(wic) - Vor der Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts sitzt ein 64-jähriger Vater wegen versuchter Tötung an seinem 38-jährigen Sohn. Die Tat soll sich laut Anklage am Abend des 20. Januar dieses Jahres in der gemeinsamen Wohnung in Bad Cannstatt zugetragen haben. Ob der beschuldigte Vater verurteilt werden kann, ist offen - er hatte zur Tatzeit nahezu vier Promille Alkohol im Blut.

An jenem 20. Januar dieses Jahres sollen Vater und Sohn in der Wohnung in einen heftigen Streit geraten sein, wie es in der Anklage heißt. Im Zuge dieses Streitgesprächs habe der stark angetrunkene Vater gegen 18.10 Uhr zu einem Küchenmesser mit 16 Zentimeter langer Klinge gegriffen und damit dem Sohn von oben in die rechte Schulter eingestochen. Die dadurch entstandene 2,7 Zentimeter tiefe Stichverletzung sei zwar sehr schwer, aber nicht lebensgefährlich gewesen, sagt der Staatsanwalt jetzt vor der Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts. Dennoch musste der 38-Jährige im Krankenhaus sofort notoperiert werden und die Anklage lautete auf versuchten Totschlag. Und dies, nachdem der Fall einst erst vor dem Cannstatter Schöffengericht hätte verhandelt werden sollen. Die Stuttgarter Anklagebehörde war Anfangs nur von einem Vergehen der gefährlichen Körperverletzung ausgegangen. Die Cannstatter Richter sahen es anders und reichten die Sache an das Stuttgarter Landgericht weiter, da nicht auszuschließen ist, dass ein versuchtes Tötungsdelikt vorliege. Möglicherweise ist beim Landgericht zu klären, ob der 64-Jährige infolge Volltrunkenheit zur Tatzeit schuldfähig sei. Um hierzu Feststellungen zu treffen, haben die Richter der Schwurgerichtskammer einen psychiatrischen Gutachter hinzugezogen. Angesichts der knapp vier Promille Alkohol im Blut könnte der Mann auch in eine entsprechenden Entzugseinrichtung eingewiesen werden. Worum es bei dem Streit damals ging, ist bislang noch ungeklärt: Der Vater hatte dazu in ersten Vernehmungen keine Angaben gemacht. Er wurde wegen seines hochgradigen Trunkenheitsgrades kurz nach dem Tatgeschehen medizinisch versorgt und zur Ausnüchterung in eine Polizeizelle verbracht. Er befindet sich auf freiem Fuß, da ein Grund für die Inhaftierung nicht vorlag. Es bestand keine Fluchtgefahr. Zum Vorwurf des versuchten Totschlags sagte der 64-Jährige am gestrigen ersten Prozesstag nichts. Sein Verteidiger gab für ihn eine Erklärung ab, in der der folgenschwere Messerstich nicht abgestritten wird. Über die Hintergründe des Vater-Sohn-Streits gab es keine Auskunft. Die hätten die Richter durch die Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten erfahren. Sie machte vor Gericht von ihrem Recht der Aussageverweigerung gegen den eigenen Ehemann Gebrauch. Das Verfahren ist auf drei Prozesstage terminiert. Am kommenden Montag soll das Urteil verkündet werden.