Steve Swallow feiert die Musik seiner Lebensgefährtin Carla Bley. Foto: Kellmayer - Kellmayer

Eine Bronchitis hat Carla Bley außer Gefecht gesetzt: Die 82-jährige Jazz-Pianistin konnte am Konzert des Jazz Festivals Esslingen in der Stuttgarter Sparda-Welt nicht teilnehmen.

StuttgartZahlreiche Jazzfans hatten sich auf die Musik der Pianistin Carla Bley und ihres Trios im Spardawelt Eventcenter hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof gefreut. Doch dann die Enttäuschung: Durch eine schwere Bronchitis war die mittlerweile 82-jährige Grand Dame des Jazz außer Gefecht gesetzt, sie konnte bei dem in das vierte Jazz Festival Esslingen eingebundene Konzert nicht spielen. Die Veranstalter machten aus der Not eine Tugend und ließen Bleys Mitstreiter, ihren Lebensgefährten und Bassisten Steve Swallow sowie den aus England stammenden Saxofonisten Andy Sheppard, im Duo auftreten. „Carla ist sehr traurig, dass sie heute nicht hier sein kann“, übermittelte Steve Swallow Grüße der außergewöhnlichen Musikerin, die über sechs Jahrzehnte wie keine andere die Stilistik des Jazz beeinflusst, verändert und weiterentwickelt hat. Da das Duo ausschließlich Kompositionen von Carla Bley spielte, war die Ikone des Jazz jedoch nicht nur in Gedanken, sondern auch in Tönen anwesend. Hört man ihre Musik, muss man sich von allen Konventionen lösen: So frei, so ungewöhnlich und spontan wie die Künstlerin selbst ist auch ihre Musik. Swallow und Sheppard gaben ihr Bestes, und obwohl das akkordische Fundament und auch die inspirierenden Soli Bleys fehlten, wurden die Zuhörer durch exquisites, kammermusikalisch feines Duospiel reichlich entschädigt. „Utviklingssang“ hatte Bley für ein Konzert im norwegischen Bergen geschrieben, eine logisch durchstrukturierte, folkloristisch angehauchte Auftragskomposition – ruhig, melodisch und im Schwebezustand zwischen vertraut und unvertraut. Sheppards Tenorsaxofon zog eine weiche Tonspur, vereinte sich mit den kultivierten Basslinien, setzte zu beredten Dialogen an und gab dem Ton mannigfache Farbschattierungen. Steve Swallow bei der musikalischen Arbeit zuzuschauen, war ein Genuss. Mit welcher Souveränität und Ruhe er seinen fünfsaitigen E-Bass in Schwingungen versetzte, wie er durch Zupfen und mittels eines Plektrons kunstvolle, präzise gesetzte Töne produzierte und mit welcher Phantasie er einen vielschichtigen Klangkosmos aufbaute – das zeigte nicht nur den technisch perfekten Gitarristen, sondern auch einen äußerst feinfühligen Musiker.

Titel wie „On and on“, „Sidewinder in Paradise“ oder „Ups and Downs“ brachten ein Feuerwerk an musikalischen Ideen – schön, gelegentlich irritierend und immer für eine Überraschung gut. Und als in „Vashkar“ das Pink-Panther-Thema von Henry Mancini anklang, schimmerte eine Prise Humor durch. Andy Sheppard sorgte nicht nur für orientalisch anmutende Melismen, sondern auch für Subtones, die durch Luftbeimischung seinen Tönen auf Sopran- und Tenorsaxofon eine ganz eigene Note und differenzierte Färbung gaben. Aus dem instinktiven, traumhaft sicheren Zusammenspiel von Swallow und Sheppard entwickelten sich immer wieder besondere Klangmomente, die in ihrer Intensität und Lebendigkeit Ausdruck der Sensibilität und emotionalen Tiefe der Kompositionen Bleys waren. Und als nach dem finalen „Lawns“ begeisterter Applaus den Akteuren für einen inspirierenden Abend dankte, war dies auch eine Hommage an die großartige Carla Bley.