Titanwurz Alberich ist inzwischen 1,14 Meter groß. Foto: Wilhelma - Wilhelma

In der Wilhelma blicken die Tage alle mit Spannung auf die Titanwurz „Alberich“. Diese sonderbare Pflanze blüht nur alle sieben Jahre und steht nun wieder kurz davor.

Bad CannstattDer Laie staunt und der Experte wundert sich: Erstmals seit sieben Jahren bildet eine Titanwurz der Wilhelma eine Blüte aus und gibt Rätsel auf. Die als unberechenbar geltende Vorgängerin – „Diva“ genannt – hatte durch gigantische Blütenausmaße mit fast drei Metern Höhe international von sich reden gemacht. Der neueste Spross im Zoologisch-Botanischen Garten ist dagegen eigentlich viel zu jung dafür und bleibt offenbar ein Knirps.

„Die Knolle brachte mit elf Kilo nur etwa ein Drittel von dem Gewicht auf die Waage, das normalerweise benötigt wird, um eine der Riesenblüten auszubilden“, sagt Dr. Björn Schäfer, Leiter des Fachbereichs Botanik. „Dass die frühreife Pflanze das schafft, ist außergewöhnlich. Wir steuern darauf zu, dass es die kleinste Titanwurz-Blüte wird, die je in Europa dokumentiert wurde.“ Dafür müsste die Blüte unter 1,40 Meter bleiben. Weil sie in dieser Dimension nicht gerade nach einem Titan aussieht, haben die Wilhelma-Mitarbeiter ihr den Namen Alberich gegeben. „Der König unter den Zwergen ist ein passender Namenspatron“, so Schäfer mit Blick auf die germanische Mythologie.

Beim Wachsen zusehen

Dennoch vollbringt das Gewächs Großes: Nachdem die Gärtner am Dienstag, 12. Juni, erstmals erkennen konnten, dass die Knolle dieses Jahr kein Blatt, sondern eine Blüte bildet, konnte man dem Spross fast beim Wachsen zusehen. Von Tag zu Tag hat er jeweils vier bis 7,5 Zentimeter an Höhe gewonnen. Der pfahlförmige Blütenstandskolben brachte inzwischen auf 1,14 Meter: ein echter Kraftakt. Doch da eine Titanwurz nur die ersten zehn Tage schnell wächst, dürfte sie weniger als die Hälfte der normalen Größe von zweieinhalb Metern erreichen. Offenbar durchläuft der Jüngling regulär alle Phasen der Blütenbildung, nur etwas schneller als gewöhnlich. Seit Mitte dieser Woche welken bereits die Niederblätter und das noch grüne Hochblatt beginnt am Saum, die typische Färbung in Braunpurpur anzunehmen. Beides sind Anzeichen, dass die nur eine Nacht dauernde Blüte in zirka fünf Tagen ansteht. Dann könnte es nicht am errechneten Termin, dem 27./28. Juni, sondern bereits am Sonntag oder Montag, 24./25. Juni, so weit sein. Der Countdown läuft also, keiner weiß genau wie lange.

Spektakulärer Lebenslauf

Falls sich aber der rätselhafte Alberich nicht bis zum Schluss tarnen sollte, sondern rechtzeitig preisgibt, wann er die Blüte öffnet, plant die Wilhelma, für das extrem seltene Schauspiel das Schmetterlingshaus, wo er derzeit residiert, bis um Mitternacht zu öffnen. Denn der spektakuläre Lebenslauf einer Titanwurz hat seine dunklen Seiten. Wenn dieser Sonderling von der indonesischen Insel Sumatra zirka alle sieben Jahre einmal blüht, dann nur für eine Nacht. Die Amorphophallus titanum stinkt dabei erbärmlich und heizt sich dann auf rund 38 Grad auf. So täuscht die pfiffige Pflanze vor, ein verwesender Kadaver zu sein. Ihr Ziel ist, Insekten anzuziehen, die für sie die Bestäubung übernehmen. Lassen sich die Tiere täuschen und legen ihre Eier dort ab, ist deren Nachwuchs verloren. Denn die schlüpfenden Larven werden verhungern. Als Pflanze, die ihre Bestäuber nicht belohnt, zählt man die Titanwurz zu den sogenannten Täuschblumen.red