Cornelia Gröschel als emanzipierte Rosalind und Andreas Klaue Foto: Tobias Metz - Tobias Metz

Ex-Intendant Carl Philip von Maldeghem inszeniert an seiner ehemaligen Wirkungsstätte die Shakespeare-Komödie mit viel Witz und etlichen Kalauern. In einer Hauptrolle: Cornelia Gröschel als Rosalind – die Frau, die einen Mann spielt.

StuttgartHier haben eindeutig die Frauen die Hosen an. Sie sind selbstbestimmt und sagen, wo’s langgeht – geographisch ebenso wie emotional. Der Wald ist ihr Sehnsuchtsort, in dem sie Asyl suchen, vor weltlichen Bedrohungen. Dort hoffen sie, wie einige andere auch, ihr Glück zu finden. William Shakespeares vor 400 Jahren uraufgeführte Komödie, „Wie es euch gefällt“ ist leichter Unterhaltungsstoff mit viel Komik, dem Carl Philip von Maldeghem einige Aktualitätsbezüge abgetrotzt hat. Der ehemalige Chef am Stuttgarter Alten Schauspielhaus und der Komödie im Marquardt und jetzige Intendant des Salzburger Landestheaters ist nach zehn Jahren an die einstige Wirkungsstätte als Gast zurückgekehrt. Am Alten Schauspielhaus hat er seine Auffassung dieses erotischen Verwirr- und Identitätsspektakels mit einem sehr spielfreudigen Personal umstandslos und mit jugendaffinem Touch auf die Bühne gebracht.

Dafür hat von Maldeghem die Shakespeare’sche Sprache effektvoll mit zeitgenössischer Umgangssprache gespickt. Die Figuren sagen nach poetischen Wortarien oder geschliffenen Rhetorikduellen „ciao“ oder „okay“ und geben sich als lässige Machos oder romantische Loverboys. Es wird viel gekalauert und gesungen (mit Musik von Julius von Maldeghem). Es wird sogar synchron getanzt in Outfits, die absolut up to date sind und die Thomas Pekny für diese schräge Gesellschaft im Ausnahmezustand entworfen hat. Von ihm stammt auch das Bühnenbild, das in seiner fantastischen Schlichtheit besticht.

Am Anfang agieren die Schauspieler vor einem bloßen Bühnenvorhang mit farblichem Sepia-Effekt. Wenn er fällt, wird eine abstrakt-mystische Zauberwaldwelt sichtbar. Schlichte, schmale Holzpaneele hängen vom Schnürboden, die, in verschiedenen Blautönen beleuchtet, die geheimnisvoll-verschlungenen Pfade dieses Ortes der Illusion und Imagination symbolisieren.

Schadstofffreies Aussteigeridyll

Dort ist das irrlichternde Exil der Entmachteten, Verfolgten, Verbannten und Verliebten. In dem schadstofffreien Aussteigeridyll erhofft jeder für sich ein Leben nach seiner Fasson; ein Trugbild, man weiß das ja. Aber da es sich hier um Theater im Theater handelt und Shakespeare sich schon zu seiner Zeit auf befriedigende Massenunterhaltung verstand, lösen sich die Verwicklungen des stellenweise sehr klamaukig inszenierten Lustspiels am Ende im Wohlgefallen dreier Hochzeiten auf. Andreas Klaue als gehörnter Melancholiker Jaques in knapper Krachlederner glänzt mit seinem schnörkellosen Kurzmonolog von Shakespeares vielleicht berühmtestem Zitat: „Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer nichts als Spieler.“ Das macht von Maldeghem transparent, indem er das Ensemble zu Beginn aus den Publikumsrängen heraus singend auf die Bühne treten lässt. Einige Male geht das Licht im Saal an, werden die Zuschauer von den Akteuren direkt angesprochen. Wir alle verstellen uns, wenn es darum geht, die eigene Vorstellung vom kleinen Glück zu verwirklichen.

Beim alten Herzog Ferdinand hat das nicht ganz geklappt. Er lebt, von seinem despotischen Bruder Frederik entmachtet (Armin Jung in der herzoglichen Doppelrolle zwischen Gut und Böse wechselnd), wie Robin Hood im Wald von Arden. Dort versammelt sich so nach und nach die ganze Aussteiger-Clique vom herzoglichen Hof. Orlando liegt mit seinem älteren Bruder Oliver (düster: Gunnar Blume) im Clinch, weil der ihm weder Kohle noch Ausbildung zugesteht, wie vom verstorbenen Vater bestimmt. Daniel Tille ist der perfekte Gutmensch in weißem Hemd und Jeans, der gegen Frederiks grauseligen Wrestler Charles überraschend gewinnt. Er erobert dabei zwar Rosalinds Herz, muss sich aber schleunigst vom heimischen Acker machen.

In einer köstlich-verqueren Szene versucht Celia, Rosalinds Cousine und beste Freundin, die komplexen Macht- und Verwandtschaftsverhältnisse zu verklamüsern, was für amüsierte Lacher im Publikum sorgt. Rosalind ist Ferdinands Tochter, wird allerdings von Celias Vater Frederik am Hof geduldet. Als er sie doch verbannt, tauscht sie für die Flucht ihre modischen Chinohosen und Sneakers gegen ein machohaftes Outfit, um zu wirken wie „ein Kerl von Kopf bis Fuß“. Dafür wird „fettes und dreistes Auftreten eingeübt“, bestimmt die emanzipierte Rosalind, die klar erkennt: „Die Kerle sind oft selber feig und überdecken dies nur mit Behauptung von Selbstsicherheit.“

Logisch, dass die beste Freundin auf den Abenteuertrip mitkommt. Ein kleines Kabinettstück ist die dafür notwendige Verwandlung der stylishen Celia im eierlikörgelben Plisseekleid. Ihr größtes Zugeständnis: „Ich schmink mich ab.“ Keine Grundierung, kein Lippenstift, keine Wimperntusche, nur ganz dezenter Nude-Look und ein Jumpsuit mit Polka Dot Print sind zur Tarnung gestattet.

Trockentraining mit Orlando

Die Camouflage funktioniert. Im Zauberwald trifft Rosalind unerkannt als süßer Ganymed auf ihren Schwarm. Fürs Trockentraining mit Orlando zettelt sie einen raffinierten Liebes- und Identitätsreigen an. Schäferin Phoebe steht auf Mundspray und auf den vermeintlichen Jüngling Ganymed, statt den sie verehrenden Schafhirten Silvius zu erhören. Für Lokalkolorit sorgt das betonte Schwäbeln von Antonia Leichtle und Daniel Kozian (der mit langen Haaren auch den Wrestler spielt) sowie Olivers entsetzter Ausruf: „Nicht den Daimler“, als der Herzog sein Hab und Gut beschlagnahmt. Im Ardenner Wald rettet ihm sein verhasster Bruder Orlando das Leben, er wird geläutert und verliebt sich in Celia.

Cornelia Gröschel und Marthe Lola Deutschmann als Rosalind und Celia, die beide ihr Debüt am Alten Schauspielhaus geben, sind ein kongeniales Gespann. Gröschels androgyner Charme als Frau, die einen Mann spielt, und das possenhafte Halbstarken-Gehabe gehen eine reizvolle Symbiose ein mit kleinen feministischen Seitenhieben. Keiner soll glauben, dass, nur weil sie wie ein Kerl aufgebrezelt sei, sie ihr Hirn in der Hose habe. Am vergangenen Sonntag hatte die 31-Jährige ihren ersten Einsatz als ARD-„Tatort“-Kommissarin. Auch die 27-jährige Deutschmann ist aus TV-Serien bekannt. Als girliehafte Celia beweist sie selbstironischen Witz und bringt mit ihrer mädchenhaften Unbeschwertheit positive Energie ins Spiel. Claudia Carus ist Touchstone, ein gitarrespielender Rock-Clown, der sehr schön singt. Der zweite Teil des Abends hat einige starke Momente, originelle Sprachspiele und witzige Andeutungen, etwa wenn Jaques am Ende mit dem Satz verschwindet: „Ich bin dann mal weg.“ Alles nur Theater.

Vorstellungen bis 1. Juni.