Farbenfrohe Kleider, leuchtende Stimmen: die African Angels .F oto: Stevens Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Stuttgart - Zum deutschen Wagner-Allerheiligsten, dem Bayreuther Grünen Hügel, führen viele Wege. Einer über Südafrika. So beseelt wie an diesem Abend hört man den Pilgerchor aus dem „Tannhäuser“ auch nicht alle Tage. Kein Wunder, es sind auch „afrikanische Engel“ aus Kapstadt - neun Frauen, neun Männer - unterwegs, und die Pilgerschar, die auf ihrer Deutschlandtour jetzt im Hegelsaal der Liederhalle Station machte, hat ein ganz spezielles Rhythmusgefühl im Gepäck - oder besser gesagt im Blut. Der Gesang geht hier auch im ernsten Fach unwillkürlich in Körperbewegung über, selbst das Pilger-„Halleluja“ beginnt da noch feierlich zu swingen. Und mit ihrer tänzerischen Beschwingtheit mischen die dunkelhäutigen Sängerinnen und Sänger des Cape Town Opera Chorus auch Schwergewichte des klassischen Klangfachs mit einer erfrischenden Leichtigkeit auf, die nicht nur im Gospel-Powermodus schlichtweg ansteckend wirkt.

Vor dem Ende der Apartheid war die Oper in der südafrikanischen Heimat der Sänger eine exklusive Angelegenheit der weißen Bevölkerung, heute ist der klassische Musiktheaterbetrieb auch dank der Institution der Cape Town Opera eine kulturelle Wachstumsbranche. Das Aushängeschild, die African Angels, besteht ausnahmslos aus hervorragenden Vokalsolisten. Etliche von ihnen haben auch an den großen Opernhäusern der Welt Einzelengagements. Kein Wunder, dass dieser Chor 2013 in London unter 1500 nominierten aus mehr als 40 Ländern zum Opernchor des Jahres gewählt wurde. Eine große Bühnenshow braucht die vom quirligen portugiesischen Musikdirektor José Dias vom Flügel aus geleitete Truppe nicht, für die optischen Akzente sorgt der Vorzeigeopernchor der Regenbogennation beim Crossover-Klangkino mit den wechselnden Outfits selbst, eines ist farbenfroher als das andere. So bunt die Kleider und Westen, so vielseitig das Programm. Neben Wagner, Donizetti (Chor der Diener aus „Don Pasquale“) und Offenbach („Barcarole“ aus „Hoffmanns Erzählungen“) haben die Sänger die „Habanera“ sowie das „Torero“-Lied aus Bizets „Carmen“ im Opern-Best-of-Programm. Auch Deutschsprachiges aus der Welt der leichten Muse gehört zum Repertoire der Südafrikaner. Ein Faible haben die Goldkehlen offenbar für Johann Strauss. Aus der „Fledermaus“ gibt’s gleich zwei Kostproben: „Brüderlein und Schwesterlein“, und im feurigen Finale wird der „sprudelnden Majestät“ gehuldigt - in der Sprache der südafrikanischen Xhosa.

Bei der Morricone-Hommage „Nella Fantasia“, einer Vokalversion des „The Mission“-Instrumentalklassikers „Gabriel‘s Oboe“, können sich die glänzenden Tenöre profilieren. Aber auch im Bariton- und Bassfach ist der Chor hervorragend besetzt, wie man bei den Musical-Nummern „The impossible dream“ ( „Mann von La Mancha“) und „Ol‘ Man River“, dem „Show Boat“-Klassiker, unschwer hören kann. Ihr Herzblut verströmen die African Angels aber unüberhör- und unübersehbar bei den afrikanischen Traditionals und afroamerikanischen Gospels. Das sehr gefühlvoll intonierte „Memeza“ ihrer 2004 verstorbenen Landsfrau und Popsängerin Brenda Fassie widmen die südafrikanischen Sängerinnen „allen Frauen, die ihrer Würde und Freiheit beraubt sind“. Bei Ohrwürmern wie „Oh Happy Day“ oder „Pata Pata“ wird im Publikum mitgetanzt, und am Ende dieses mitreißenden Auftritts erhebt sich der ganze Saal zu Standing Ovations.