Die Wohnsiedlung des Vatikan zählt mit zu den ältesten Bauten der Baugenossenschaft Bad Cannstatt. Sie ist in den letzten Jahren rundum saniert worden. Foto: Nagel - Nagel

Im Jahr 1893 wurde die heutige Baugenossenschaft Bad Cannstatt als Bau-Spar- und Bedarfsgenossenschaft gegründet. Was mit 103 Mitgliedern als Initiative begann, um Arbeiterfamilien bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen, ist heute eine Genossenschaft mit 2207 Mitgliedern und über 1600 Wohnungen. Dieses Jahr feiert sie ihr 125-jähriges Jubiläum.

Bad Cannstatt Die Baugenossenschaft Bad Cannstatt blickt im Jubiläumsjahr auf 2200 Mitglieder. Als sie vor 125 Jahren gegründet wurde, zählte sie 103 Mitglieder. Und die Genossenschaft befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Darüber freuen sich die beiden Vorstände Peter Hasmann und Thomas Kermes im Jubiläumsjahr. Mit Blick auf die Geschichte sehen beide Vorstände, dass die Genossenschaft schon immer auf gute Wohnungsversorgung Wert gelegt hat und das Anspruchsdenken damals wie heute nicht viel anders ist.

Wohnen unterliegt gesellschaftlichem Wandel, sagt Hasmann, „was früher Luxus war, ist heute Standard.“ Um Fußbodenheizungen beispielsweise komme man nicht mehr drum herum. Die Genossenschaft habe aber schon immer zukunftsorientiert gebaut. So gab es damals um 1898 eine Schaukelbadewanne, die in die Bäder kam, etwa auch in das Haus Wilhelmshöhe im Prießnitzweg. „Wir haben immer schon modern gebaut, nur unter anderen technischen Rahmenbedingungen.“ Das Haus im Prießnitzweg 2 bis 4 steht heute auch noch.

Am Anfang hat die Baugenossenschaft nur zwei bis drei Häuser gebaut. Heute sucht sie Grundstücke. „Wir haben uns mit drei befreundeten Baugenossenschaften um ein Grundstück im Neckarpark beworben im Rahmen des Bündnis für Wohnen“, so Hasmann. Es ist das Grundstück Q5, die Baugenossenschaft würde sich mit einem Viertel beteiligen, insgesamt 106 Wohnungen würden da entstehen. „Wir hoffen sehr, dass wir es bekommen. Es wäre das richtige Signal, dass auch Baugenossenschaften mit ins Boot geholt werden“, so Hasmann. Der Gemeinderat werde wohl voraussichtlich nach der Sommerpause darüber entscheiden.

Die aktuelle Diskussion über den fehlenden Wohnraum in Stuttgart bekommt auch der Vorstand der Baugenossenschaft mit. Der Vorstand freut sich: „Wir sind wieder im Gespräch mit der Stadt“, sagt Hasmann. Über viele Jahre sei das nicht so gewesen. Jetzt habe sich das geändert und es gebe wieder einen Austausch. „Das Bündnis für Wohnen muss man mit Leben füllen“, sagt Hasmann. Die Baugenossenschaft gibt der Stadt Belegungsrechte und die Genossenschaft erwartet, dass die Stadt ihr Grundstücke gibt. Wenn die Möglichkeit im Neckarpark klappen würde, würde sich die Genossenschaft sehr freuen, sagt der Vorstand.

Die beiden Vorstände sind sich zudem einig, dass die Stadt Stuttgart die Baugenossenschaften braucht, um bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen und um mittel- und langfristig mit der Baugenossenschaft die Wohnungsprobleme zu lösen. Einen Vorteil sieht der Vorstand hierbei: „Wir sind nicht verkaufbar. Bei uns kann die Stadt sicher sein, dass wir auch nach 125 Jahren Wohnraum, der bezahlbar ist, an die Leute vermieten, die hier auch ein Dauernutzungsrecht haben“, so Hasmann. Kermes erklärt, dass sich jeder überlegen solle, welchen Wohnbedarf er hat. Hasmann sieht den Trend nach Kleinwohnungen mit Blick auf die hohe Quote an Ein-Personen-Haushalten in Stuttgart von 52 Prozent.

Die Genossenschaften seien gesund und hätten die Kapazität, so der Vorstand. Was das Thema Zweckentfremdungsverbot betrifft, so glaubt Hasmann nicht, dass es etwas bewirken könne. Einen der größten Hebel sieht er, wenn über das Mietrecht nachgedacht wird. Viele private Vermieter würden sich nicht trauen, ihre Wohnungen zu vermieten. Er sähe es als sinnvoll an, die Rechte der Vermieter zu stärken. Es sei heutzutage zu schwierig, schlechte Mieter loszuwerden. Die Baugenossenschaft habe auch mal solche Probleme, doch sie habe bei der Auswahl der Mieter andere Möglichkeiten. „Wir haben ein erfahrenes Team, das weiß, wo es hingucken muss“, so der Vorstand. Das sei ein Unterschied, ob professionell vermietet werde oder ob einer mal privat eine Wohnung vermiete. Kermes betont, dass die Baugenossenschaft auch Hausmeister vor Ort habe, die hilfreich seien.

Zum Thema Mietpreisbremse weist der Vorstand auf die Satzung der Genossenschaft, die sich darin schon immer bereiterklärt hat, sichere und sozial verantwortbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. „Sie liegen im Durchschnitt zwei Euro unter dem Mittelwert in Stuttgart“, so Hasmann. Die Genossenschaft könne mit ihren Mieten die breiten Schichten ansprechen. Deshalb stellen sie auch einen verstärkten Zulauf fest. Bei Mieterhöhungen rolliere die Genossenschaft auch ein bisschen, aber es sei vertretbar, so Kermes. „Wir erhöhen nicht flächendeckend“, sagt Hasmann. „Es liegt auch daran, dass unsere Mieter unsere Mitglieder sind, unsere Genossenschafter“, so der Vorstand. Die Genossenschaft sehe sich den Gesellschaftern verpflichtet.

Die Baugenossenschaft ist überwiegend in Bad Cannstatt samt Steinhaldenfeld und im Stadtbezirk Mühlhausen aktiv. „Darauf beschränken wir uns bisher“, so Kermes. Zusammen mit anderen Genossenschaften ein gemeinsames Projekt zu verfolgen, macht die Baugenossenschaft Bad Cannstatt gerne. So gebe es auch in Freiberg ein Projekt zusammen mit der Baugenossenschaft Luginsland.

Zu den größten Projekten der Baugenossenschaft Bad Cannstatt in den letzten Jahren zählten die Neubauten im Zuckerleweg mit 7,3 Millionen Euro Investitionskosten, in der Ruhr-/Pfalzstraße für sechs Millionen Euro sowie in der Hechtstraße und im Stichlingweg für zehn Millionen Euro. Letztes Jahr wurde die Obere Waiblinger Straße mit Aufzügen modernisiert für drei Millionen Euro.

Hasmann ist seit dem Jahr 2010 bei der Baugenossenschaft Bad Cannstatt Vorstand, Kermes seit 2014. Seit 2010 hat die Baugenossenschaft für Instandsetzungen, Modernisierung und Neubauten laut Vorstand 68 Millionen Euro ausgegeben. Davon profitierten auch regionale Firmen, so Hasmann. Denn die Genossenschaft arbeite auch mit Firmen aus Bad Cannstatt zusammen. „Wir sind einer der bedeutenden Investoren“, so der Vorstand.

Durch die Investitionen in Photovoltaikanlagen könnte sich die Genossenschaft selbst mit Strom versorgen.

Die Baugenossenschaft kauft auch immer wieder Häuser dazu, so etwa im Geranienweg und in der Mannheimer Straße. „Wir würden auch gerne mehr zukaufen“, sagt Hasmann. Wenn private Eigentümer dies wollen. „Der Eigentümer müsste sich der Verantwortung bewusst sein, dass es dabei nicht um Gewinnmaximierung geht, sondern dass die Mieter in gute Hände abgegeben werden“, so Kermes. Als nächstes laufendes großes Projekt ist die Sanierung im Rohrdommelweg 2 bis 12 in Neugereut im Mai gestartet. Hier werden in den nächsten drei Jahren rund elf Millionen Euro investiert. In den nächsten Jahren würde die Baugenossenschaft gerne weitere Bereiche in Neugereut modernisieren.