Immer mehr ältere Menschen im Stadtbezirk gelten laut städtischer Studie als arm. Foto: dpa - dpa

Immer mehr ältere Menschen sind von Altersarmut betroffen. Ursache ist ein wachsender Niedriglohnsektor sowie Teilzeit.

Bad Cannstatt Zwar gilt Stuttgart im bundesweiten Vergleich als reiche Stadt, dennoch ist Armut ein Thema, wie ein Blick auf die Ergebnisse des aktuellen Sozialdatenatlas zeigt. Die Studie basiert auf Daten aus dem Jahr 2016 und zeigt, dass das Risiko von Altersarmut seit Jahren steigt. Als arm gilt bei der städtischen Studie, wer nicht über genügend Geld verfügt, um im Alter seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und auf Grundsicherung durch das Sozialamt angewiesen ist.

Vor allem Altersarmut ist ein zunehmendes Problem: In Bad Cannstatt sind 5,5 Prozent der über 65-Jährigen betroffen. Im gesamten Stadtgebiet liegt die Quote bei 4,5 Prozent. Gegenüber der letzten Studie aus dem Jahr 2013 ist der Anteil von Personen in Altersarmut in Bad Cannstatt zwar nur leicht um 0,3 Prozentpunkte (2013: 5,2 Prozent) angestiegen, trotzdem eine bedenkliche Entwicklung. Denn die Altersarmut werde in den nächsten Jahren weiter steigen, sagt Sozialbürgermeister Werner Wölfle.

Die Ursachen sind vielfältig. Vor allem Geringverdiener oder alleinstehende Frauen sind betroffen. Denn wenn die Erwerbstätigkeit zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung unterbrochen wird, werden entsprechend weniger oder gar keine Rentenbeiträge eingezahlt. Dadurch verringern sich die Ansprüche im Alter.

„Der wachsende Niedriglohnsektor verschärft die Armutsproblematik“, sagt Wölfle. Denn damit steigt der Anteil von Geringverdienern. Unterdurchschnittliche Einkommen haben niedrige Renten zur Folge. Ebenso hat die Anzahl der Selbstständigen in den vergangenen Jahren stark zugenommen, die nicht gesetzlich rentenversichert sind.

Um Menschen über Vorsorgemöglichkeiten zu informieren, gibt es unterschiedliche Infoveranstaltungen, etwa vom Stadtseniorenrat. „Viele können sich private Vorsorge aber nicht leisten“, sagt Sabrina Pott vom Amt für Sozialplanung.

Wie viele Menschen im Stadtbezirk von Armut betroffen sind, bleibt oft verborgen. Denn viele verbringen aus finanziellen Gründen und vielleicht auch aus Scham viel Zeit zuhause. Um Vereinsamung zu verhindern, sind Quartiersprojekte wie Mittagstische in Begegnungsstätten wichtig. „Wir müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass ältere Menschen in Würde und mit anderen gemeinsam essen können“, sagt Wölfle. Zwar gibt es in Bad Cannstatt zahlreiche Angebote für Senioren, diese sollten aber laut SPD-Stadträtin Marita Gröger erweitert und vor allem individueller – je nach Bedürfnissen der Anwohner im Stadtteil – ausgebaut werden. Gröger regt an, die Begegnungsstätten auch an Wochenenden zu öffnen. Armut ist nicht nur ein Problem der älteren Generation. Knapp 7000 Personen unter 65 Jahren im Stadtbezirk gelten laut Studie als arm, das sind 11,7 Prozent dieser Altersgruppe. Auch hier liegt der Stadtbezirk über dem städtischen Durchschnitt von 8,3 Prozent. Vor allem Alleinerziehende sind betroffen: Konkret sind 42,4 Prozent der alleinerziehenden Haushalte auf finanzielle Hilfe angewiesen.

Dies wirkt sich auch auf die Jüngsten aus: Knapp ein Fünftel der 0 bis 6 Jährigen im Stadtbezirk waren 2016 von Armut betroffen, nämlich 18,8 Prozent. Um den Kindern unabhängig von ihrem Elternhaus gleiche Chancen zu verschaffen, sei es wichtig, dass an den Schulen je nach Bedarf Fördermittel zur Verfügung gestellt werden sagt Gröger. Vor allem in Stadtteilen mit sozial schwächeren Familien müsste es mehr Betreuung geben als in besser situierten Wohngegenden mit geringerem Bedarf. Denn: Um Altersarmut vorzubeugen, muss bei den Jüngsten angefangenen werden.