Eine der Vitrinen Hartmut Landauers - mit Küchenutensilien und ­Werkzeugen, autobiographischen und ethnographischen Gegenständen. Foto: Eberle Quelle: Unbekannt

Von Elke Eberle

Ostfildern - Postkartenidylle und Sonnenuntergänge sind anderswo. Hartmut Landauer zeigt in Ostfildern Erinnerungsräume, Fotografien von eigentümlichen, aber realen Orten, Artefakte aus urbanem Treibgut, Gefundenes in neuen Zusammenhängen. In allem wohnt ein eigenwilliger Geist - „spirit“ ist der Titel der Ausstellung. Übersetzt werden kann spirit auch mit Seele und Tatkraft, mit Stimmung, Temperament und Mut. Und alles passt.

Kinderwagen, Schlitten, Putzgerät, Kleiderständer? Nicht alles, was nach einer Funktion aussieht, muss auch eine haben. Landauer baut aus diversen Fundstücken aus Stadt, Land, Fluss und Müllkippe, etwa Gartenstühlen und Gartenschläuchen, eigenartige Gerätschaften. Die Objekte werden zusammengehalten von bunten Expandern, hängen, liegen, stehen, sind einfach. Ob sie einen Nutzen haben oder haben könnten, ist nicht wichtig. Zu ihren Füßen stehen Schuhe, genauer japanische Getas. Die Werkserie heißt „heliotrope“, auch das gibt nicht wirklich Aufschluss, muss es aber auch nicht. Die Welt ist angefüllt mit nützlichen und unnützen Dingen. Manche von ihnen und alle in der Ausstellung haben eine Geschichte, wurden geliebt oder gebraucht, gewinnen Wert allein aus ihrem Sein.

21 Klappstühle aus Ost und West

Klapperschlangenspermaweihrauch, Zauberseifen, Kräutermixe, Spiderman-Fingerpuppenvariationen, Steinschleudern in Tierform, ein gestickter Weihnachtsbaum, Vasen, Schalen, Plastikfiguren - drei Vitrinen hat Landauer mit Erinnerungsstücken, Alltagsgegenständen und Kunsthandwerklichem gefüllt, die Fundstücke stammen aus Asien und Afrika, aus Lateinamerika, Deutschland, Spanien und vielen anderen Ländern. Der 1966 geborene, gebürtige Gemmrigheimer präsentiert sie in Ostfildern jetzt erstmals in einer Ausstellung. Was wäre ein Leben ohne die vielen kleinen Dinge, was gibt einem Leben Geschichte, was Geschichte Leben? Landauer zeichnet mit diesen kleinen Dingen einen Teil seiner Familiengeschichte nach und die anderer. Eine Vase ist neun Mal umgezogen, vom japanischen Kobe ins chilenische Valparaiso, mit Zwischenstationen in Deutschland nach Lateinamerika und Spanien zurück nach Deutschland. Gefüllt hat sie Landauer mit Sand aus Spanien und Japan. Landauer bewahrt, ordnet, sortiert und gibt dem Treibgut des Lebens Struktur und fügt es ein in einen neuen Kosmos. Landauer kombiniert kunsthandwerkliche Besen und Toilettenbürsten aus aller Welt und neben einer Farbfeldmalerei aus der Serie „equinox“ zeigt er zwei kuriose Herzen aus Moosgummi, Unterrichtsmaterial aus Quito, Ecuador. Mitten im Raum stehen 21 Klappstühle aus dem Westen und Osten Deutschlands, sie alle wurden einst besessen, seit 2015 stehen sie hier und da, bunt gestreift, in Reih und Glied und sind zusammen „east_west (flags)“. Er gestaltet fragile Kartonintarsien aus gefundenen Materialien wie Schallplattencovern und Bucheinbänden, mal sind sie zwei-, mal dreidimensional. Und immer wieder fügt er vermeintlich Unpassendes zueinander, seine Fundstücke, „Kunsthandwerkliches“ wie Kutterschaufel, Fischreuse oder Vogelbauer spiegeln die Kreativität ihrer Nutzer, zeigen unerwartete Schönheit im Detail.

Die Fotos der Serien „tokyomorphosis (Tokio)“ und „transition (Deutschland, Italien, Spanien, Ecuador, Marokko, Südkorea)“ sind zwischen 2002 und 2017 entstanden, auch sie zeigen kuriose Orte und skurrile architektonische Situationen und zeugen vom Ideenreichtum der Menschen, denn es gelingt ihnen, an ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen Mitteln die Fremde zu vertreiben.

Bis 19. September, Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags 15 bis 19 Uhr, samstags 10 bis 12 Uhr, sonntags 15 bis 18 Uhr.