Foto: Salzburger Festspiele/Matthias - Salzburger Festspiele/Matthias Horn

Seit fünf Jahren gehört Christoph Franken zum „Jedermann“-Ensemble der Salzburger Festspiele. Das Mysterienspiel Hugo von Hofmannsthals ist das Herzstück des renommierten Festivals. Im Schultheater des Esslinger Mörike-Gymnasiums lernte der Schauspieler, der im Herbst ans Residenztheater nach München wechselt, die Faszination des Theaters kennen.

EsslingenSein Reichtum begegnet dem „Jedermann“ in Hugo von Hofmannsthals gleichnamigem Stück in Form des Mammon. Bereits zum dritten Mal verkörpert der 41-jährige Christoph Franken in der Inszenierung von Michael Sturminger bei den Salzburger Festspielen diesen Part. Erst kauert der kräftige Künstler auf der Treppe. Sein Körper ist von Goldfäden bedeckt. Brutal tritt ihn der „Jedermann“, er fällt die Treppe hinunter. Dann aber bietet der golden geschminkte Hüne im Kettenhemd dem reichen Mann die Stirn. Er macht ihn zum Spielball, verwickelt ihn in einen mörderischen Tanz. Franken drückt Tobias Moretti zu Boden, kämpft mit ihm. Zugleich strahlen die zwei betörende Leichtigkeit aus. „In der Szene haben wir Spaß“, findet der Schauspieler, der in Esslingen am Mörike-Gymnasium sein Abitur machte. In der Theater-AG, die damals Claudine Seifert-Rost leitete, sammelte er erste Bühnenerfahrungen.

Diese Spiellust ist in den Vorstellungen des „Jedermann“ zu spüren, die in Salzburg bei schönem Wetter auf dem Domplatz, bei Regen im Festspielhaus zu erleben sind. Damit knüpft das Sommerfestival an die Tradition des Regisseurs und Theatererneuerers Max Reinhardt an (siehe Kasten). Die Idee zu dem weltbekannten Opern- und Theaterfestival zum Gedenken an die Schauspieltradition in der österreichischen Region kam gegen Ende des Ersten Weltkriegs auf. Verwirklicht wurde sie von dem Regisseur Max Reinhardt, dem Dichter Hugo von Hofmannsthal und dem Komponisten Richard Strauss. Die Geburtsstunde der Festspiele schlug mit der Aufführung des Jedermann am 22. August 1920 auf dem Domplatz.

Noch heute ist Hofmannsthals Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes das Herzstück der Festspiele. Die Rollen verkörpern große Schauspielerinnen und Schauspieler, die an bekannten Bühnen in Deutschland und in Österreich zuhause sind. Fernsehstar Tobias Moretti spielt die Hauptrolle, seine Buhlschaft ist die ehemalige Volksbühnen-Spielerin Valery Tscheplanowa. Zu den Stars gehört seit fünf Jahren auch Franken, den die Inszenierung jedes Jahr aufs Neue reizt. Zehn Jahre lang war er fest am Deutschen Theater in Berlin engagiert. Im September wechselt er mit dem neuen Intendanten Andreas Beck ins Ensemble des Residenztheaters in München.

Die Vorfreude auf den Neuanfang ist dem Familienvater anzumerken, der mit seiner Frau und dem dreijährigen Söhnchen nach München umgezogen ist. Obwohl die Vorproben am Residenztheater, das zu den besten Bühnen im deutschsprachigen Raum gehört, bereits begonnen haben, ist Franken beim „Jedermann“ wieder dabei. 2015 wurde er in der Produktion erstmals von den Regisseuren Julian Crouch und Brian Mertes engagiert – damals spielte er den Teufel. Sich dem Stück des österreichischen Autors in zwei Rollen anzunähern, das fand Franken spannend. Deshalb sagte er auch zu seiner dritten Sommerspielzeit als Mammon sofort Ja, den Teufel spielte er zwei Sommer lang.

Obwohl er in der Rolle nur mit dem Hauptdarsteller Tobias Moretti auf der Bühne steht, genießt er das Festspielprogramm mit Vorträgen, Gesprächsrunden und anderen Schauspielproduktionen – ebenso wie den Kontakt zu Kollegen. Mit der berühmten Film- und Theaterschauspielerin Edith Clever verbindet ihn ebenso ein freundschaftliches Verhältnis wie mit Peter Lohmeyer, der als Tod zu erleben ist. Die Männer liegen nicht nur künstlerisch auf einer Wellenlänge, standen im Krimi „Carneval“ als Kommissare Jan Fabel und Benni Scholz vor der Kamera. Schalke-Fan Lohmeyer teilt mit Franken, der Fan des 1. FC Köln ist, auch die Leidenschaft für den Fußball. „Salzburg ist auch für uns als Familie ein bisschen Urlaub“, schwärmt Franken. Wenn es die Zeit zulässt, genießen die drei die Badeseen im Salzburger Land.

Mit dem Münchner Hausregisseur Thom Luz probt der Schauspieler nun die Stückentwicklung „Olympiapark In The Dark“, die im Oktober Premiere hat. Die Produktion basiert auf der Komposition des amerikanischen Musikpioniers Charles Ives, „Central Park in the Dark“ von 1906, in der ein Kammerorchester den nächtlichen Klang des New Yorker Stadtparks erzeugt. Auf das Musiktheater der Langsamkeit, für das der erfolgreiche Schweizer Regisseur vielfach ausgezeichnet wurde, lässt sich Franken mit Neugier und Leidenschaft ein.

Neue Regiestile mit seiner darstellenden Kunst zu erschließen, fordert den Schauspieler heraus. Auf einen grenzgängerischen Spagat hat sich der 41-Jährige in dem Stück „Kuffar. Die Gottesleugner“ von Nuran David Calis eingelassen. Da spielte Franken einen jungen Arzt, der zum Islamisten wird. Da kehrte der Schauspieler die innere Wut des jungen Mannes nach außen, der Gewalt gegen Ungläubige als einzigen Ausweg sieht. Bei aller Kraft lebt Frankens Schauspielkunst aber doch von den leisen, den klug durchdachten Momenten. Die kostete er in der Rolle des liebeskranken Schriftstellers in den „Sommergästen“ von Regisseurin Daniela Löffner aus. Maxim Gorkis wunderbaren Text über Menschen, die am Vorabend der Russischen Revolution ihren Halt verlieren, brachte er voller Liebe, Zartheit und Angst zum Klingen. Jürgen Gosch, bei dem Löffner Regieassistentin war, hat auch Frankens Blick auf das Theater geprägt. In dessen Tschechow-Inszenierung „Die Möwe“ war der Schauspieler 2008 bereits bei den Salzburger Festspielen zu erleben.

Eine neue Herausforderung hat der Künstler im Sommer mit seiner Berufung in die Jury des Wettbewerbs deutschsprachiger Schauspielschulen in Berlin erlebt. „Es war spannend, all die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler zu beobachten.“ Auf der Basis des Gesehenen dann eine profunde Kritik zu formulieren, war für ihn eine gute Erfahrung.

Was will er seinen Kollegen der jungen Theatergeneration mit auf den Weg geben? „Bei aller Kunstfertigkeit, bei aller Technik und Virtuosität muss ein Schauspieler auch den Mut aufbringen, inne zu halten, Gefühle zuzulassen, zu atmen,damit man den Figuren in die Seele schauen kann. Dann steht die Zeit vielleicht für einen Moment still.“ Selbst an einer Schauspielschule zu unterrichten, reizt den erfahrenen Künstler. Sein ehemaliger Lehrer an der Otto-Falckenberg-Schule der Kammerspiele München, Jochen Noch, ist dort jetzt Schulleiter. Auf dieses Wiedersehen freut sich Franken.

Auf den Spuren Max Reinhardts

Schloss Leopoldskron: 1918 kaufte Max Reinhardt, damals Europas berühmtester Theaterimpresario und Mitbegründer der Salzburger Festspiele das Schloss. Damals war das Gebäude sehr baufällig. Reinhardt, der damals auch die Berliner Theaterszene prägte, konzentrierte sich mit viel Kreativität auf den Umbau des historischen Gemäuers. Mit Hilfe von Salzburger Handwerkern restaurierte er den Stiegenaufgang, die Große Halle und den Marmorsaal.

Die Bibliothek und das Venezianische Zimmer entsprangen dem kreativen Geist Reinhardts. Der Künstler und Theaterchef erfüllte Schloss Leopoldskron durch seine Theaterproduktionen mit Leben. Außerdem traf er sich dort mit Theatermachern, Literaten und anderen Intellektuellen aus ganz Europa. Auch Theaterabende fanden in dem Gebäude statt – da zog das Publikum von Raum zu Raum. Im Schlosspark ließ er ein Gartentheater bauen, mit Weiher und Untersberg als Kulisse. Heute werden die Räumlichkeiten als Hotel genutzt.

Christoph Frankens Lieblingsort: Dem österreichischen Radiosender ORF verriet der Schauspieler Christoph Franken, dass Schloss Leopoldskron sein Lieblingsort in Salzburg ist. Dort feiert das „Jedermann“-Ensemble jedes Jahr ein Gartenfest, bei dem die Künstlerinnen und Künstler für einige Stunden vom Festspiel-Stress entspannen und gemeinsam feiern. Nur wenige Gehminuten entfernt liegt eines der großen Salzburger Freibäder, das „Lepi“. Da entspannt sich der Theaterschauspieler gerne mit seiner Familie.

Gartentheater: Auf dem sieben Hektar großen Gelände um das Schloss hatte Max Reinhardt ein Gartentheater erbauen lassen. Da führte der Theatermann Shakespeares „Was Ihr wollt“ auf. Ab den 60er-Jahren ist die Anlage verfallen. Heute zeigt das Salzburger Landestheater im Park von Leopoldskron die Sommerproduktion „Shakespeare im Park“ (18., 21., 22., 25. und 28. August).

www.salzburger-landestheater.at