Suzi Quatro Foto: Horst Rudel - Horst Rudel

US-amerikanische Rock’n’Roll-Legende gastierte in der Manufaktur

SchorndorfReady when you are!“ knarzt Suzi Quatro freundlich aber bestimmt, während sie ihren Koffer durch den engen Flur zur ihrer Garderobe bugsiert. Am Freitagabend hat die inzwischen 69-jährige Rock’n’Roll-Legende vor geschlossener Gesellschaft in der Manufaktur in Schorndorf gespielt. Die letzten Tage waren vollgepackt mit Terminen. Auch jetzt, kurz vor dem Soundcheck, hat Quatro kaum Zeit für ein Gespräch. „Es stört Sie doch nicht, wenn ich nebenher meine Sachen ordne?“, fragt sie mehr der Höflichkeit halber, und hängt ihren schwarzen Lederanzug auf einen Bügel.

Bei Menschen, die in den Siebzigern und Achtzigern mit Rock’n’Roll sozialisiert wurden, löst der Name Suzi Quatro eine Lawine an Erinnerungen aus, besonders in Deutschland, wo die zierliche, ungeheuer agile Musikerin eine besonders große Fangemeinde begeisterte. „In den Geschichtsbüchern stehe ich, weil ich als weibliche Instrumentalistin Erfolg hatte, und eben nicht bloß als Sängerin“, sagt Quatro selbstbewusst.

Als sie ab 1971 mit ihrer riesigen Bassgitarre und als Frontfrau einer sonst mit Männern bestückten Hard-Rock-Band Furore machte, war das außergewöhnlich. „Can the Can“, einen ihrer berühmtesten Songs, kann man als eine Art Hymne an Frauen lesen, die sich offensiv und selbstbewusst nehmen, was sie wollen, auch einen Liebhaber: „So make a Stand for your Man, Honey /try to can the can!“

Eine Figur wie sie hatte es im männerdominierten Rock-Zirkus bis dahin noch nicht gegeben. Während die Musiker in Bands wie The Sweet, T.Rex oder Slade mit Glamour und Schminke typisch männliche Rollenbilder aufweichten und um eine Spur Drama erweiterten, gab sich Quatro ungeschminkt in ihrem Lederanzug burschikos und bodenständig.

„Es war nie meine Absicht, sexy zu sein“, sagt sie. Dabei wirken Fotoaufnahmen aus dieser Zeit vielleicht gerade wegen Quatros ungezwungener Lässigkeit besonders sexy. Auf die Frage, wie sie sich als Frau in diesen Anfangsjahren unter Männern behaupten konnte, reagiert sie mit einem Achselzucken. Sie habe Leuten, die ihr dumm kommen wollten, unmissverständlich klar gemacht, dass das mit ihr nicht zu machen sei. Sie habe ihnen streng in die Augen gesehen – getreu dem Motto: „Fuck Off!“

Suzi Quatro wurde in der US-Autostadt Detroit geboren. Der Vater hatte zwei Jobs und trat abends mit seiner Band, dem Art-Quatro-Trio auf. Schon mit acht Jahren spielte Suzi bei ihm ab und zu die Drums, später lernte sie Klavier. „Ich wusste immer, dass ich das machen wollte, und nichts anderes“, sagt sie.

Mit 14 Jahren engagiert sie sich in einer Mädchen-Band namens The Pleasure Seekers, wo sie die Bassgitarre für sich entdeckt. Als einmal der Rock’n’Roll-Pionier Chuck Berry mit einer von Quatros Kolleginnen herumalbert und ihr zu nahe kommt, versetzt ihm Suzi Quatros Vater einen Hieb. Ernstlich bedroht fühlte sich die Musikerin selbst nie. „Ich werde häufig danach gefragt“, wundert sie sich in Frage der #Metoo-Debatte. „Wenn es etwa um diese Weinstein-Sache geht: Wenn mich ein Mann im Bademantel auf seinem Hotelzimmer empfangen würde, bräuchte ich ganze drei Sekunden, und ich wäre weg. Niemand kommt doch ernsthaft zu einem Besprechungstermin im Bademantel!“

Ob sie sich niemals von Männern abhängig gefühlt habe? „Nein“, sagt sie, und schüttelt ihre graublonde Mähne. Ihr 2003 verstorbener Produzent Micki Most, von dem sie im liebevollen Tonfall spricht, habe nie versucht, sie als Mädchen zu vermarkten. Er habe auch nie verlangt, dass ihr Sound feminin klang. „Er nahm mich so, wie ich war“, erzählt Quatro. Trotz fast martialischer Alben-Titel wie „Your Mama won’t like me“ oder „Aggro-Phobia“, mit denen sich Quatro als beste Freundin besonders frecher Rotzgören zu empfehlen schien, zeigt sie in Songs wie im 1978 mit Chris Norman gesungenen Duett „Stumblin’ in“, dass sie auch anders kann.

Das ganze Gender-Ding sei nie ihre Sache gewesen, das habe sie nicht interessiert, sagt sie. Die Selbstverständlichkeit, mit der Suzi Quatro ihre Karriere in Angriff nahm und bis heute fortführt, verblüfft. Nur vor einem Mann hat Quatro je gekniffen. Als sie 1974 Elvis Presleys Hit „All shook up“ aufnimmt, zeigt sich Quatros Idol beeindruckt. Seiner Einladung nach Graceland folgt sie aber nicht. „Ich wollte erst ein paar weitere Erfolge vorweisen können, um mit ihm ein bisschen mehr auf Augenhöhe zu sein. Ich war einfach noch nicht soweit. Dann ist er aber bald darauf gestorben. Manche Dinge kann man leider nicht mehr ändern.“

Nachdem sich Suzi Quatro von ihrem ersten Ehemann und Bandkollegen Len Tuckey 1992 trennte, heiratete sie im Jahr im darauffolgenden Jahr den deutschen Promoter Rainer Haas. Während sich seine Frau auf den Gig am Abend vorbereitet, sitzt Haas gemütlich in der Sonne vor der Schorndorfer Manufaktur. Im Oktober sei schon ein Konzert in Reutlingen geplant, sagt er bei der Verabschiedung, und im Jahr 2020 eines in der Liederhalle in Stuttgart. Suzi denke nicht ans Aufhören. „Es macht ihr einfach Spaß“, sagt er, und lächelt. Man glaubt es ihm sofort.