Christiane Sutter (li) und Olaf Schulze Foto: Iris Frey - Iris Frey

Im Stadtmuseum startet die erste Ausstellung unter der neuen Museumsleiterin Christiane Sutter. Es geht um Frauenporträts aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Am 19. Mai gibt es eine Lesung mit Sutter im Museum.

Bad CannstattDie Frauengeschichten und -porträts, die im vergangenen Jahr bereits in Bad Cannstatt im Stadtmuseum, der Stadtteilbibliothek und der Galerie Wiedmann für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben und eine der best besuchtesten Ausstellungen im Stadtmuseum waren, werden in einer neuen Ausstellung fortgesetzt, um ein weiteres Kapitel der Emanzipation der Frau in der Sauerwasserstadt aufzuschlagen. Die neue Museumsleiterin Christiane Sutter und Pro Alt-Cannstatt bereiten derzeit die Ausstellung vor. Dabei wird es um Frauen aus dem 19. und 20. Jahrhundert gehen und auch einige neue Themenfelder.

Vornean steht das Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“, auf das Deutschland in diesem Jahr blickt. Diesen Meilenstein in der politischen Mitbestimmung und Gleichberechtigung der Frau nimmt das Stadtmuseum zum Anlass, erneut einen Blick auf das weibliche Leben in Bad Cannstatt zu werfen – nach der Erfolgsgeschichte der 2017/18 gezeigten dreiteiligen Schau „Cannstatter Frauengeschichte(n)“. Damit schlägt das Stadtmuseum ein weiteres Kapitel der Emanzipation der Frau auf.

Stellvertretend sei hier Anna Blos genannt, die 1866 in Niederschlesien geboren ist und Anna Tomasczewska hieß, bevor sie 1905 Wilhelm Blos heiratete und bis etwa 1915 in Cannstatt in der Wiesbadener und der Mergentheimer Straße lebte. Blos war SPD-Reichstagsabgeordneter, der seit 1893 in Cannstatt lebte. Seine Frau schrieb im Oktober 1918 in der Zeitschrift „Vorwärts“ einen Artikel zum Frauenwahlrecht und betitelte ihn mit „Und die Frauen?“ Und genau dieser Titel bildet das Motto der aktuellen Ausstellung im Cannstatter Stadtmuseum.

Mutter der Weimarer Republik

Blos war nicht nur „die Frau an seiner Seite“ und ab 1919 die „First Lady in Württemberg“ des Ministerpräsidenten. Sie wurde selbst politisch aktiv. Im November 1918 war sie im Propagandaausschuss und hielt im Wilhelma Theater einen Vortrag. Im Januar 1919 ist sie als einzige Frau von 17 Mandatsträgern gewählt worden. Schulze erklärt, deshalb sei sie als „Mutter der Weimarer Republik“ bezeichnet worden. Blos habe sich quer durch die Schichten eingesetzt von der Arbeiterin bis zu Frau in gehobener Position. Nicht nur die SPD, auch andere Parteien haben damals Frauen aufgestellt, erklärt Schulze. Am Internationalen Museumstag, am Sonntag, 19. Mai, von 12 bis 18 Uhr wird in einer Lesung Anna Blos vorgestellt als Vorkämpferin des Frauenwahlrechts. Die neue Museumsleiterin Christiane Sutter wird an dem 19. Mai aus Quellen von Blos lesen und sich selbst auch vorstellen und für Fragen bereitstehen. Sutter findet an Blos ihr Engagement spannend und den Mut, dass sie nicht nur „First Lady“ war, sondern auch politisch aktiv gewesen ist.

Als Blos nicht mehr im Reichstag saß, ist sie schriftstellerisch aktiv geworden und hat Frauengeschichten zusammengestellt und geschrieben. „Sie war eine Pionierin der Frauengeschichtsforschung“, so Schulze. Sie ist damals von Berlin und Weimar nach Cannstatt gependelt und hat sich flexibel mobil gezeigt. Blos war Lehrerin und übrigens die erste Frau in Deutschland, die Ortsschulrätin war.

In der Ausstellung im Stadtmuseum sind Gattinnen, im wirtschaftlichen Leben sehr erfolgreiche Frauen zu sehen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen - Frauenbiografien, die für etwas stehen: Dienstmädchen, Wirtinnen, Beschäftigte der Textilindustrie, Politikerinnen. Neue Themen sind „Frauen im Sport“ und „Frauen und Mode“ sowie „Einkaufswelten und Frauenberufe“. Dabei werden die Entwicklungen wie der Ausbau der Textilindustrie oder die Entstehung der Kaufhäuser beleuchtet. Sportliche Frauen entsprachen nicht dem Frauenbild der damaligen Zeit. Trotz unpraktischer Kleidung gab es beispielsweise Tennis spielende Sportlerinnen oder Frauen mit Rock, Korsett und Hut auf dem Fahrrad. Mehr als 30 Biografien geben einen Einblick in die vergangenen 200 Jahre des wechselvollen Wegs zur Gleichberechtigung der Geschlechter.