Amy Macdonald Foto: Thilo Ortmann Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Ganz am Ende, in ihrer allerletzten Zugabe „Let’s start a Band“, singt Amy Macdonald: „Give me a guitar, and I’ll be your troubadour. Give me a stage and I’ll be your rock and roll queen.“ Es ist ein Versprechen, das die bezaubernde Singer-Songwriterin zuvor für 90 Minuten auf wundervolle Weise einlöst. Fünf lange Jahre hatte sich die Schottin rar gemacht, sich mehr oder weniger aus dem Geschäft zurückgezogen. Im Februar erst erschien ihr viertes Album „Under Stars“ - aber seither leuchtet ihr Stern heller denn je am Pop-Firmament.

Passend dazu eröffnet Macdonald ihr binnen kürzester Zeit ausverkauftes Konzert zum Auftakt des 10. Winterbacher Zeltspektakels mit dem Titel-Song „Under Stars“, eine rockige Pop-Nummer, die als Opener eine gute Figur macht. Neun halbmondförmig angeordnete Lampen im Bühnenhintergrund leuchten dazu wie kleine Sonnen am Horizont.

Danach spielt sie bei guter Akustik weitere schnelle, kurze Stücke, viel rockiger als in den Studioversionen: „Don’t tell me that it’s over“, für ihre Verhältnisse fast schon ein epischer Titel, die Pophymne „Spark“ vom zweiten Album „A curious thing“ (2010) und „Youth of today“. Sie macht dabei das, was sie am besten kann: teils rasant Pop, Rock’n’Roll, Country und Folk mischen, mit gälischem Gewürz anreichern und klingen, wie nur Amy Macdonald klingt. Erster großer Bahnhof für die 4000 Fans auf ihrer Strecke zur Ausgelassenheit ist „Mr. Rock & Roll“ von ihrem Debütalbum „This is the Life“ (2007). Amys erster Hit sorgt für gewaltiges Rumoren im aufgeheizten Zelt.

Die Klasse von geradlinigen, tanzbaren Popsongs - Amys Füße halten genauso wenig still wie die des Publikums - geht beinahe atemlos weiter. „Dream on“ und das autobiografische „Automatic“ vom neuen Album funktionieren live schon jetzt so gut wie legendäre Vorgänger. Beim stürmischen Schotten-Rock „Slow it down“, eine ihrer schnellsten Nummern überhaupt, und „Poison Prince“ über das Enfant terrible des Indierock, Pete Doherty, ist die Stimmung kurz vor dem Siedepunkt.

Die passionierte Autoliebhaberin, die in ihrer Garage zwei Ferrari stehen hat, reüssiert mit einem wechselhaften und temporeichen Laut-Leise-Reigen an Befindlichkeitssongs, die allerdings nur selten mir ihr selbst zu tun haben. Macdonald zieht es vor, Geschichten von anderen zu erzählen. Um sich selbst macht die gerade mal 1,63 Meter große 29-Jährige aus Bishopbriggs, einem kleinen Flecken nördlich von Glasgow, kein großes Aufheben. Schwarze Jeans, Plateauhalbschuhe und weiße Tunika - die Frau ist wunderbar geerdet, ihr lässiger, mit schottischem Charme unterlegter Auftritt zeigt, dass ihr Herz am rechten Fleck schlägt. Dagegen glänzt sie mit einer unverwechselbaren, so kräftigen wie verführerischen Altstimme. Brüchig und zugleich rüde kann sie klingen, zwischen voluminösen Tiefen und überraschenden Höhen offenbar mühelos wechseln, sich dabei fast überschlagen.

Da zünden Uptempo-Stücke wie das von einem Honky-Tonk-E-Piano befeuerte „Love Love“, das zur veritablen Rock’n’Roll-Nummer ausgebaute „Rise & Fall“ und natürlich „This is the Life“, ihr Song zum Durchbruch, gleich doppelt so gut. Das gleichnamige Album verkaufte sich nicht weniger als sechs Millionen Mal.

Im Großen und Ganzen lässt Amy Macdonald ihre fünfköpfige, versierte Band im Wohlfühlmodus rocken, manchmal mit treibenden Rockbeats und aufregendem Slidegitarren-Spiel auch rotzen.

Fast atemlose Stille herrscht, als sie die anrührende Ballade „Never too late“, begleitet nur vom Pianisten, zelebriert. Bei ihrer feinfühligen Solo-Akustikversion von „Prepare to fall“, ihrer erste Zugabe, beweist Amy dann vollends, dass sie - wie schon bei den Night of the Proms 2013 in der Stuttgarter Schleyerhalle - eine Arena auch ganz alleine tragen kann. Was für eine Stimmgewalt!

In ruhigeren Momenten bilden Musik und das relativ schlichte Bühnenbild eine perfekte Einheit. Ihr für unser Schulenglisch grenzwertiger Lowland Scots-Akzent ist stellenweise so „strange“, dass wohl die Hälfte des Publikums ihre Pointen nicht verstehe, glaubt Amy selbstredend. Macht aber fast nichts. Amy vermittelt, bei aller Routine, auch so das Gefühl, einem einzigartigen Abend beizuwohnen.

Zum mitreißenden, noch einmal lauten Finalsong „Let’s start a Band“ vom Debütalbum, der ein letztes Mal die Halle rockt, wird dann noch einmal ordentlich getanzt, die Kür Amys zur Rock’n’Roll-Königin damit nur noch Formsache. Eine große Portion Lebensfreude und ein Stückchen Schottland hat Macdonald nach Winterbach gebracht. Wäre sie nicht schon ein Star, sie müsste sofort eine Band gründen. Noch bevor sie zu Bett geht und einen Film streamt.