Das persönliche Bibelexemplar des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi befindet sich heute im Stuttgarter Lindenmuseum. Namibia fordert das Buch zurück, das hohen symbolischen Wert für das afrikanische Land hat. Foto: Lindenmuseum - Lindenmuseum

Das Bibelexemplar aus dem persönlichen Besitz des namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi hat für das afrikanische Land hohen symbolischen Wert. Die CDU-Landtagsfraktion hat jedoch grundsätzliche Bedenken gegen die sofortige Rückgabe-Initiative von Wissenschafts- und Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne). Die CDU will auf die gemeinsame Position von Bund, Ländern und Kommunen zum Umgang mit Kulturgut aus ehemaligen Kolonialländern warten.

StuttgartDie Rückgabe einer in der Kolonialzeit geraubten Bibel an den namibischen Staat sorgt für Verstimmung in der baden-württembergischen grün-schwarzen Koalition. Wissenschafts- und Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) ist an diesem Dienstag zum wiederholten Mal mit ihrem Vorhaben gescheitert, den Ministerrat mit diesem Thema zu befassen, denn die CDU-Landtagsfraktion hat noch Beratungsbedarf. „Wir müssen das noch diskutieren und werden dann auf Ministerin Bauer zugehen“, sagte am Montag die CDU-Landtagsabgeordnete Marion Gentges unserer Zeitung. Namibia war von 1884 bis 1918 eine deutsche Kolonie unter dem Namen „Deutsch-Südwestafrika“.

Grundsätzliche Bedenken

Die Christdemokraten haben grundsätzliche Bedenken gegen die Rückgabe-Initiative des Landes und verweisen auf aktuelle Bemühungen von Bund, Ländern und Kommunen, eine gemeinsame Position zum Umgang mit Kulturgut aus ehemaligen Kolonialländern zu finden. „Wir sagen: Wenn verabredet wurde, dass man eine solche Vereinbarung trifft, sollte nicht ein Land vorpreschen“, so Gentges. Die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, Monika Grütters (CDU), hatte Mitte Oktober nach einem kulturpolischen Spitzengespräch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bekannt gegeben, die eine gemeinsame Haltung zum kolonialen Erbe suchen soll. So bestehe die Chance, „noch stärker als bisher zu verbindlichen Verabredungen im Interesse der Kultur in Deutschland zu kommen“, hieß es.

Bitte um Verzeihung

Wer der Gruppe angehört und wann diese ihre Arbeit aufnimmt, ist allerdings noch offen. Vermutlich wird das im Frühjahr geschehen. Wissenschaftsministerin Bauer jedenfalls will mit der Rückgabe der beiden Gegenstände – neben der Bibel ist das auch eine Peitsche aus dem Hause Witbooi, dem der namibische Nationalheld Hendrik Witbooi entstammt – nicht mehr länger warten. „Namibia fordert die Rückgabe seit Jahren, es gibt keinen Grund länger zu warten“, sagt Denise Burgert, Sprecherin des Ministeriums. Zumal die Vorbereitungen abgeschlossen und mit dem Auswärtigen Amt abgesprochen seien. Kunst-Staatssekretärin Petra Olschowski war dazu Anfang Oktober in Namibias Hauptstadt Windhoek gereist. Namibias Offizielle hatten die Rückgabe der nationalen Symbole tatsächlich bereits im vergangenen August erwartet. Damals hat die Bundesregierung im Rahmen eines Festakts in Berlin gestohlene Schädel und Gebeine an eine namibische Delegation übergeben. Die Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), bat dabei „aus tiefstem Herzen um Verzeihung“ für das Unrecht im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika. Die Bibel blieb jedoch in Stuttgart.

Den Einzelfall regeln?

Freihändig zurückgeben kann die baden-württembergische Landesregierung diese auch gar nicht. „Wir brauchen dafür eine Rechtsgrundlage, weil es sich um Eigentum des Landes handelt“, sagt Burgert. Geplant ist deshalb, im Haushaltsbegleitgesetz einen entsprechenden Passus zu verankern. Der soll im übrigen auch für Raubkunst aus der NS-Zeit gelten – für Kunstwerke, die ihren oft jüdischen Eigentümern unrechtmäßig entzogen worden waren. Bisher hat man sich bei deren Rückgaben auf die sogenannte Washingtoner Erklärung berufen, eine Selbstverpflichtung, die rechtlich nicht bindend ist. Sie umfasst aber nicht die Kolonialzeit.

„Ich habe keinen Grund, an der Dringlichkeit der Rückgabe zu zweifeln“, sagt CDU-Kulturpolitikerin Gentges und spricht sich persönlich – denn die Fraktion tagt erst am Dienstagnachmittag – für einen Kompromiss aus: Man könne doch eine Einzelfallregelung schaffen für die Bibel und die Peitsche, wenn es denn so eilig sei. Eine Art Ausnahmegenehmigung also. Ob Ministerin Bauer dem zustimmt, ist aber noch offen.

Bei der Bibel handelt es sich um das Privateigentum des Nationalhelden Hendrik Witbooi. Die Bibel war Ende des 19. Jahrhunderts von deutschen Truppen in der damaligen Kolonie erbeutet worden und gelangte später als Schenkung an das staatliche Lindenmuseum in Stuttgart. Witbooi war während der Kolonialzeit Anführer der aufständischen Gruppen des Nama-Volks. Bauer sagte, Bibel und Peitsche hätten für Namibia eine hohe symbolische Bedeutung. Die Klärung, woher beide Objekte stammen und wie sie ins Lindenmuseum gelangt sind, sei abgeschlossen.

Ziel: Die Provenienzforschung ermittelt, ob Kunst- und Ausstellungsobjekte legalen oder illegalen Quellen entstammen.

Drei Forscherstellen: Bereits seit 2012 finanziert die Landesregierung die ursprünglich mit Unterstützung des Bundes geschaffenen drei Wissenschaftlerstellen aus eigenen Mitteln.

Entfristung: Ab 1. Januar 2015 hat die damalige grün-rote Landesregierung allen bis dahin befristet beschäftigten Provenienzforscherinnen unbefristete Verträge ausgestellt.

Rückgabe: Bedeutende Rückgaben würden den verantwortungsvollen Umgang des Landes mit der Vergangenheit belegen, betont das Wissenschaftsministerium.