem Jahr auf die Grenze von 40 Mikrogramm zubewegen. Dazu kann jeder beitragen, zum Beispiel indem er auf den ÖPNV umsteigt.“ Der Gemeinderat regt in seiner Stellungnahme an das Land an, dass bei zonalen Diesel-5-Verkehrsverboten Anwohner mit einem betroffenen Fahrzeug, die in einer der vom Verbot betroffenen Zone leben, eine Übergangsfrist von zwei Jahren bekommen sollen. Zudem sollen Fahrten von und zu P+R-Plätzen innerhalb der Verbotszonen erlaubt sein. Möglich sein sollen auch Fahrten zu KfZ-Werkstätten für Reparatur- und Wartungsarbeiten. Der Gemeinderat empfiehlt dem Land darüber hinaus, gewisse Streckenzüge auszunehmen: beispielsweise der Knotenbereich B10/B14 im Neckartal sowie der Kappelbergtunnel vom Remstal kommend zur B10 Richtung Esslingen/Neckar. red