Quelle: Unbekannt

Eisenbahnfan Günther Klebes ersteigert historische Postkarte vom Cannstatter Bahnhof

Bad Cannstatt

Gerade einmal drei Autos parken vor dem Cannstatter Bahnhof, auch auf der zehn Meter breiten Straße ist wenig los. Ampeln oder Zebrastreifen sucht man vergeblich, ebenso Fußgänger, die auf dem Weg von der Straßenbahn zum Hochbahnsteig aufs Smartphone starren. Sie informieren sich stattdessen an einem der vielen Kioske über das Neueste aus aller Welt und tauschen sich dort, auch um die Wartzeit zu verkürzen, mit anderen Passanten aus.

Genau dieses Bild zeigt eine knapp 90 Jahre alte Postkarte, die Günther Klebes aus Erlangen kürzlich erworben hat. „Sie wurde um 1930 in Stuttgart vom Verlag V.W.St. gedruckt“, so die Einschätzung des 69 Jahre alten Franken, der alte Postkarten liebt. „Insbesondere solche mit eisenbahnhistorischen Motiven.“ In seiner rund 600 Exponate umfassenden Sammlung habe er zahlreiche Karten, die andere Bahnhöfe und Bahnlinien Württembergs zeigen, der Bahnhof Bad Cannstatt fehlte bislang noch. Dass sein Sohn mit Familie in der Sauerwasserstadt lebt, sei ein weiterer Anreiz gewesen, dass „ich die Karte unbedingt haben musste“.

Zwei-Euro-Schnäppchen

Doch wie kommt die jüngste Errungenschaft eigentlich in den Besitz des Rentners? „Ich bin bei einer luxemburgischen Internet-Auktion auf die Karte gestoßen.“ Weil er der einzige Bieter war, konnte er die Wunschkarte auch noch zum Schnäppchenpreis von gerade einmal zwei Euro erwerben. „Das ist eigentlich viel zu billig“, kommentiert das der Käufer. Es gebe Philokartisten, die einen zweistelligen Betrag für eine Ansichtskarte hinblättern würden. Normalerweise wäre er bereit gewesen, dafür bis zu fünf Euro auszugeben; denn es war eine selten angebotene Karte. Diesen Preis zahlte er aber dann auch, da noch das Porto für einen eingeschriebenen Auslandsbrief dazu kam. „Zu meinem Erstaunen hatte der Anbieter der Karte eine Adresse in Israel angegeben“, sagt Klebes. Das Besondere an dem Fotopapier ist, dass es nie verschickt wurde. Wie das gute Stück von Württemberg nach Israel gekommen ist, darüber kann der Sammler nur spekulieren. „Ob dahinter eine Auswanderung steht, oder einfach ein Bündel alter Postkarten nach einer Haushaltsauflösung an einen Händler veräußert wurde, der die Karten über das Internet weiter vermarktet, weiß ich nicht“, sagt Klebes. Möglich sei auch, dass ein jüdischer Bürger bei seiner Flucht vor den Nazis die Karte mitgenommen hatte. Er hat sogar schon Karten aus Australien, Kanada oder Südafrika erworben.

Seine Sammelwut in Sachen Bahn-Postkarten ist übrigens kein Einzelfall: „Es gibt sogar eigene Ausstellungen für Eisenbahn-Philatelisten“, sagt Klebes und durchforscht schon wieder das Internet nach Exponaten wie die Ansichtskarte aus dem Schwäbischen. Der 69-jährige Klebes sammelt nach eigenem Bekunden seit mehr als 50 Jahren begeistert „alles, was mit der Bahn zu tun hat – außer echte Lokomotiven“. Er sei eben vom „Bahn-Virus“ befallen. Bei ihm zu Hause stehen Modelle und historische Uniformmützen – die sogenannten „Rotkäppchen“– neben zahllosen selbst geschossenen Fotos und Alben voll einschlägiger Telefonkarten und Briefmarken. Daneben arbeitete der Schulbusfahrer und dreifache Vater ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission, als Hobby nennt er „Bahnfahren“ – selbst auf Hochzeitsreise ist er vor 33 Jahren mit dem Glacier-Express von St. Moritz nach Zermatt gefahren. Auch in Württemberg ist er regelmäßig mit der Bahn unterwegs – frei nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel!“ Ein besonderer Höhepunkt war der Urlaub mit Familie in einem stillgelegten Bahnhof.

Auf solchen Reisen schreibe er natürlich noch regelmäßig Postkarten. Gleichzeitig scheine sie im Zeitalter der sozialen Medien, von E-Mails und WhatsApp, nur noch etwas für Traditionalisten zu sein.