Oh, du schöne Vergänglichkeit: Eine Filmprojektion Jonas Dahlbergs setzt einen Bild-Kontrapunkt zur Musik von Franui. Foto: Jonas Dahlberg Quelle: Unbekannt

Von Verena Großkreutz

Ludwigsburg -Wenn Mahler einer Trauermarschkapelle folgt, Schubert ins Wirtshaus geht und Brahms auf eine Bauernhochzeit, dann ist Franui am Werk. Die zehnköpfige Musicbanda aus Osttirol spielt eine wilde Stilmischung und nimmt gekonnt die Tatsache aufs Korn, dass alle abendländische Kunstmusik in der Volksmusik wurzelt. Die Arrangements von Kontrabassist Markus Kraler und Bandleader Andreas Schett sind subtil: Humoristisches trägt Trauerflor, Melancholie paart sich mit Witz, das Schwere wird leicht. Weich harmonierende Blasinstrumente treffen auf Geige, Bass, Hackbrett, Harfe und Akkordeon.

Jetzt war Franui wieder einmal zu Gast bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen - im Scala Theater mit einem Liederabend der ganz besonderen Art. Franui begleiten in ihrem neuen Programm mit dem Titel „Alles wieder gut“ den Bariton Florian Boesch in einem bedachtsam aufgebauten Zirkel aus Schubert-, Brahms- und Mahler-Liedern. Ein Konzeptkonzert ohne Pause, in dem das Publikum totenstill lauscht. Kein Klatschen, kein Huster ist zu hören in den eineinviertel Stunden.

Man beginnt mit Schuberts „Heideröslein“, in dem die Akkordeonbegleitung im Nachklapp der Verse durch eine schmissige Bläserbegleitung beantwortet wird. Auch die Kontraste zwischen zarter Harfen- und Hackbrettbegleitung und plötzlich aufleuchtender und wieder verglimmender Blechbläsereuphorie überraschen immer wieder aufs Neue. Mal kommentiert Franui den Gesang schön im schleppenden Gleichtakt, mal wild bewegt in schräger Mehrstimmigkeit.

In Gustav Mahlers „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“ füllt sich der Klang über pochenden Tuba-Tönen langsam bis zu schmerzhaftem Trompetenkreischen. Im Brahms-Lied „Da unten im Tale“ singt Franui plötzlich leise im Chor mit.

Zur Musik läuft eine Filmprojektion des schwedischen Künstlers Jonas Dahlberg: Ein Schlafzimmer, das in äußerst gedehnter Zeitlupe wegschmilzt und schließlich verschwindet. Oh, du schöne Vergänglichkeit! Während im Hintergrund die Welt zerfällt, zerfallen auf der Bühne die Klänge. Denn Florian Boesch ist ein ausgebildeter Sänger, der „natürlich“ singen, das antrainiert Künstliche aus dem Kunstlied-Gesang verbannen möchte. In der sonoren Tiefe klingt seine Stimme dunkel, warm und nasal. In der Höhe rutscht der Bariton ins Falsett, dessen Unvollkommenheit er nicht beschönigt. Und wenn er ein ganzes Lied in diesem Markiermodus mehr raunt als singt, dabei lediglich von leicht heiseren, sehr leisen Harfenklängen begleitet wird, dann ist die Grenze dessen erreicht, was noch Musik ist. Es ist etwas, das sich in sich selbst zurückgezogen hat.

Dann singt Boesch Schubert für sich allein: „Du bist die Ruh‘, / Der Friede mild, / Die Sehnsucht du / Und was sie stillt.“ Das berührt, weil sich darin die dunkle, einsame, lebensabgewandte Seite der Romantik viel deutlicher offenbart als im sauber artikulierten Einheitsschöngesang.