Von Elke Eberle

Plochingen - Auf den ersten Blick wirkt die Schau in der Plochinger Alten Steingießerei recht überschaubar. Jeweils ein Werk zeigen Elsa Farbos, Valentin Leuschel, Shinroku Shimokawa und Ines Skirde. Aber jedes Werk für sich ist ein kleiner Kosmos, jedes offenbart jede Menge Potenzial und wirkt auch ohne großen Kontext. Eröffnet wurde die Antrittsausstellung der neunten Stipendiatengeneration des Landkreises Esslingen am vergangenen Freitag, zu sehen ist sie nur noch am kommenden Wochenende.

Die Welt ist nicht mehr als Ganzes wahrnehmbar, kleine Teile fügen sich in schwindelerregender Geschwindigkeit zueinander, eine Biografie entwickelt sich nicht mehr gradlinig, sondern in wirrem Zickzack, Beziehungen gedeihen und zerbröseln. Doch unverrückbar steht am Ende des Lebens der Tod. Valentin Leuschel etwa beschäftigt sich mit den großen Fragen des Lebens: Was ist wirklich wichtig, was bleibt? Nackt und bloß liegt der Akteur in der Videoinstallation im Bett, seine Nabelschnur zur Welt ist sein Laptop. Bilder poppen auf, Textdokumente schreiben sich fort, Filme erzählen von der Kindheit, von Verlorenheit inmitten vieler Menschen. Der Betrachter wird Zeuge einer Suche und bleibt irritiert.

Das Individuum steckt mittendrin

Valentin Leuschel wurde 1989 in Stuttgart geboren, er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, ebenso wie die 1986 in Wolgast geborene Ines Skirde. Einer ihrer Studienschwerpunkte war Intermediales Gestalten bei Discotheca Flaming Star. Ihre großformatige Arbeit „Medeas Net“ erinnert an einen historischen Wandteppich, doch er hängt frei, ist aufgespannt an Ketten und Schnüren. Ein dicht gewobener Cluster aus Bildern erzählt simultan Geschichten und Episoden, verwirrend, eingebettet in ein Großes Ganzes, in ein unbekanntes Umfeld, Ton in Ton. Bücher über Feminismus, Abbildungen aus einer Modezeitschrift, mittelalterliche Tafelbilder, Emoticons, Kunst aus der Geschichte aller Welt, alles hängt mit allem zusammen und das Individuum steckt mittendrin und versteckt sich hinter einer Maske.

Elsa Fabros wurde 1987 im französischen Saint Germain en Laye geboren, sie studierte in Nantes, Straßburg und zuletzt in Stuttgart. Sie arbeitet vorwiegend mit Material, das sich gießen lässt, mit Glas, Beton, Porzellan oder Gips. Das omnipräsente, weithin sichtbare Kraftwerk in Altbach versteht sie als zentralen Kraftort und Motor des Lebens und Wirtschaftens im Mittleren Neckarraum und Stuttgart. Sie findet Schönheit in der Technologie, ihre vielteilige Installation „Alabaster (Panzer, Flugzeuge, LKW usw.)“ ist eine Reminiszenz an die die Landschaft prägenden, hohen weißen Türme des Kraftwerkes. Das Weiß der Türme nimmt sie in Material - Gips in der Farbe von Alabaster - und Form auf. Große und dennoch fragile, weiße, schlanke, manchmal tropfenartige, manchmal leicht geschwungene, phallisch anmutende Gebilde verbindet sie mit hölzernen Spielsachen, mit lose im Raum verteilten Fahrzeugen aller Art. Die Verwendung von Spielzeug könnte in die Irre führen, hier ist nichts harmlos, immer wieder finden sich Brüche wie Wunden, etwa Einschnürungen oder trichterförmige Ausbuchtungen und Fahrzeuge, die in Friedenszeiten eigentlich überflüssig sind.

200 auf einer Seite polierte Pflastersteine aus dem Baumarkt hat der 1979 in Tokio geborene Shinroku Shimokawa zu einer „provisorischen Skulptur“ zusammengefügt. Zunächst studierte er in Tokio, dann in Stuttgart. Die Pflastersteine stehen alle auf der Spitze, lässig fixiert mit jeweils drei frisch gekneteten Tonkugeln. Die Tonkugeln trocknen nach und nach, die Pflastersteine verlieren ihren Halt und brechen aus der gleichförmigen Struktur. Der Zufall ist ein Teil der Arbeit.

Wider die Konventionen

Ein großer Stein, eine Steinskulptur steht nicht selten für Ewigkeit, für Unverrückbarkeit, für Unumstößliches. Shimokawa arbeitet dagegen an, reibt sich an Konventionen, fügt schwere Steinquader mit fragilen Latten und labilen Spanngurten zusammen, wandert mit einem Stein an der Leine durch die Stadt und hinterlässt Spuren, schleift und schleift und bringt Zeit zum Raum, etwa in der Arbeit „geschliffene 5 Wochen“.

Der Landkreis Esslingen fördert seit 1992 junge Künstlerinnen und Künstler mit einem dreijährigen Atelierstipendium. Im August vergangenen Jahres hat die aktuelle Stipendiatengeneration ihre Räume im Kulturpark Dettinger bezogen, jetzt zeigen die vier Stipendiaten erste Arbeiten. Zum Ende des Stipendiums werden sie in Einzelausstellungen aktuelle Werke präsentieren, außerdem wird die Arbeit jedes Stipendiaten mit einem Katalog gewürdigt. Alle vier sind junge Talente, sie sind gerade dabei, nach dem Abschluss des Studiums ihren ganz eigenen Weg zu finden, eine Richtung haben sie eingeschlagen, jeder für sich. Sie sind verschieden weit gekommen, alles ist immer im Fluss und in Veränderung, die Ausstellung wirkt noch provisorisch, aber die Aussichten sind äußerst vielversprechend.

Bis 9. April, Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, jeweils 15 bis 18 Uhr.